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Donnerstag 1. Oktober 2015


Reform des Mordparagraphen

Am 14.09.2015 war ich zu einer Diskussionsveranstaltung zur Reform des Mordparagraphen in die saarländische Landesvertretung in Berlin eingeladen worden.

Es ging um die vom Justizminister Maas beabsichtigte Reform der Tötungsdelikte, vereinfacht der Reform des Mordparagraphen. In der Rechtswissenschaft diskutierte man verstärkt seit den Sechzigerjahren über eine Reform, damals mehr aus Prinzip, heute eher mit dem Wissen praktischer schiefer Fälle.

Auch auf der Veranstaltung wurde der 1941 eingeführte Paragraph mit dem Nationalsozialismus in Verbindung gebracht und man unterschlug, dass der Paragraph eine Kopie aus einem Entwurf für ein Schweizer Strafgesetzbuch war. Der Verfasser des Schweizer Entwurfes von 1893, ein Herr Stooss, hatte sich für seinen Entwurf an einer volkstümlichen, traditionellen Wertethik orientiert.

Überzeugender als Änderungsgrund waren für mich die Gerechtigkeitslücken und Schieflagen, die der heutige Mordparagraph immer wieder verursacht. Vorgetragen wurden einige reale Beispielfälle. So kümmerte sich ein Rentner über Jahre aufopferungsvoll um seine demente und lang dahin siechende Ehefrau. Am Ende erstickte er seine schlafende Frau aus Liebe und um ihr weiteres Leiden zu ersparen mit einem Kissen. Wegen des Ausnutzens des Schlafes war die Tat heimtückisch und nur eine lebenslange Freiheitsstrafe nach dem Wortlaut des § 211 StGB denkbar.
Ein Chef einer Rockerbande ließ einen Aussteiger wegen des Verstoßes gegen den Ehrencodex in den Wald bringen und exekutierte ihn nach stundenlanger Todesangst. Nach sechs Jahren war der nur wegen Totschlages verurteilte Rocker wieder frei. Die ausgeurteilten Ergebnisse waren in Hinblick auf die Gesetzeslage absolut korrekt – anhand dieser beiden Beispiele mag sich jeder Leser selbst ein Bild machen, ob es Schieflagen beim Mordparagraphen gibt.

Eine andere schiefe Tatkonstellation ist die Gewalt in der Ehe. Der Haustyrann, der seine Frau totprügelt, wird wegen Totschlages zu einer zeitigen Freiheitsstrafe verurteilt und ist nach einigen Jahren wieder auf der Straße. Die eingeschüchterte Frau, die nach langen Leidensjahren vielleicht nicht einmal wegen sich selbst, sondern aus Sorge um das ebenfalls misshandelte Kind den schlafenden Haustyrannen mit der Bratpfanne erschlägt, wird wegen Heimtücke zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt. Der Haustyrannenfall ist das Lieblingsbeispiel des Bundesjustizministers. Auch der Strafverteidiger Prof. Dr. Stefan König kannte solche Fälle aus der Praxis und diese waren auch eine Motivation für den Reformvorschlag des Deutschen Anwaltsvereins.

Der Stuttgarter Generalstaatsanwalt Achim Brauneisen äußerte die Sorge, dass nach einer Reform faktisch die lebenslange Freiheitsstrafe abgeschafft würde. Hier wies Prof. Dr. Michael Kubiciel daraufhin, dass die Schweiz die Absolutheitsregel bei Tötungsdelikten schon vor einigen Jahren abgeschafft hätte und es danach dort nur geringe Veränderungen bei der Verhängung von lebenslanger Freiheitsstrafe gegeben hätte.

Prof. Dr. Albin Eser wurde zur deutschen Strafhöhe im internationalen Vergleich befragt und wies daraufhin, dass man die reine Strafhöhe nicht sinnvoll vergleichen könne. In Großbritannien seien die verhängten Freiheitsstrafen erheblich höher als in Deutschland. Die Verurteilten kämen aber wegen der eher großzügigen Vollstreckungsregeln aber eher als in Deutschland wieder frei.

Prof. Dr. König äußerte Kritik an der Einführung an dem qualifizierenden Gesinnungsmerkmal „rassistisch/fremdenfeindlich“ und fragte, wo denn der Unterschied sei, ob jemand wegen seiner Hautfarbe oder wegen einer falschen Musikrichtung getötet werde. Der Bundesjustizminister ging nicht wirklich darauf ein, sondern verwies recht grob auf notwendige politische Zeichensetzung.

Die Veranstaltung war recht kurzweilig und trotz Juristen auf dem Podium kam doch wenigstens zeitweilig auch etwas Spannung auf. Nach dem Schluss der Diskussion verlagerten sich die Gespräche recht schnell zum Büffet im Eingangsbereich der Landesvertretung und hier konnte ich mit Prof. Dr. König über Vor- und Nachteile der verschiedenen Reformvorschläge diskutieren und fand dann noch Gelegenheit zu einem kurzen Gespräch mit dem Bundesjustizminister, um in einer anderen Sache eine mögliche Gesetzesänderung zu erörtern.


Samstag 12. September 2015


Bad Saarow 2015: Der Zeugenbeweis

Am 11. und 12. September 2015 dürfte es schwer geworden sein einen guten Strafverteidiger in Berlin zu erreichen, denn die Vereinigung Berliner Strafverteidiger hatte zum Wochenendseminar nach Bad Saarow eingeladen.

Copyright Malte Höpfner, Strafverteidiger, Fachanwalt für Strafrecht

Seminar 2015 der Vereinigung Berliner Strafverteidiger in Bad Saarow, Copyright Malte Höpfner

Das Seminar stand unter dem Motto, „Der Zeugenbeweis – Von der Wahrheit, der Pflicht und anderen Fehlleistungen“.

Wegen beruflicher Verpflichtungen konnte ich nicht an der Podiumsdiskussion am Freitag zum Thema, „Transfer von Ermittlungsergebnissen in die Hauptverhandlung – Wird der Zeuge aus der Hauptverhandlung verdrängt?“ teilnehmen, sondern reiste erst am nächsten Tag an.

Hier wurde die Veranstaltung mit zwei parallelen Arbeitsgruppen fortgesetzt, wobei die erste Gruppe sich mit der Frage, „Der Polizeizeuge – objektiv oder interessenorientiert?“, beschäftigte.
Ich hatte mich der zweiten Arbeitsgruppe angeschlossen, wo es um die Frage ging, „Zeugen: Im Namen des Volkes oder des Irrtums?“.

Die Referenten waren sehr gut ausgesucht und so referierte die Glaubhaftigkeitsgutachterin Diplom Psychologin Claudia Böhm zu ihrem Tätigkeitsgebiet und stellte neue und alte Erkenntnisse ihres Fachbereiches vor. Interessant war dabei ein Zeitungsartikel von 1905 zu einer erzwungenen falschen Aussage und den damaligen Erkenntnissen zur Glaubhaftigkeitsfeststellung. Zum einen stellte man fest, wie alt doch schon manche Erkenntnisse waren und zum anderen wunderte man sich, dass Polizei und Justiz es in über 100 Jahren noch nicht geschafft hatten, wissenschaftliche Erkenntnisse in ihre Arbeit zu integrieren.
Erschreckend war dann auch ihre Aufzählung von falschen Geständnissen, die nicht so selten sind, wie man denken sollte. Da gab es vor wenigen Jahren einen Mordfall, wobei die Angehörigen in stundenlangen Polizeiverhören gestanden hatten den Familienvater erschlagen und an Hunde und Schweine verfüttert zu haben. Geständnisse wurden im Laufe des Verfahrens zurückgezogen, der folgende Schuldspruch dann vom Bundesgerichtshof und dem Bundesverfassungsgericht bestätigt. Die Geschichte wurde nur dadurch gestört, dass man die unversehrte Leiche einige Jahre später in seinem KFZ sitzend in der Donau fand. Offensichtlich war er betrunken mit dem Auto in den Fluss gestürzt und umgekommen.
Beim Fall „Pascal in der Tosa-Klause“ gab es dann noch mehr Geständnisse, teilweise von Personen, die zur Tatzeit in Heimen untergebracht oder in Gefängnissen gewesen waren. Ich dachte dabei an einen Ausspruch von Stalins Generalstaatsanwalt, dass das Geständnis die Königin der Beweismittel sei. Der Wahrheitsgehalt war ihm immer egal gewesen, nur scheinen einige deutsche Polizisten nach ähnlichem Muster zu arbeiten.
In diesem Zusammenhang stellte die Referentin auch das neueste Buch des Dogen der Aussagepsychologie Prof. Max Steller vor, „Warum jeder unschuldig verurteilt werden kann.“

Der zweite Referent war der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamten beim BKA Andy Neumann, der als Polizeigewerkschafter sich vor die Polizei stellte und Versäumnisse auf fehlendes Personal, schlechte Ausbildung und vor allem unzureichende Fortbildungen zurückführte. Bei der Frage der audiovisuellen Dokumentation von Vernehmungen gab es zwischen dem Publikum und ihm einen Dissens, da er nicht die Forderung teilte alle Vernehmungen zu aufzuzeichnen. Seinem Einwand des fehlenden Personals und notwendiger Verschriftung der Aufzeichnungen wurde aus dem Publikum mit einem Verweis auf britische Praxis und die fehlende Notwendigkeit einer vollständigen Verschriftung entgegnet.

Die Berliner Richterin am Landgericht Ioakimides stellte sich gegen die Forderung der Strafverteidiger nach umfassender audiovisueller Dokumentation von Vernehmungen mit dem formalen Argument, dass dadurch der Vorrang der Erkenntnisgewinnung in der Hauptverhandlung geschwächt würde. Das Argument war formal richtig, nur dass das Publikum hier in einer Abwägung zum Schutz vor Fehlurteilen wohl bereit war, hier auch die Einführung von mehr Aufzeichnungen aus dem Ermittlungsverfahren in Gerichtsverhandlungen zu akzeptieren. Nur so würden Fehler in der Konstanz von Aussagen überhaupt entdeckt werden können, lautete hier das Argument der Strafverteidiger.
Für mich beantwortete sich im Referat der Landrichterin die Frage, warum die Justiz auch in hundert Jahren noch nicht die Erkenntnisse der Wissenschaft reflektiert hatte. Wie bei den Kriminalbeamten lag dies auch an mangelnder Fortbildung, denn bei über sechshundert Staatsanwälten und Strafrichtern in Berlin und noch einigen weiteren in Brandenburg bietet die Richterakademie Berlin-Brandenburg nur eine jährliche Fortbildung zur Glaubhaftigkeitsbegutachtung für 20-30 Richter an. Dazu kam aber noch das Problem der Freiwilligkeit von Fortbildungen für Richter und dass dazu notwendige Engagement der Richter.
Hierzu hatte ich in einer früheren Veranstaltung vom Präsidenten des AG Tiergartens erfahren, dass ein Drittel seiner Richter faktisch niemals Fortbildungen besuchten und ein weiteres Drittel nur selten. Die Personalabteilung der Senatsverwaltung für Justiz legt auf spezifisches Fachwissen sowieso keinen Wert.
Manche Kritik empfand ich als unpassend, da doch letztendlich die Richter, denen wir bei Fortbildungsveranstaltungen begegnen, gerade die guten reflektierenden und nachdenkenden Richter sind. Im Umkehrschluss gibt es aber auch bei diesen Richtern den bedauerlichen Reflex ohne Unterschied ihre Kollegen zu verteidigen.

Der letzte Dozent war ein Kollege, der von seinen Erfahrungen aus Revisionsprozessen berichtete und dabei auf den humorigen Fakt hinwies, dass selbst der Bundesgerichtshof von Glaubwürdigkeitsprüfungen schreibt, wo es um Glaubhaftigkeit geht.


Dienstag 1. September 2015


Selbstbezeichnungen von dritter Person bis Pluralis Majestatis

Wenn ich fremde Anwaltsschriftsätze lese, fällt mir immer auf, dass viele meiner Berufskollegen in der dritten Person von sich reden.

Da heißt es dann nicht, „Ich meine“, sondern „der Unterzeichner meint“, auch ist „der Verfasser der Ansicht, dass….“ Andere Anwälte sprechen von sich als „der Unterschreibende“ bis zu der „Letztzeichner“. Ein Anwalt verwendete sogar als Einzelanwalt den Pluralis Majestatis und schrieb „Wir“, womit er sich und seine Kanzlei meinte.

Bisher unbekannt war mir bis zum Schriftsatz einer Kollegin die Bezeichnung, „Die Unterfertigte“, wobei ich immer noch davon ausgehe, dass sie „die Unterfertigende“ meinte. Im Ergebnis klang aber sehr nach „die Überforderte“.


Samstag 1. August 2015


Verteidigung in Österreich oder der Schweiz

Zu meiner Überraschung gab es in den letzten Monaten mehrere Mandatsanfragen aus Österreich und der Schweiz. Die Anfragenden erzählten, dass ich als der beste Verteidiger im Sexualstrafrecht in Deutschland gelten würde, ihnen empfohlen sei und baten mich um die Übernahme ihrer Fälle in ihren Ländern. Obwohl ich bundesweit verteidige, musste ich hier doch ablehnen, da ich weder in Österreich, noch in der Schweiz als Anwalt zugelassen bin. Auch die Bitten als Berater lokaler Verteidiger die Fälle zu begleiten, habe ich abgelehnt, da ich weder das Prozessrecht in Österreich, noch in der Schweiz kenne und dies aber für unverzichtbar halte.
Bei den Anfragen habe ich für mich gelernt, dass die Situation in Österreich und der Schweiz ähnlich wie in den meisten deutschen Bundesländern ist, wo es auch keine im Sexualstrafrecht erfahrenen Strafverteidiger gibt. Mit einem Kripobeamten vom zuständigen Berliner LKA unterhielt ich mich unlängst bei einer Videovernehmung über Strafverteidiger im Sexualstrafrecht und er berichtete mir, dass es aber auch in Berlin nach mir nur eine knappe Handvoll von Strafverteidiger gäbe, die öfter mit seiner Abteilung zu tun hätten.
Ich übernehme gerne auch die Verteidigung von Österreichern und Schweizern, aber dies nur in Verfahren vor deutschen Gerichten.


Mittwoch 15. Juli 2015


Begrenzung der Nebenklage

Aus der Richterschaft gibt es Forderungen nach einer Begrenzung der Zahl der Nebenkläger in einem Verfahren. Für über 99,9 Prozent der heutigen Nebenkläger würde sich bei einer Umsetzung der Forderung nichts ändern, da es den Richtern ausschließlich um Massenverfahren geht. Der Präsident des Münchener Oberlandesgerichtes Karl Huber (am 27.02.2015 pensioniert) forderte im Angesicht der Kosten des NSU-Prozesses von 150.000,00 € pro Verhandlungstag und bisher schon von über 30.000.000,00 € eine Begrenzung der Zahl der Nebenkläger. Neben dem Argument der Kosten verwies er auf die Gefahr des Zerfaserns eines Prozesses durch die Zahl der Nebenkläger.

Dies kann man sicherlich auch jetzt schon im NSU-Prozess sehen, den die Nebenklägeranwälte als faktischen Untersuchungsausschuss und politische Bühne nutzen wollen. Dabei gerät das Recht der Angeklagten auf ein zügiges Verfahren in Gefahr. Auch die Unschuldsvermutung wird durch schon durch die schiere Zahl der Nebenklägeranwälte beschädigt, wenn Verteidigung und Angeklagten nur noch eine Statistenrolle im Strafprozess zugestanden wird. Dies ist besonders bedenklich, wenn man daran denkt, dass im Strafprozess letztendlich und auch hauptsächlich eine Entscheidung über die Freiheit der Angeklagten getroffen werden soll.

Der Präsident des Oberlandesgerichtes verwies auf die Gefahren bei Völkermordprozessen, wo es Hunderte oder Tausende von Opfern geben könnte. Der OLG-Präsident hat hier schon zu weit gegriffen, denn mit den derzeitigen Nebenklageregeln wäre auch ein Terroranschlag, wie auf das World-Trade-Center, nicht zu bewältigen.

Vernünftig ist die Forderung des Münchener OLG-Präsidenten allemal, wie in Norwegen eine Begrenzung der Nebenklägeranwälte zu schaffen, welche dann mit einer Stimme die Opfer vertreten würden.

Leider scheint die Idee noch nicht beim Gesetzgeber angekommen zu sein und das nächste Großverfahren kommt bestimmt. Entweder kann man dann gleich alle Beschuldigten aus der Haft entlassen, weil ein Prozess nicht durchzuführen ist oder der Gesetzgeber wird mit einem Schnellschuss ein Gesetz schaffen, welchem dann der Ruch des Einzelfallgesetzes anhaften wird.


Montag 15. Juni 2015


Mengenbegriffe im Betäubungsmittelgesetz

Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) kennt drei verschiedene Mengenbegriffe. Die drei Mengenbegriffe „geringe Menge“, „normale Menge“ oder auch „einfache Menge“ genannt und die nicht geringe Menge führen zu unterschiedlichen Strafrahmen.

1. Bei der geringen Menge kann von der Verfolgung abgesehen werden. Anders als vielfach in der Gesellschaft vermutet, liegt jedoch kein strafloses Tun, sondern Staatsanwaltschaft und Gericht können von der Strafverfolgung absehen. Das kann bei Eigenverbrauch der Fall sein, wenn keine Fremdgefährdung vorliegt. Eine solche wird in „geschützten“ Räumen angenommen, wozu man Justizvollzugsanstalten, Kasernen, Schulen oder auch Drogenrehabilitationseinrichtungen zählt.

Die Abgabe auch von geringen Mengen an Drogen durch Erwachsene an Minderjährige wird jedoch als Verbrechen, mit einer Mindeststrafe von einem Jahr gewertet, § 29a Abs. 1 BtMG.
Ein Drogendealer, der heute nur geringe Mengen bei sich führt, wird nach einer mehrfachen Festnahme sicherlich auch nicht mehr mit einer Einstellung rechnen können. Da funktioniert die allgemeine Taktik, das Geschäft in Verkäufer, Läufer und Bunker aufzuteilen und den Läufer nur mit Kleinstmengen auszustatten, nur begrenzt.

Die geringe Menge unterscheidet sich von Droge zu Droge und von Bundesland zu Bundesland. In der Regel geht die Justiz aber von 3 Konsumeinheiten aus. Die Konsumeinheit wird bei Marihuana mit 2 Gramm angesetzt, so dass man auf eine Freigrenze von 6 Gramm kommt. Die geringe Menge von 6 Gramm ist der Standard in den Bundesländern. Mecklenburg weicht mit 5 Gramm davon nach unten ab, während Berlin zwischen 10 und 15 Gramm ansetzt. Die abweichende Berliner Regelung verstößt zwar gegen das Grundgesetz und Völkerrecht, aber hier wird man als Verteidiger sicher nicht protestieren.

Bei anderen Drogen gibt es teils formelle Regelungen und auch informelle Regelungen. Bei Heroin kann bis 1 Gramm eine Einstellung erfolgen, während Kokain in manchen Ländern von 1-3 Gramm eingestellt wird. Bei Ecstasy wird je nach Bundesland das Verfahren bei 3-20 Tabletten eingestellt.

Der Konsument sollte aber auch wissen, dass die Polizei auch geringe Mengen von Drogen beschlagnahmen wird und dass beim Führen eines Fahrzeugs auch noch andere Straftatbestände in Betracht kommen können.

2. Die „normale“ oder auch „einfache“ Menge ist im Gesetz nicht eindeutig geregelt, aber ergibt sich nach dem Ausschlussverfahren. Es handelt sich um eine Menge, die größer ist als die geringe Menge und aber auch kleiner als die „nicht geringe Menge“.

3. Die „nicht geringe Menge“ ist höher als die normale Menge. Im Schnitt kann man sagen, dass die nicht geringe Menge beim zehnfachen der geringen Menge beginnt. Korrekt gibt es aber für jede Droge festgesetzte Grenzwerte, die sich im Übrigen auf die Substanz und nicht auf die Bruttomenge beziehen. Hundert Gramm Kokaingemisch mit einem Substanzgehalt von 1 Prozent reinen Kokain und 99 Prozent Milchpulver sind also weniger als zehn Gramm Kokaingemisch mit einem Reinheitsgrad von 50 Prozent.

So hatte ich ein Verfahren, wo die Angeklagten zwar zuerst sauer auf ihren Lieferanten wegen des verschnittenen Stoffes waren, sich dies aber nach ihrer Festnahme sehr schnell änderte, als das durch die Staatsanwalt in Auftrag gegebene Gutachten bestätigte, dass das beschlagnahmte Amphetamin nur zwischen 3-4 Prozent Amphetaminbase aufwies. Die schlechte Qualität kam ihnen nun im Strafprozess zu Gute.


Montag 1. Juni 2015


Unter Strom

Auch wenn Strafverteidiger unter Strom stehen mögen, benötigen unsere Notebooks im Gerichtssaal Elektrizität aus einer herkömmlichen Steckdose. Und hier stellt man dann schnell fest, dass die Justiz entweder geistig noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen ist oder ein Problem mit der Herstellung von Waffengleichheit hat.

In einem Zivilprozess sind die Probleme wegen der kürzeren Verhandlungen vermutlich noch verschmerzbar, aber eine Verhandlung vor einem Strafgericht läuft gern schon einmal mehr als fünf Stunden und auch acht Stunden sind keine Seltenheit. Hier versagt dann jeder Akku und man ist auf eine stationäre Stromversorgung angewiesen.

In einem Verfahren in einem alten Berliner Gerichtssaal mussten ein Kollege und ich uns eine Steckdose teilen und luden unsere Notebooks nun abwechselnd. Der Verteidigerkollege zeigte mir dann auch noch stolz seinen Ersatzakku, bzw. das Powerpack und stellte dann enttäuscht fest, dass sein Büropersonal am Vortag vergessen hatte, den Akku zu laden. In anderen Verfahren verteilten sich die Verteidiger nach den notwendigen Abständen zu den Steckdosen im Gerichtssaal, während mir manchmal Justizwachtmeister, Protokollanten und Richter halfen, mein Notebook an eine Steckdose auf der Richterbank anzuschließen.

In einem Verfahren schlug ein Staatsanwalt auf eine Beschwerde von Verteidigern vor, dass wir doch mit Verlängerungskabeln kommen sollte, worauf ihm ein Kollege erwiderte, dass wir ja alternativ auch benzinbetriebene Generatoren oder ganze Kabeltrommeln mitbringen könnten. Ein Justizwachtmeister wies bei der Diskussion im Gerichtssaal dann darauf hin, dass wild verlegte Stromkabel von Verteidigern als Stolperfallen schon Zeugen zu Boden geschickt hätten. Staatsanwälte stellen auch oft die Frage in den Raum, ob Verteidiger überhaupt vom Strom aus den Steckdosen der Justiz legal konsumieren dürfen. Staatsanwälte übersehen dabei, dass sie selbst nicht dem Gericht angehören und dass für sie ebenfalls keine Regelung galt.

Ich sprach einen zivilrechtlichen Kollegen, der auch Abgeordneter in Berlin ist, auf das Problem an. Der praxiskundige Kollege startete eine Anfrage im Abgeordnetenhaus an den Senat von Berlin. Für Berlin erklärte die Senatsjustizverwaltung, dass der Strom für die technischen Geräte von Verteidigern entsprechend mangels anderer Regelungen im Gerichtskostengesetz kostenlos sei. Auch kündigte man dann an, dass im Kriminalgericht der Einbau von Steckdosen an den Plätzen der Verteidiger beginnen würde.

Während ich nun in einigen Sälen zufrieden die Erfolge meines Bemühens beobachten konnte, gab es in anderen Sälen durch die Justizverwaltung vorgeschobene Bedenken wegen des Denkmalschutzes. Dabei wären Steckdosen gerade an den Sitzplätzen der Verteidiger in den historischen Sälen problemlos mit einem schon vorhandenen Sichtschutz einzurichten.

Während die Bundesregierung schon die Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen plant, scheitert die Umsetzung auf Länderebene schon an solchen Kleinigkeiten wie ausreichend Steckdosen in Gerichtssälen.

In den Justizvollzugsanstalten hinkt man selbst den Gerichten noch hinterher. Hier scheint es bundesweit noch kein Konzept zu geben, wie man den Gefangenen ermöglicht, vom Akteninhalt Kenntnis zu nehmen und ihre Verteidigung vorzubereiten. Ganze Kopienbände scheiden in Großverfahren, zum einen wegen des Brandschutzes in den Zellen, als auch wegen der fehlenden Praktikabilität, aus. Die Lösung wird hier sein, dass die Justizvollzugsanstalten, im Bios gegen unerlaubte Nutzungen gesicherte, Notebooks den Gefangenen zur Verfügung stellen.


Freitag 15. Mai 2015


Wertbestimmung im Strafrecht

Die Probleme bei der Wertbestimmung im Strafrecht zeigten sich zuletzt in der Presseberichterstattung über eine „Vorteilsnahme“ einer Berliner Lehrerin. Die Lehrerin war von ihrer Abschlussklasse mit einer Statue nach Loriot „Die Badenden“ beschenkt worden. Die Statue hatte im Handel rund 180,00 € gekostet. Die Lehrerin wurde wegen Vorteilsnahme angezeigt, da das Geschenk oberhalb der in Berlin erlaubten 10,00 € lag. Da spielte es keine Rolle, dass jeder der Schüler weniger als zehn Euro bezahlt hatte. Letztendlich erhielt sie einen Strafbefehl von 4.000,00 €. Bei einer Asservatenversteigerung der Berliner Justiz brachte die Statue dann nur umgerechnet 12,00 €, faktisch wurde sie mit anderem Krimskrams für zusammen knapp 15,00 € verkauft. An dieser Stelle stellt sich dann die Frage, was das Geschenk wert war. Die Staatsanwaltschaft Berlin ging vom Endverkaufspreis aus. Für einen Verteidiger zeigt dieser Fall, dass man Wertbestimmungen im Strafrecht immer kritisch hinterfragen sollte.
Die Wertbestimmung im Zivilrecht ist nachvollziehbarer als im Strafrecht, da für die Streitparteien der Streitgegenstand in der Regel immer einen bestimmten Wert hat.

Im Strafrecht ist dies weniger einfach und die Justiz geht teilweise regellos vor. Bei der Wertbemessung von Rauschgift wird der Wert bei der Strafzumessung äußerst großzügig gehandhabt. Die Gerichte nehmen einen oft überhöhten Straßenverkaufspreis an und übersehen, dass Zahlungsausfälle und Verluste von Teilmengen für jeden Dealer zum Leben gehören. Einem Verteidigerkollegen, der seine Gebühren bei der Einziehungsfrage entsprechend ansetzte, wurde wiederum von der Justiz bescheinigt, dass Rauschgift als verbotenes Gut hier keinerlei Wert habe.

Auch bei Sachdiebstählen stellt sich oft die Frage nach dem Wert. Ist es der Einzelhandelsverkaufspreis oder nur der Einkaufspreis, den der Handel bei der Wiederbeschaffung zahlen muss.

Für die oben genannte Lehrerin war der Wert der Statue klar, es waren 4.000,00 €, die sie an die Justizkasse des Landes Berlin zu zahlen hatte. Zusätzlich bitter war für sie sicher noch, dass man nach ihrem Fall die entsprechenden Regelungen für Lehrer zu Geschenken anpasste und dass Berliner Abgeordnete ohne Probleme zur gleichen Zeit mehrere dieser Statuen als Geschenk hätten annehmen dürfen.


Freitag 1. Mai 2015


Fehlerbehafteter Journalismus

Bei der Presseberichterstattung über Gerichtsverfahren stelle ich häufig Fehler fest. In Bayern war ich nun jüngst selbst betroffen, als die Presse einen von mir erkämpften Freispruch, nachträglich zu einer moralischen Anklage gegen den Freigesprochenen nutzte.

Solche journalistischen Anklagen von unfähigen Richtern und moralisch verkommenen Verteidigern lassen sich vermutlich besser, als einen vernünftig das Urteil erklärenden Text, verkaufen und sind sicherlich auch schneller und einfacher zu schreiben.

Vielleicht fehlt den Journalisten aber auch einfach nur das Handwerkszeug und die Zeit zur Recherche. In der Berliner Zeitung ärgerte ich mich am 26.03.2015 gleich zweifach über die fehlende juristische Kompetenz der Artikelschreiber. Im ersten Artikel zu einem Berliner Fall schrieb der Journalist, dass der Täter zu einer Bewährungsstrafe von 3 Jahren verurteilt worden war. Meinen Mandanten sehe ich solche Auskünfte als Laien nach, wenn ich sie zu Vorstrafen befrage. Ein Journalist sollte aber wissen, dass man nur zu einer Bewährungsstrafe von maximal 2 Jahren verurteilt werden kann. Die Bewährungszeit kann dann regulär bis zu fünf Jahre betragen.

Im nächsten Artikel zu einem Brandenburger Fall wurde dann über den Suizid eines Autohändlers in der JVA Brandenburg berichtet, den wenige Stunden zuvor das Landgericht Potsdam zu 5 Jahren und 9 Monaten verurteilt hatte. Der Autor schrieb dazu, dass der Verurteilte noch in Berufung hätte gehen können. Auch Journalisten sollten wissen, dass Berufungen nur gegen Urteile des Amtsgerichts möglich sind. Gegen Urteile des Landgerichts ist nur die Revision möglich und eine solche Überprüfung auf Rechtsfehler hat statistisch erheblich geringere Erfolgsaussichten als eine Berufung, die faktisch eine zweite vollständige Tatsacheninstanz darstellt. Mit diesem Hintergrundwissen hätte der Journalist den Selbstmord vielleicht weniger unerklärlich gefunden.


Mittwoch 15. April 2015


Nach Dienstschluss im Kriminalgericht Moabit

Wegen einer Haftsache in einem Massenverfahren musste ich unlängst einen Nachmittag und Abend bis kurz vor 22.00 Uhr im Kriminalgericht verbringen.

Ab 14.00 Uhr wird der Rhythmus des Gerichts spürbar langsamer und ruhiger. Die Gänge leeren sich, es gibt keine Zuschauergruppen und nur noch einzelne Beteiligte vor den noch arbeitenden Gerichtsälen.

Nach 16.00 Uhr beenden auch die letzten Gerichte ihre Sitzungen und auch das Verwaltungspersonal von Landgericht Berlin, Amtsgericht Tiergarten und Staatsanwaltschaft Berlin verlassen das Gebäude. Gleichzeitig tauchen Reinigungskräfte auf und beginnen ihre Runde über die Gänge, mit einem besonderen Augenmerk auf Toiletten und Räume mit Publikumsverkehr. Auch die Haustechniker schwirren jetzt verstärkt durch das Gericht, während nach 18.00 Uhr nur noch auf dem Gang vor dem Sitzungsraum des einzig noch arbeitenden Ermittlungsrichters Anwälte auf die Vorführung ihrer Mandanten warten. In den Katakomben des Gerichtes arbeiten auch noch die Justizwachtmeister und führen Gefangene dem Ermittlungsrichter vor, entlassen danach die einen und bringen die anderen in die Justizvollzugsanstalt Moabit hinüber.

Ab 20.00 Uhr begann der Nachtwächter der WISAG seine Runden durch das Kriminalgericht.
Anwälte plauschen auf dem Gang über Privates und auch über anstehenden Vorführungen. Da werden Verteidigungsstrategien schon Monate vor der ersten Hauptverhandlung abgesprochen oder auch nur die Reihenfolge der Vorführungen. Der eine Kollege will noch in seine Kanzlei und später wiederkommen, während der andere eher jetzt noch wartet, um dann aber früher endgültig heimzukommen.

Strafverteidiger, Sexualstrafrecht, U-Haft, Rechtsanwalt Malte Höpfner

Kriminalgericht Berlin nach Dienstschluss, Copyright Malte Höpfner

Die letzte Grenze für den Ermittlungsrichter ist 24.00 Uhr. Bis dahin muss er alle Fälle bearbeitet haben, denn eine vorläufige Festnahme ist nur bis zum Ende des nächsten Tages möglich und alle wartenden Gefangenen waren schon am Vortag festgenommen worden.

Als wir uns bei einer Hauptverhandlung am nächsten Tag wieder trafen, berichteten mir die Justizwachtmeister, dass sie, der Richter und die Protokollantin erst um 00.40 Uhr das Gericht verlassen haben. Danach bleibt noch die Hauptpforte durch einen Justizwachtmeister besetzt, während einsam der Nachtwächter seine Runden durch die langen Gänge des Kriminalgerichts zieht, bis am nächsten Morgen sich das Gericht zuerst mit Verwaltungspersonal und ab circa 8.30 Uhr dann auch mit den ersten Prozessbeteiligten wieder füllt.


Sonntag 15. März 2015


Schmerzmedikamente und ihre Nebenwirkungen

Am 01.März 2015 besuchte ich die Sonntagsvorlesung des Unfallkrankenhaus Berlin, da einem als Strafverteidiger Schmerzmedikamente oft in den Verfahrensakten begegnen.

Dr. med. Steffen Schröder leitete seine allgemeinbildende Vorlesung mit der Vorstellung von zwei berühmten Produkten von Bayer ein. Das erste Beispiel war Aspirin, welches zum Zeitpunkt seiner Markteinführung wegen seiner Nebenwirkungen umstritten war. Das nur elf Tage später entwickelte Konkurrenzprodukt aus der gleichen Firma hingegen galt als Zaubermittel ohne Nebenwirkungen und wurde auch Kindern als Hustenstiller verabreicht. Das damals oral einzunehmende Mittel wurde als Schmerzmittel, Hustenstiller, als Mittel zur Bekämpfung von Bluthochdruck, Herzkrankheiten, Geisteskrankheiten und als Mittel zur Geburtseinleitung vermarktet. Schon 1924 wurde das Zaubermittel von Bayer in den USA verboten, aber erst 1958 in der Bundesrepublik und Bayer konzentrierte sich auf die Produktion von Aspirin. Das Medikament mit den überragenden Eigenschaften dürfte trotz Verbotes weltbekannt sein: Heroin.
Die Nebenwirkungen, wie schnelle und starke Abhängigkeit, Verstopfung und Atemdepression bis zum tödlichen Atemstillstand hatte man erst Jahre nach der Markteinführung erkannt. Neu war für mich, dass Junkies beim Goldenen Schuss an einem Atemstillstand sterben. In einem Krankenhaus ließe sich dieser gut mit einer künstlichen Beatmung behandeln, auf einer Bahnhofstoilette führt das Aussetzen der Atmung unweigerlich zum Tod.

Der Vortrag war allgemein interessant, wenn er Risiken und Nebenwirkungen von einzelnen Schmerzmitteln darstellte, aber auch die alternativen und ergänzenden Behandlungsmethoden einer professionellen Schmerztherapie.

Als Strafverteidiger richtete sich mein Interesse mehr auf Opiate wie Tilidin, welches heute nur noch auf Betäubungsmittelrezept erhältlich ist, nachdem es zuvor eine Lieblingsdroge von männlichen, arabischen Jugendlichen in Berlin war und gern als Schmerz- und Angstlöser vor Kämpfen und Straftaten eingesetzt wurde.

Befragt zum Einsatz von Cannabis in der Schmerztherapie berichtete Dr. Schröder, dass Cannabis seine Berechtigung in der Behandlung von Tumorschmerzen habe und auch als Appetitanreger bei Chemotherapien, aber bei chronischen Schmerzen bestenfalls gemischte Ergebnisse zeige. Patienten berichteten, dass die Schmerzen nicht weg waren, ihnen aber nun egal waren. Da aber auch vieles andere plötzlich egal war, verzichteten die meisten Patienten wegen der ausgelösten Antriebslosigkeit auf eine Weiterbehandlung mit Cannabis.

Neu war für mich, als der Arzt vor der Kombination von Schmerzmitteln warnte und noch erklärte, dass Schmerzmittel nicht beliebig austauschbar seien. Bei Kopfschmerzen wird man in der Hausapotheke mal eine Aspirintablette und mal eine Ibuprofen nehmen, was der Facharzt äußerst kritisch sah. Für einen Betäubungsmittelabhängigen auf der Straße gibt es die Möglichkeit des reinen Stoffes nicht, in der Regel sind alle Betäubungsmittel wild verschnitten und er wird nie genau wissen, was er gerade konsumiert.

Ein gelungener, interessanter Vortrag aus dem Vorlesungsprogramm des Unfallkrankenhauses.


Sonntag 1. März 2015


Polizisten und Strafverteidiger

Das Verhältnis zwischen Polizisten und Strafverteidigern kann man einfach nur als zwiespältig bezeichnen. Zwischen professionellem Respekt und offener Feindschaft ist dabei alles möglich. Interessant ist zu wissen, dass auch Polizisten Rechtsanwälte empfehlen. Wo sie Beschuldigten Verteidiger empfehlen, kann man in der Regel davon ausgehen, dass die Verteidiger schlecht sind und Polizei und Justiz das Leben nicht schwer machen werden.

Wenn Polizisten selbst Probleme mit der Justiz haben, werden solche Verteidiger von ihnen nicht ausgewählt. Dann gehen sie entweder zu Rechtsanwälten mit guten Kontakten zur Polizeiführung oder zu richtigen Strafverteidigern, die sie niemals einem normalen Beschuldigten empfehlen würden.

Die erste Gruppe bewegt sich im Dunstkreis von Polizeiführung, Disziplinarstelle, Politik und Justiz und bemüht sich einen schmutzigen Deal zu erreichen, der in der Regel am Rechtsstaat zweifeln lässt. Bei der zweiten Gruppe wird nach den Regeln der Kunst verteidigt. Für die echten Strafverteidiger stellt die Verteidigung von Polizisten in der Regel ein berufsgruppeninternes Problem dar. Viele Strafverteidiger lehnen aus ihren vielfältigen Erfahrungen mit Polizisten diese oft als Mandanten ab. Eine aus meiner Sicht nicht verständliche Unsitte, so wie Verteidiger auch Beschuldigte von Sexualstraftaten oder Beschuldigte bestimmter politischer Ausrichtung ablehnen.

Meine Ansicht war immer, dass jeder Beschuldigte die bestmögliche Verteidigung verdient hat, anders lässt sich auch der Rechtsstaat praktisch nicht garantieren. So empfinde ich es als befriedigend sowohl Polizisten, auch Beschuldigte von Widerstandshandlungen gleichermaßen erfolgreich zu verteidigen. Für einen Strafverteidiger erscheint mir das auch der einzige akzeptable Weg.


Sonntag 1. Februar 2015


Fachanwalt für Strafrecht

Die Rechtsanwaltskammer Berlin verlieh mir die Bezeichnung, „Fachanwalt für Strafrecht“. Mit der Fachanwaltsurkunde wurden meine besondere Erfahrung und das Sonderwissen im Strafrecht gewürdigt.

Die Voraussetzungen für die Erlangung der Fachanwaltsbezeichnung waren ein Fachanwaltslehrgang von mindestens 120 Stunden, den ich schon im Jahr 2007 absolviert hatte. Der Fachanwaltslehrgang am Deutschen Anwaltsinstitut deckte ein weites Spektrum ab. Nach bekannten Strafverteidigern, welche zur Verteidigung in Mordprozessen referierten, hielt der forensische Psychiater Professor Nedopil eine Vorlesung in seinem Spezialgebiet ab, bevor ein Rechtsanwalt zum Steuerstrafrecht vortrug und durch einen Staatsanwalt abgelöst wurde, der Betrugssysteme wie Umsatzsteuerkarusselle und CO²-Zertifikat-Schwindel erklärte. Auch Randgebiete wie das Umweltstrafrecht wurden beleuchtet und das Wissen in 3 jeweils fünfstündigen Klausuren überprüft. Nach dem Fachanwaltslehrgang war eine jährliche Fortbildung von zehn Stunden, ab 2015 von 15 Stunden Pflicht.

Neben dem theoretischen Wissen sind mindestens sechzig Fälle im Strafrecht und vierzig Hauptverhandlungstage vor dem Schöffengericht, Landgericht oder OLG nachzuweisen, die innerhalb von drei Jahren absolviert wurden. Mit meinem schon bestehenden Tätigkeitsschwerpunkt im Strafrecht konnte ich eine mehrfache Zahl an Fällen und auch eine erhebliche höhere Zahl an Hauptverhandlungstagen der Kammer vorweisen.

Mit der Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung ist man sicherlich kein besserer Strafverteidiger als am Tag zuvor, es ist eher ein Qualitätsnachweis für den Ratsuchenden.


Mittwoch 3. Dezember 2014


Kein Anschluss unter dieser Nummer

In Tageszeitungen kann man immer wieder von notorischen Problemen mit der Erreichbarkeit von Jobcentern lesen, aber auch die Justiz hat in diesem Bereich Verbesserungsbedarf. Die Ursachen sind vielfältig, so war der Faxempfang im Amtsgericht Königs Wusterhausen am 19.-20.November 2014 gestört, wie mir der Direktor auf eine Beschwerde hin mitteilte.

Am Kriminalgericht Moabit konnte man gleich in drei Nächten keine Faxe empfangen, nachdem nach einer Trafo-Reparatur für eine halbe Stunde der Strom abgeschaltet gewesen war und danach die Firewall das Telefonsystem komplett blockierte. Da kann man die Kollegen bedauern, die in diesen 3 Nächten versucht haben, fristgebundene Schriftsätze per Fax zu versenden. Für mich war die Verzögerung nur ärgerlich, zumal man von solchen Ausfällen nur durch Zufall erfährt.

Aber auch das Einwerfen von Briefen in die Gerichtsbriefkästen bringt nicht immer den gewünschten Erfolg. Ein Brief von mir verschwand auf Nimmerwiedersehen und nur weil ich innerhalb einer Antragsfrist mehrfach bei der Infostelle nachfragte, kam es zu keinen Problemen für den Mandanten. Beängstigend war die Erzählung eines Kollegen, der Schriftsätze von mir in der Justizakte seines Verfahrens fand, auch wenn man dort schon vermerkt hatte, dass die Schreiben falsch abgeheftet waren.

Ein kurz vor der Pensionierung stehender Richter am Landgericht Berlin hatte einmal von mir eingereichte Beweisfotos in der falschen Akte abgeheftet und konnte sie dann in der Hauptverhandlung plötzlich nicht mehr finden. Da war es gut, dass ich Kopien der Fotos dabei hatte. Später fand er die Fotos in einer anderen Akte wieder, wo er sie aus Versehen eingeordnet hatte. Aufgrund dieser Fotos wurde ein rechtsmedizinisches Gutachten durchgeführt, welches dann zum Freispruch führte.

Kollegen berichten immer wieder, dass Briefe aus dem Nachtbriefkasten des AG Mitte in der Littenstraße verloren gehen, da sollte man dann auch immer noch parallel ein Fax senden, wenn die Leitungen nicht gestört sind.

Konsequenzen zieht die Justiz aus solchen Fehler sehr ungern, so hielt es Richter K. einer strafrechtlichen Verkehrsabteilung für ein nicht zu kritisierendes Behördenverhalten, dass man mir über 4 Monate wichtige Aktenbestandteile bei 2 Anträgen auf Akteneinsicht vorenthalten hatte.

In diesem Punkt ähnelt die Justiz dann wieder den Jobcentern, wo man nach Berichten meiner im Sozialrecht tätigen Kollegen auch Eingangsbestätigungen für überreichte Anträge verweigert.


Freitag 7. November 2014


Rockerprozess in Moabit behindert Verteidigung in anderen Verfahren

Wieder einmal war der Zugang zum inhaftierten Mandanten vor und nach einer Verhandlung Thema für mich geworden. Am 07.11.2014 fand im Kriminalgericht Moabit vor einer Strafkammer des Landgerichts ein Prozess gegen Rocker der Hells Angels unter erhöhten Sicherheitsbedingungen statt. Aus Angst vor Gefangenenbefreiungen, wegen einem im Zeugenschutzprogramm befindlichen Angeklagten und Trennungsanweisungen für andere Angeklagte sperrte man den Vorführzellenbereich an den Tagen dieses Prozesses für Verteidiger.

Ich bespreche mich vor und nach einer Verhandlung mit den inhaftierten Mandanten im Vorführzellenbereich, so wie ich umfangreiche Vor- und Nachbesprechungen mit den nicht inhaftierten Mandanten vor dem Saal durchführe. Nach den früheren großen Besprechungen in der Kanzlei oder in der Haftanstalt kann man so noch schnell aktuelle Probleme besprechen und wirkt auch noch beruhigend auf Mandanten.

Nachdem ich schon vor kurzem ein ähnliches Problem mit dem Zugang zu einem polizeilich vorgeführten Angeklagten erfolgreich mit dem Präsidium des Amtsgericht Tiergarten durchgekämpft hatte, wendete ich mich diesmal gleich an den Sicherheitschef des Kriminalgerichts und klärte mit ihm, dass ich mein verfassungsrechtlich hergeleitetes Recht als Verteidiger auf Zugang zum Mandanten wahrnehmen konnte. Nach einem Anruf bei den Justizwachtmeistern durch den Sicherheitschef konnte ich nun doch runter in die Katakomben des Kriminalgerichts Berlin. Wie mir die Justizwachtmeister später erzählten, sei ich der einzige Verteidiger an diesem Tag gewesen, der Zugang zum Vorführbereich erhalten hat.

Der Rockerprozess hatte mit seinen Sicherheitsverfügungen auf getrennte Unterbringung der mehreren Angeklagten auch noch dazu geführt, dass der schon durch Baumaßnahmen beeinträchtigte Vorführzellenbereich, nun endgültig überlastet war und man meinen Mandanten mit anderen Gefangenen gemeinsam untergebracht hatte. Auch hier konnte ich erfolgreich auf eine einzelne Unterbringung des gesundheitlich beeinträchtigten Mandanten hinwirken.

Auch wenn ich im Gegensatz zu anderen Verteidigerkollegen im konkreten Fall erfolgreich war, bemühe ich mich aber auch um eine generelle Lösung des Problems, den Zugang von Verteidigern zu ihren Mandanten sicher zu stellen. Um dies zu erreichen, habe ich die Vereinigung Berliner Strafverteidiger gebeten sich um eine generelle Klärung des Problems zu bemühen.

Der Erfolg im konkreten Fall zeigt aber zumindest, dass man sich nicht von den Anfangswiderständen der Justiz abhalten lassen sollte, sondern mit Engagement den Erfolg schon erkämpfen muss.


Mittwoch 15. Oktober 2014


Telekommunikationsüberwachung – Im Fegefeuer der Langeweile

Zwei kleine Lautsprecher wurden vor einem Mikrofon des Saals A 700 aufgestellt und übertrugen den Ton vom Notebook des Vorsitzenden Richters auf die Lautsprecheranlage des Saals. Rückkopplungen waren dadurch garantiert, aber die daraus resultierenden Kopfschmerzen hielten zumindest jeden Anwesenden wach. Wenn man sich über Stunden die Aufzeichnungen einer Telekommunikationsüberwachung anhört, versteht man warum man sich vor einer flächendeckenden Überwachung nicht zu fürchten braucht. Die Aufzeichnung von Telekommunikation ist in den heutigen Zeiten einfach geworden, aber es benötigt immer noch Personal, welches sich die Aufzeichnungen anhört, eventuell auch noch übersetzt und auswertet. Von den beteiligten Polizisten weiß man, dass sich dieser Job nicht über 8 Stunden durchhalten lässt.
Die interessanten Informationen stellen dann auch nur einen Bruchteil der Gesamtlänge dar. In der Regel handelt es sich um eine Masse von Belanglosigkeiten und Alltagsgerede. Man taucht nicht ein in eine fremde Welt, sondern wendet sich recht schnell gelangweilt ab und muss sich dazu zwingen weiter zuzuhören, um nicht doch das einzelne wichtige Informationsfragment zu verpassen. Als Verteidiger hat man schon die schriftlichen Protokolle der TKÜ gelesen und sucht im besten Fall nach bedeutsamen Übertragungsfehlern der Polizei. Wenn die vorgespielten Aufzeichnungen dann nicht einmal den eigenen Mandanten, sondern einen Mitangeklagten betreffen, kann man beobachten, wie die Kollegen vom Schlaf übermannt werden. Da ist es dann schon interessanter die Richterbank zu beobachten, um festzustellen, ob vielleicht ein Schöffe dabei ist gerade einzuschlafen.


Mittwoch 1. Oktober 2014


Flucht oder „Am Ende gewinnt immer die Justiz“

Der britische Postzugräuber Ronald Biggs war 35 Jahre auf der Flucht gewesen, bevor er freiwillig in sein Heimatland zurückkehrte. Diese Fluchtdauer ist in der jüngeren Justizgeschichte in der westlichen Welt und für eine Person ohne Verbindung zum organisierten Verbrechen ohne Frage selten.
Dem Flüchtigen in Deutschland fehlt es an der Regel an Unterstützern, Geld, einer Perspektive oder auch nur einem Plan. In der Regel werden Gerichtstermine versäumt, weil man den Kopf in den Sand steckt, keine Kalender führt oder verschläft. Oft ist es auch eine Kurzschlussreaktion sich der Justiz zu entziehen.
Bei Jugendlichen ordnet der Jugendrichter meist zuerst nur eine polizeiliche Vorführung an. Dabei holt dann die Polizei am frühen Morgen vor dem Termin oder auch am Abend zuvor den Säumigen aus seiner Wohnung ab. Nach einigen Stunden im Polizeigewahrsam erfolgt dann die Vorführung zum Gericht. Nur wenn dies nicht funktioniert, wird wie bei Erwachsenen der rote Zettel ausgefüllt, der Haftbefehl. Beim Versäumen eines Termins halte ich es immer noch für das Mittel der Wahl sich mit dem Anwalt beim zuständigen Richter selbst zu stellen. Meist gelingt es dem Verteidiger dann noch zumindest den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug setzen zu lassen.
Bei jungen Mandanten war ich immer überrascht, wie schnell doch die Flucht endete. Es waren Routinekontrollen auf der Straße oder Razzien zum Jugendschutz in Diskotheken, wo Personalien überprüft wurden und dann die Handschellen klickten. Mal 3-4 Tage und maximal 2 Wochen dauerten hier die Fluchten.
Ein Fall war besonders juristisch interessant. Nach einer niedrigen Freiheitsstrafe hatte der Verurteilte die Bewährungsauflagen gebrochen und war nach der Ladung zum Haftantritt abgetaucht. Bei der niedrigen Strafe wäre die Vollstreckung nach 5 Jahren verjährt gewesen, aber nach 4 Jahren und 7 Monaten klickten die Handschellen.
Bei längerer Fluchtdauer und schwereren Straftaten wird in der Regel auch die Zielfahndung in Bewegung gesetzt. Dies sind dann auf die Verfolgung von Flüchtigen spezialisierte Polizisten. Hier werden Kontakte des Flüchtigen ergründet, Familienmitglieder befragt oder auch überwacht und Bewegungsprofile erstellt. Letztendlich ist die Zielfahndung fast immer erfolgreich.
Die Flucht ins Ausland ist nur selten eine Lösung, da kaum ein Staat Gewaltverbrecher gerne aufnimmt. Da braucht es dann für eine schnelle Abschiebung ins Heimatland keinen Auslieferungsvertrag. Bei Steuervergehen und Wirtschaftsstraftaten sind die Fluchtchancen schon erheblich besser. Innerhalb der Europäischen Union gibt es noch den Europäischen Haftbefehl, während sich ein Flüchtiger vor einer Flucht in andere Länder fragen sollte, ob er sich dies wirklich antun will. Korrupte Polizisten gibt es außerhalb der EU doch erheblich häufiger und ein Flüchtiger mit Geld ist ein gutes Ziel für einen Nebenerwerb. Er wird solange gemolken, bis sein Geld erschöpft ist und dann im besten Fall für den Flüchtigen doch abgeschoben. Für einen Flüchtigen ist aber auch die Gefahr größer, dass man ihn gleich ganz verschwinden lässt, da das Risiko dafür erheblich geringer als bei anderen Personen ist.
Ich würde deutsche Gefängnisse keinesfalls als Luxusknäste bezeichnen, aber das Schlechte zeichnet sich dadurch aus, dass es auch immer schlimmer geht. In diesem Sinne kann man konstatieren, dass die meisten Gefängnisse im Ausland erheblich schlechter sind und dazu kommt dann noch das Problem, das der deutsche Gefangene meist die dortige Sprache nicht spricht. Da kommt dann schon Freude auf, wenn eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft alle paar Wochen zu Besuch kommt. In Auslieferungshaft befindlich, schalten viele Flüchtige dann schnell um und wollen nun eine Beschleunigung ihrer Auslieferung, um den ausländischen Gefängnissen zu entkommen.
Ein Flüchtiger wird sich bis zur Verjährung oder bis zu seinem Lebensende immer wieder umsehen müssen – das ist der Preis, der auch bei einer erfolgreichen Flucht zu zahlen ist.


Montag 15. September 2014


Kostümball im Kriminalgericht

Am 05.09.2014 war ich überrascht, als vor dem Verhandlungssaal drei eigenartig aussehende Gestalten saßen. Bei strafgerichtlichen Verhandlungen sieht man oft absonderliche Personen, aber diese drei übertrafen alles bisher Erlebte. Die Perücken waren so offensichtlich wie der falsche Kinnbart eines der Männer. Besser war dann schon der aufgesprühte Dreitagebart bei dem neben ihn Sitzenden. Ich sah sie mir genauer an und stellte fest, dass graue Sprühfarbe einen der Männer älter machen sollte, während bei einem der anderen erhebliche Mengen von Lidschatten verwendet worden waren. In diesem Großverfahren verteidigten wir zu zweit und meine Kollegin machte mich noch darauf aufmerksam, dass man bei einem der Männer auch die oberen Augenlider hochgeklebt hatte, eine sicher schmerzhafte Prozedur.

Es war keine Mitglieder eines Karnevalsvereins, sondern Beamte des Sondereinsatzkommandos (SEK), die in unserem Verfahren aussagen mussten. Um ihre Identität geheim zu halten, war die Maskerade erfolgt. Einfacher wäre es natürlich gewesen Sturmhauben aufzusetzen. Die Maskerade ermöglichte es aber die Gesichtszüge zu beobachten, ein wichtiges Mittel für jeden, der die Glaubhaftigkeit einer Aussage einschätzen will.

Nach den SEK-Beamten kamen Observationsbeamte des Mobilen Einsatzkommandos (MEK), die ebenfalls verkleidet waren und hier war einer grotesker als der andere anzusehen. Die Kleidung stammte vermutlich aus der Kleiderkammer einer Obdachloseneinrichtung und schlotterte an den Körpern. Einer der MEK-Beamten trug unter seinem T-Shirt noch künstliche aufgepolsterte Muskelpakete, die auch seine Statur unkenntlich machten. Während die SEK-Beamten Perücken mit Zöpfchen verwendet hatten, erhielten die MEK-Beamten gelockte Perücken, die den Eindruck erweckten, dass man sie einem bekannten Comedydarsteller weggenommen hätte.

Die Vorbereitungen der Kostümierungen fanden in einem Nachbarraum des Verhandlungssaals statt und wurden von einem Dienstvorgesetzten der Polizisten überwacht, der auch immer noch eine letzte Prüfung vor dem Verhandlungssaal vornahm. Bei einem Gespräch auf dem Flur konnte man noch erfahren, dass ein professioneller Maskenbildner im Hintergrund wirkte. Im Ergebnis war sicher keiner der Zeugen nach Verlassen des Gerichtes an seinem Aussehen zu identifizieren, nur die Stimmen blieben unverändert.

Für die anwesenden Referendare der anderen Verteidiger war dieser Hauptverhandlungstag fraglos eine große Show, während sonst weder Zuschauer noch Pressevertreter den Weg zu A 700, den prominentesten Saal des Kriminalgerichts Berlin, gefunden hatten.


Freitag 15. August 2014


Strafverteidigung und Presse

Der Umgang mit der Presse ist für jeden Strafverteidiger ein gefährliches Spielfeld, neben dem eigentlichen Strafprozess. Früher galt für die meisten Strafverteidiger, dass Schweigen gegenüber der Presse der Goldstandard sei. Anders handelten meist nur Verteidiger in politischen Verfahren und einige geltungsbedürftige Rechtsanwälte. Heute ist der Goldstandard leider nicht mehr so eindeutig, seit Staatsanwaltschaften das Gebot der Neutralität verlassen haben und von sich aus die Presse mit Informationen und Wertungen anfüttern und versuchen so das Gericht schon vor der Hauptverhandlung unter Druck zu setzen. In diesen Fällen können eigene wohlüberlegte Stellungnahmen der Verteidigung doch sinnvoll sein. Manchmal ist es auch die Stellungnahme, vor der Hauptverhandlung nichts zu sagen und der Presse freundlich Begriffe wie Unschuldsvermutung und Rechtsstaatlichkeit zu erklären.

In größeren Verfahren von finanziell liquiden Beschuldigten erlebt man heute immer öfter, dass neben zwei Verteidigern nun auch ein spezialisierter Presserechtler dem Verteidigerteam angehört und die dritte Position besetzt. Dies ist sicherlich ein idealer Weg, nur vermutlich für die wenigsten Beschuldigten finanzierbar.

In normalen Verfahren mit Pressefotografen reicht es in Berlin schon dem eigenen Mandanten eine Zeitung oder einen Aktenordner zu reichen, um das Gesicht zu verdecken. In Berlin gibt es hierbei meist wenige Probleme, da es für Pressefotografen strenge und eindeutige Anweisungen des Gerichtspräsidiums gibt. Die Generalanweisung scheint nach mehreren Verfassungsbeschwerden von beiden Seiten und anschließenden Anpassungen nun wohl die Idealform gefunden zu haben. Geregelt wird das Fotografieren im Gebäude, auf den Gängen und in der kurzen Phase zwischen Aufruf und Verhandlungsbeginn im Gerichtssaal.

Da die Gerichtspräsidien in anderen Bundesländern auf solche Generalanweisungen unverständlicherweise verzichtet haben, kann man immer noch von Verfahren wegen Nötigung und Körperverletzungen unter Beteiligung von Pressefotografen lesen. So wie in der ungeregelten Frühzeit in Berlin ein Journalist von einem älteren Beschuldigten mit dem Stock verprügelt wurde, war auch in Hamburg noch kürzlich zu klären, ob Notwehr gegen einen aufdringlichen Pressefotografen vorlag. Während in Hamburg die letztendliche Klärung aussteht, wurde in Berlin damals der stockschwingende Rentner freigesprochen.

Insgesamt halte ich Distanz zur Presse für sinnvoll, auch wenn mancher Rechtsanwalt die Presse schon sehr gut für die eigene Werbung zu nutzen weiß. Nur sehe ich aber auch Fälle, wo man nicht mehr erkennt, in wessen Interesse Verteidiger eigentlich ihre Stellungnahmen gegenüber der Presse abgeben. Auch die schreibende Zunft setzt gezielt auf Hintergrundinformationen von Verteidigern, das konnte ich neulich auf einer Tagung in Berlin sehen, als die Gerichtsreporterin des Spiegel den engen Kontakt zu Strafverteidigern suchte und ihren Sitzplatz zwischen den Verteidigern über die gesamte Tagung auch beibehielt. In der Masse der Verfahren werden Informationen aber meist von Polizei, Nebenklägervertretern und der Staatsanwaltschaft zur Presse durchgesteckt. In diesem Wettlauf des Geheimnisverrates sind die Verteidiger ehrenvoll auf der letzten Position geblieben.

Einmal in den letzten Jahren machte ich von meinen Prinzipien gegenüber der Presse eine Ausnahme, als mich ein Mandant bat mit einer ihm bekannten Gerichtsreporterin zu sprechen. Da er auch nach meiner ablehnenden Beratung an seinem Wunsch festhielt, sprach ich doch noch mit der Gerichtsreporterin einer Berliner Tageszeitung. Immerhin galt dann hier das Prinzip, dass man den Mandanten bestmöglich berät, aber er letztendlich die Entscheidungen im Verfahren selbst treffen muss.


Freitag 1. August 2014


Grund für eine Falschanzeige im Sexualstrafrecht Nr.8

Der achte Grund für eine Falschanzeige im Sexualstrafrecht ist die Übertreibung. Hierbei wurde die Geschädigte in der Regel wirklich Opfer einer Sexualstraftat. Da das Opfer aber meint, mit einer kleinen Anzeige nicht ausreichend ernstgenommen zu werden, übertreibt es den Grund seiner Anzeige. So wird dann nicht der Grundtatbestand einer Straftat angezeigt, sondern eine Qualifikation mit einer erhöhten Straferwartung.

Die Übertreibung kann für Beschuldigten wie auch Geschädigten ein zweischneidiges Schwert sein. Wenn die Geschädigte so übertreibt, dass es auch der Staatsanwalt bemerkt, wird man ihr auch den wahren Kern der Geschichte nicht mehr abkaufen.

Für den Beschuldigten stellt die Übertreibung ebenfalls ein Problem dar, wenn er sich zu einer Tat bekennt und die Qualifikation leugnet. Hier sind Staatsanwaltschaft und Gericht in einer großen Versuchung ihre Aufklärungspflicht auf die leichte Schulter zu nehmen und von der gestandenen Tat ohne weiteres auch auf das Vorliegen der Qualifikation zu schließen, „Warum sollte die Geschädigte auch in einem Punkt die Wahrheit sagen und in einem anderen Punkt lügen.“ Hier heißt es dann, gegenzuhalten und bei Gericht auf eine kritische Aufklärung zu dringen.


Dienstag 15. Juli 2014


Geldwäsche, § 261 StGB

(1) Wer einen Gegenstand, der aus einer in Satz 2 genannten rechtswidrigen Tat herrührt, verbirgt, dessen Herkunft verschleiert oder die Ermittlung der Herkunft, das Auffinden, den Verfall, die Einziehung oder die Sicherstellung eines solchen Gegenstandes vereitelt oder gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Rechtswidrige Taten im Sinne des Satzes 1 sind

1. Verbrechen,

2. Vergehen nach a) § 332 Abs. 1, auch in Verbindung mit Abs. 3, und § 334, b) § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Betäubungsmittelgesetzes und § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Grundstoffüberwachungsgesetzes,

3. Vergehen nach § 373 und nach § 374 Abs. 2 der Abgabenordnung, jeweils auch in Verbindung mit § 12 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen,

4. Vergehen a) nach den §§ 152a, 181a, 232 Abs. 1 und 2, § 233 Abs. 1 und 2, §§ 233a, 242, 246, 253, 259, 263 bis 264, 266, 267, 269, 271, 284, 326 Abs. 1, 2 und 4, § 328 Abs. 1, 2 und 4 sowie § 348, b) nach § 96 des Aufenthaltsgesetzes, § 84 des Asylverfahrensgesetzes, nach § 370 der Abgabenordnung, nach § 38 Absatz 1 bis 3 und 5 des Wertpapierhandelsgesetzes sowie nach den §§ 143, 143a und 144 des Markengesetzes, den §§ 106 bis 108b des Urheberrechtsgesetzes, § 25 des Gebrauchsmustergesetzes, den §§ 51 und 65 des Designgesetzes, § 142 des Patentgesetzes, § 10 des Halbleiterschutzgesetzes und § 39 des Sortenschutzgesetzes, die gewerbsmäßig oder von einem Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, begangen worden sind, und

5. Vergehen nach § 89a und nach den §§ 129 und 129a Abs. 3 und 5, jeweils auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, sowie von einem Mitglied einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung (§§ 129, 129a, jeweils auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1) begangene Vergehen.

Satz 1 gilt in den Fällen der gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung nach § 370 der Abgabenordnung für die durch die Steuerhinterziehung ersparten Aufwendungen und unrechtmäßig erlangten Steuererstattungen und -vergütungen sowie in den Fällen des Satzes 2 Nr. 3 auch für einen Gegenstand, hinsichtlich dessen Abgaben hinterzogen worden sind.

(2) Ebenso wird bestraft, wer einen in Absatz 1 bezeichneten Gegenstand 1. sich oder einem Dritten verschafft oder 2. verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er die Herkunft des Gegenstandes zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Geldwäsche verbunden hat.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, daß der Gegenstand aus einer in Absatz 1 genannten rechtswidrigen Tat herrührt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Die Tat ist nicht nach Absatz 2 strafbar, wenn zuvor ein Dritter den Gegenstand erlangt hat, ohne hierdurch eine Straftat zu begehen.

(7) Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden. § 73d ist anzuwenden, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Geldwäsche verbunden hat.

(8) Den in den Absätzen 1, 2 und 5 bezeichneten Gegenständen stehen solche gleich, die aus einer im Ausland begangenen Tat der in Absatz 1 bezeichneten Art herrühren, wenn die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist.

(9) Nach den Absätzen 1 bis 5 wird nicht bestraft, wer 1. die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlaßt, wenn nicht die Tat in diesem Zeitpunkt ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wußte oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen mußte, und 2. in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 unter den in Nummer 1 genannten Voraussetzungen die Sicherstellung des Gegenstandes bewirkt, auf den sich die Straftat bezieht. Nach den Absätzen 1 bis 5 wird außerdem nicht bestraft, wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist.

(10) (weggefallen)

Fußnote § 261 Abs. 2 Nr. 1: Nach Maßgabe der Entscheidungsformel mit GG (100-1) vereinbar gem. BVerfGE v. 30.3.2004 I 715 (2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01)

 Geldwäsche in der nichtstrafbaren Form

Geldwäsche in der nichtstrafbaren Form

 

„Warnung vor leichtfertiger Geldwäsche“

In der anwaltlichen Praxis sehe ich diesen Paragraphen meist in der Variante der leichtfertigen Geldwäsche.

An Laternen oder U-Bahneingängen kleben in Berlin oft Zettel, wie „Nebenjob mit gutem Gewinn, Arbeit von zu Hause, Arbeit in Buchhaltung, nur wenige Stunden am Tag“. Diese Botschaften finden sich aber auch in Spam-Mails und in Jobbörsen. Die Jobbörsen löschen diese Anzeigen, kommen aber zwangsläufig immer zu spät. Letztendlich wird den Interessierten dann per Telefon oder E-Mail erklärt, dass sie für eine ausländische Firma, Person tätig sein sollen, die in Deutschland wegen der Bürokratie kein Konto erhält. Sie sollen Gelder von Geschäftspartnern oder ähnlichem auf ihrem Konto entgegennehmen und dann per Geldtransferservice wie Western Union oder Money Gram zum eigentlichen Empfänger weiterleiten. Als Entlohnung sollen sie zwischen 10-30 Prozent der Summen behalten können.

Spätestens nach einigen Tagen stellt sich aber meist heraus, dass die Gelder aus Straftaten stammen, wie E-Bay-Betrug oder oft auch Computerbetrug nach Phishing. Es dauert meist einige Tage, bis die Opfer die ursprüngliche Straftat bemerken und sich an die Strafverfolgungsbehörden wenden. Die Ermittlungen der Justiz enden faktisch immer nur am Konto des Finanzagenten, der für alle Schäden schadensersatzpflichtig ist und auch noch strafrechtlich wegen Geldwäsche verfolgt wird. Durch die Überweisung über Firmen wie Western Union ist eine Verfolgung der Hintermänner regelmäßig unmöglich gemacht.

Vielleicht sollte man noch anmerken, dass nach Deutschem Kreditwesengesetz (KWG)Konten nur von Banken anderen Personen zur Verfügung gestellt werden dürfen.

Strafen bei leichtfertiger Geldwäsche, § 261 Abs. 5 StGB

Wer leichtfertig nicht erkennt, dass das Geld aus einer strafbaren Vortat stammt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Je nach Fallkonstellation erlebt man hier als Verteidiger alles. In einem Fall, wo der Mandant über ein „Soziales Netzwerk“ angesprochen wurde und nur aus Hilfsbereitschaft sein Konto zur Verfügung stellt, konnte ich eine Einstellung gegen Geldauflage erreichen, nachdem der Mandant schon allen Geschädigten das Geld zurückerstattet hatte. Bei einem anderen Mandanten, der auf die Jobmasche hereinfiel und dies interessanterweise in kurzer Zeit 2x hintereinander ließ sich noch eine Geldstrafe per Strafbefehl aushandeln. Keine Leichtfertigkeit nahm das Gericht mehr bei einem Mandanten an, der über 50.000,00 € bei über 20 Bankbesuchen innerhalb eines Tages abholte und an einen unbekannt gebliebenen Dritten in bar übergab. Hier wurde dann entsprechend des regulären Strafrahmens bestraft.

Wo sind die Hintermänner?

Zumeist in Russland, Rumänien, Polen und den Philippinen, das sind zumindest meine Erfahrungen aus der Praxis.

Wie funktioniert Geldwäsche professionell?

In Deutschland am besten mit Unterstützung des Finanzamtes. Unternehmen, zum Beispiel Restaurants werden gekauft und die künstlich durch Einleitung von Schwarzgeld aufgeblähten Gewinne dann ordnungsgemäß versteuert. Interessanterweise haben Finanzämter Computerprogramme, um rastermäßig zu prüfen, ob ein Unternehmen verdächtig zu wenig Gewinn macht. Mit dem gleichen Programm ließen sich auch den in Deutschland tätigen Geldwäschern der internationalen organisierten Kriminalität schwerer Schaden zufügen, nur scheint dies nicht gewollt.


Dienstag 1. Juli 2014


Begriffserklärungen Juristendeutsch – Deutsch

Amtsanwalt: Amtsanwälte bearbeiten meist Delikte der Kleinkriminalität und Verkehrsstraftaten und treten beim Amtsgericht als Anklagevertreter auf. Sie entlasten dadurch Staatsanwälte und sind als Beamte des gehobenen Dienstes auch für den Staat billiger als Volljuristen im höheren Dienst.

Amtsgericht: Nach § 24 Abs. 1 Nr. GVG ist das Amtsgericht grundsätzlich für Straftaten zuständig, in denen keine Freiheitsstrafe über 4 Jahre zu erwarten ist und auch keine Unterbringung oder Sicherungsverwahrung im Raum steht.

Amtsrichter: Der Amtsrichter als Einzelrichter ist nach § 25 GVG zuständig, wenn keine Strafe über 2 Jahre zu erwarten ist.

Schöffengericht:  Wenn eine Freiheitsstrafe zwischen 2 und 4 Jahren erwartet wird, ist das Schöffengericht zuständig. Das Schöffengericht besteht aus dem Amtsrichter und zwei Schöffen.

Erweitertes Schöffengericht:  In umfangreichen Verfahren mit vielen Zeugen, etc. kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein weiterer Berufsrichter hinzugezogen werden. Während in den meisten Amtsgerichten erweiterte Schöffengerichte von Fall zu Fall gebildet werden, gibt es als große Ausnahme am Amtsgericht Tiergarten erweiterte Schöffengerichte auch als ständige Abteilungen.

Antragsdelikte: Während im Strafrecht im Prinzip die Verfolgung von Amts wegen gilt, setzen einige Straftaten einen Strafantrag des Berechtigten voraus. Ein typisches Beispiel für ein Antragsdelikt ist die Beleidigung.

Auskunftsverweigerungsrecht:  Recht des Zeugen nach § 55 StPO auf Fragen, deren Antwort ihn belasten oder einer Strafverfolgung aussetzen würden, nicht zu antworten.

Aussageverweigerungsrecht: Der Beschuldigte hat das Recht keine Aussage zu dem ihm zur Last gelegten Sachverhalt zu machen.

Beratungshilfe: Im Strafrecht ist über die Beratungshilfe nur eine Beratung möglich. Der Beratungshilfeschein wird vom Ratsuchenden beim lokal zuständigen Amtsgericht beantragt. Mit dem Beratungshilfeschein und 15,00 € Selbstbeteiligung kann dann ein Rechtsanwalt aufgesucht werden.

Berufung: Im Strafrecht gibt es eine Berufung nur gegen Urteile des Amtsgerichts. Die Berufung ermöglicht eine vollumfängliche Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils.

Annahmeberufung: Bei Verurteilungen von bis zu 15 Ts ist die Berufung nur zulässig, wenn sie vom Berufungsgericht angenommen wird.

Beweismittel: im Strafrecht gibt es fünf Beweismittel SAUEZ = Sachverständige, Augenschein, Urkunden, Einlassung des Beschuldigten und Zeugen

Bußgeldverfahren:  Im Bußgeldverfahren werden keine Straftaten, sondern Ordnungswidrigkeiten geahndet. Ordnungswidrigkeiten werden durch einen Bußgeldbescheid der zuständigen Verwaltungsbehörde geahndet. Auf einen Einspruch wird der Vorgang an das Amtsgericht zur Entscheidung weitergeleitet.

Ermittlungsverfahren: Das Ermittlungsverfahren wird auch als Vorverfahren bezeichnet und steht als solches am Anfang eines Strafverfahrens, §§ 160 ff. StPO. Am Ende des Ermittlungsverfahrens entscheidet die Staatsanwaltschaft ob das Verfahren eingestellt oder Anklage erhoben wird. Herrin des Ermittlungsverfahrens ist die Staatsanwaltschaft.

Ersatzfreiheitsstrafe: Die Ersatzfreiheitsstrafe wird vollzogen, wenn die Geldstrafe nicht bezahlt oder ersatzweise auch nicht durch Arbeit abgeleistet wird. Um es nicht zu einer Ersatzfreiheitsstrafe kommen zu lassen, empfiehlt sich frühzeitige Kontaktaufnahme zur Vollstreckungsbehörde, um Ratenzahlung oder freie Arbeit zu vereinbaren.

Gnadenantrag: Kein Rechtsmittel, sondern ein Antrag eigener Art. Das Gnadenverfahren folgt eigenen, teils geheimen Regeln, so werden Entscheidungen in der Regel auch nicht begründet.

Hauptverfahren: Das Hauptverfahren beginnt mit Zulassung der Anklage und endet mit Urteil oder Einstellung des Verfahrens. Es wird oft als wichtiger Teil des Strafverfahrens bezeichnet, womit nach meiner Ansicht aber auch die Bedeutung des Ermittlungsverfahrens verkannt wird.

Kapitalverbrechen: Kapitalverbrechen ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für schwerste Straftaten wie Mord und schwerer Raub, die früher mit auch mit der Enthauptung bestraft wurden. Wobei eine Herleitung vom lateinischen Wort capitalis, das Haupt betreffend, erfolgt.

Landgericht:  Das Landgericht ist in Strafsachen zuständig, wenn Sicherungsverwahrung oder eine Unterbringung in Betracht kommt oder eine Strafe von über 4 Jahren für möglich gehalten wird. Auch in Berufungen ist das Landgericht zuständig.

Kammergericht, bzw. Oberlandesgericht: Das Oberlandesgericht ist in Strafsachen für Revisionen amtsgerichtlicher Urteile zuständig und erstinstanzlich in so genannten Staatsschutzsachen. In Berlin wird das Oberlandesgericht aus historischen Gründen Kammergericht bezeichnet, da es ursprünglich in den Räumen (Kammern) der brandenburgischen Kurfürsten tagte.

Ordnungswidrigkeiten: Ordnungswidrigkeiten sind geringfügige Verletzungen der Rechtsregeln, anders als Straftaten. Das Ordnungswidrigkeitenrecht ist eine Mischform zwischen Verwaltungsrecht und Strafrecht. Ordnungswidrigkeiten sollten nicht unterschätzt werden, da in einigen Bereichen Bußgelder sehr hoch sein können, höher als im Strafrecht manche Geldstrafe. Auch Nebenfolgen können schwere Folgen haben.

Pflichtverteidiger: Vom Gericht in Fällen notwendiger Verteidigung dem Beschuldigten beigeordnete Rechtsanwälte, wenn diese keine Wahlverteidiger haben. Pflichtverteidiger sind Rechtsanwälte und im Prinzip nicht schlechter als Wahlverteidiger. Dem Beschuldigten ist nur anzuraten, selbst dem Gericht einen Pflichtverteidiger vorzuschlagen, da Gerichte sonst bei der Auswahl nicht immer die Interessen des Beschuldigten im Blick haben. In besonders aufwendigen Ermittlungsverfahren kann die Pflichtverteidigervergütung so unangemessen niedrig sein, dass der Beschuldigte hier mit einem aus eigener Tasche bezahlten Wahlverteidiger besser fährt.

Rechtskraft: Rechtskraft tritt ein, wenn gegen eine Entscheidung kein Rechtsmittel mehr gegeben ist. Ein Gnadenantrag stellt aber gerade kein Rechtsmittel dar, sondern ist ein Antrag eigener Art.

Rechtsmittel:  Mit Rechtsmitteln werden staatliche Entscheidungen angefochten. Rechtsmittel sind zum Beispiel Berufung, Revision, Beschwerde, sofortige Beschwerde, etc.

Revision: Rechtsmittel gegen Urteile, bei dem nur auf Rechtsfehler geprüft wird. Geprüft werden materiell rechtliche Richtigkeit und das verfahrensrechtlich ordnungsgemäße Zustandekommen des Urteils. Anders als bei einer Berufung werden keine Tatsachen erneut geprüft.

Schöffen: Schöffen sind ehrenamtliche Richter, die beim Amtsgericht bei Schöffengerichten und erweiterten Schöffengerichten und beim Landgericht in großen und kleinen Strafkammern eingesetzt werden. Die Laienrichter haben das gleiche Stimmrecht wie Berufsrichter und sollen Volkes Stimme in Gerichtsverhandlungen einbringen. Berufsrichter bezeichnen hinter vorgehaltener Hand ihre ehrenamtlichen Beisitzer manchmal abschätzig als Beischläfer. Die meisten Schöffen bemühen sich aber fleißig in den Prozess einzubringen und haben oft eine ungeahnte, aber förderliche neue Perspektive oder manchmal auch überraschendes Zusatzwissen.

Sexualdelikt: Sexualdelikte sind Straftaten im Bereich des Sexualstrafrechts. Empfehlenswert für Beschuldigte sind Verteidiger mit einem Tätigkeitsschwerpunkt in diesem Bereich, http://www.sexualdelikt.berlin . Das Sexualstrafrecht stellt im Rahmen meiner Verteidigertätigkeit einen Schwerpunkt meiner Arbeit dar.

Sexualstrafrecht: Sexualstrafrecht umfasst die Paragraphen des 13. Abschnitts, und nach meiner persönlichen Auffassung auch die Beleidigung, wenn es um sexualisierte Beleidigungen geht. Als Anhang zu Sexualstraftaten kann man sich faktisch aber auch jeden anderen Paragraphen vorstellen, von der Körperverletzung, über Nötigung und Freiheitsberaubung bis zum Totschlag. Da viele Strafverteidiger aus freiem Willen kein Sexualstrafrecht bearbeiten, aber auch Erfahrung und Sonderwissen für eine gute Verteidigung notwendig sind, sollte sich ein Beschuldigter an einen spezialisierten Strafverteidiger wenden, so http://www.sexualdelikt.berlin . Ich stehe hier gerne zur Verfügung.

Sprungrevision: Bei Urteilen des Amtsgerichts ist unter Umständen auch eine Sprungrevision zum Oberlandesgericht, bzw. zum Kammergericht möglich. Da dabei auf eine Instanz verzichtet wird, findet die Sprungrevision nur in den seltenen Fällen statt, wenn die Rechtswidrigkeit dem Urteil schon auf die Stirn geschrieben steht.

Staatsanwaltschaft: Die Staatsanwaltschaft ist Herrin des Ermittlungsverfahrens und vertritt im Hauptverfahren die Anklage. Außer im Jugendbereich ist sie auch für die Strafvollstreckung zuständig.

Strafkammer: Kleine Strafkammern aus einem Berufsrichter mit 2 Schöffen entscheiden beim Landgericht über Berufungen und große Strafkammern mit 3 Berufsrichtern und 2 Schöffen über Verfahren der 1. Instanz beim Landgericht.

Strafmündigkeit: Nach deutschem Recht ist man erst ab 14 Jahren strafmündig. In Großbritannien beginnt die Strafmündigkeit bei 10 Jahren und andere Länder kennen keine Strafmündigkeit oder entscheiden von Fall zu Fall.

Strafverfolgungsbehörden: Strafverfolgungsbehörden sind Behörden die Straftaten verfolgen. Dies sind unter anderem die Staatsanwaltschaft, die Polizei, der Zoll, auch die Finanzämter für Strafsachen und Fahndung und in Einzelbereichen auch andere Behörden.

Strafverteidiger: Die einzige Person im Strafverfahren, die eindeutig auf der Seite des Beschuldigten steht.

U-Haft: Untersuchungshaft, soll der Verfahrenssicherung bei Fluchtgefahr und Verdunklungsgefahr dienen, kommt auch bei Wiederholungsgefahr in Betracht

Zeugnisverweigerungsrecht: Zeugnisverweigerungsrechte nach §§ 52, 53 StPO berechtigen den Zeugen Auskunft zu sich oder zu Dritten zu verweigern.

Zwischenverfahren: Im Zwischenverfahren ab Erhebung durch die Anklage soll das Gericht über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden. Da leider viele Richter nach dem Prinzip handeln, „Wir schauen mal, was die Hauptverhandlung ergibt.“, fristet das Zwischenverfahren leider ein Schattendasein. Trotzdem sollte der Verteidiger die Möglichkeiten des Zwischenverfahrens nicht ignorieren.

Siehe auch die gut gemachte Seite der NRW-Justiz : http://justiz.nrw.de/BS/recht_a_z/index.php, ein eingeschränktes aber kostenloses Begriffslexikon. Aber auch auf http://www.wikipedia.de finden sich viele Begriffe erklärt, und meist noch erheblich umfangreicher. Außerdem gibt es auf dem Markt noch mehrere Rechtslexika. Sie können natürlich auch Ihren Verteidiger fragen.

Dieser Artikel wird fortlaufend erweitert.


Sonntag 15. Juni 2014


Berliner Junitagung 2014

Gestehen-Leugnen-Schweigen und Taktiken der Wahrheitsfindung im Strafverfahren waren die Themen der 18. Berliner Junitagung für Forensische Psychiatrie und Psychologie am 13. Juni 2014.
Im Rahmen meiner jährlichen Fortbildung besuchte ich die Tagung am 13. Juni 2014 und hörte zu Anfang einen Vortrag der Berliner Glaubhaftigkeitsgutachterin Frau Professor Volbert zum Thema „Falsche Geständnisse, beredtes Schweigen und zutreffendes Leugnen“. Neben dem interessanten Vortrag nutzte ich die Chance auch zu einem kurzen Gespräch über einen gemeinsamen Fall.

Frau Diplom-Psychologin Claudia Brockmann vom LKA Hamburg sprach über, „Beschuldigtenvernehmung-Informationssammlung, Forum oder Verteidigung oder Geständnismotivierung? Dabei berichtete sie über Vorgehensweise der vernehmenden Polizisten, Fehlerquellen und Fehlervermeidungsstrategien in Vernehmungen.

Professor Dr. Dr. Alexander Ignor hatte das Thema „Ist der schweigende Angeklagte der Goldstandard der Verteidigung.“ Er zeigte auf, dass Schweigen die richtige Entscheidung ist, um einem Verteidiger erst einmal zu ermöglichen einen Fall umfassend zu erfassen. Frühzeitiges Reden birgt unüberschaubare Risiken, dazu konnte wohl jeder ernstzunehmende Strafverteidiger zustimmen.

Professor Dr. Günter Köhnken aus Kiel, ebenfalls einer von Deutschland anerkanntesten Aussagepsychologen hielt einen Vortrag zur Psychologie falscher Geständnisse, wobei er verschiedene reale Fälle besprach und aufzeigte, wie es zu den falschen Geständnissen gekommen war. In den meisten Fällen, weil Polizei und Justiz unbedingt einen Täter präsentieren wollten und die unschuldig festgenommenen über Stunden und auch Tage und Wochen solange bearbeiteten bis sie Geständnisse erhielten. Die Gerichte machten dann die Fehler solche dubiosen Geständnisse einfach nicht zu hinterfragen, wenn nicht gerade die Polizei ihnen rechtsstaatswidrig bewusst Informationen vorenthalten hatte. Nach dem Vortrag konnte man schon am deutschen Rechtsstaat zweifeln.

Der Psychiater Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber wandte sich in seinem Vortrag „Die Wahrheit der Person und die Wahrheit der Tat: der schweigende Angeklagte aus Sicht des Psychiaters“ meiner Ansicht nach ohne Verständnis für die Arbeit von Strafverteidigern gegen das Schweigen. Aus psychiatrischer Sicht sah er es als problematisch, wenn sich Täter nicht ihren Taten stellten, da sie so die Heilung und Behandlung in Frage stellen würden. Zu kurz kam mir auch ein Verständnis bzw. Respekt für die Unschuldsvermutung. Trotz meiner Kritik fand ich es interessant so auch einmal die Perspektive der Psychiater kennen zu lernen.

Dr. Steffen Lau war aus Zürich angereist, wo er in der Psychiatrie für Straftäter tätig ist. Er sprach über „Auswirkungen von Tatleugnung und Schweigen auf die kriminalprognostische Beurteilung und Behandlung“. Dabei stellt er fest, dass beharrliches Leugnen einer Tat keine Erhöhung einer Rückfallgefahr bedeutete. Bei einer Bagatellisierung einer Tat hingegen sah der Psychiater eine höhere Rückfallgefahr.

Susanne Niemz vom kriminologischen Dienst Brandenburg thematisierte „Urteilsabsprachen und Opferinteressen“. Die mir bekannten Strafverteidigerkollegen applaudierten am Ende des Vortrages nicht. Mir erschien das Verständnis für ein rechtsstaatliches Verfahren bei der Dozentin nur schwach ausgeprägt. Dies war insbesondere der Fall als sie von der Feigheit von Tätern sprach, in einem Prozess nicht zu gestehen. Dass es auch unschuldig Angeklagte geben konnte, schien ihr fremd und auch von der Unschuldsvermutung schien die Opferschutzexpertin aus meiner Sicht zu wenig zu wissen.

Den Abschlussvortrag hielt dann Richter am Bundesgerichtshof Professor Dr. Andreas Mosbacher, „Das Ideal richterlicher Wahrheitsfindung und die Betrübnisse des wirklichen Lebens“. Er wertete die Fälle von unerkannten Unrechtsurteilen aus, die der BGH alle kritiklos durchgewinkt hatte. Mit der Beschränkung des BGH auf die Kontrolle auf Rechtsfehler entschuldigte er meines Erachtens zu viel. Er erwähnte die französische Justizreform, nach der man nach einer Häufung von Verurteilungen Unschuldiger eine zweite Tatsacheninstanz bei hohen Freiheitsstrafen eingeführt hatte. Aus finanziellen Gründen hielt er dies für nicht machbar, hielt es aber immerhin für überlegenswert alle polizeilichen Vernehmungen vollumfänglich mittels Videotechnik zu dokumentieren, um hier Fehlerquellen auszuschließen.

Neben den interessanten Vorträgen hatte ich die Chance zu kurzen Gesprächen mit drei Sachverständigen, mit denen mir gemeinsame Hauptverhandlungen bevorstehen. Damit hatte sich die Tagung wie immer für mich gelohnt.


Donnerstag 15. Mai 2014


Das Strafbefehlsverfahren – Einspruch gegen einen Strafbefehl

Das Strafbefehlsverfahren entlastet eine chronisch überforderte Justiz, in dem es bei leichter Kriminalität zu rechtskräftigen Verurteilungen ohne mündliche Hauptverhandlung führen kann.

Nur Vergehen können durch einen Strafbefehl geahndet werden, keine Verbrechen mit einer Mindeststrafe von einem Jahr. Der Strafbefehl kann eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr festsetzen, wenn sie zur Bewährung ausgesetzt wird und der Angeschuldigte einen Verteidiger hat. Als meiste Rechtsfolge werden aber Geldstrafen durch einen Strafbefehl festgesetzt, aber auch andere Rechtsfolgen sind nach § 407 Abs. 2 StPO denkbar.

Der Strafbefehl wird von der Staatsanwaltschaft, bzw. der Amtsanwaltschaft beim zuständigen Gericht beantragt, § 407 StPO.

Das Gericht kann den Erlass eines Strafbefehls durch Beschluss ablehnen, dagegen kann die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde einlegen. Der Richter kann den Strafbefehl erlassen, bei einer Freiheitsstrafe muss er noch einen Pflichtverteidiger nach § 408b StPO bestellen. Wenn der Richter Bedenken gegen den Strafbefehl hat, kann er auch eine Hauptverhandlung anberaumen, wenn er der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Abänderung des Strafbefehls gegeben hat.

Gegen einen erlassenen Strafbefehl kann der Angeklagte innerhalb von zwei Wochen einen Einspruch einlegen, worauf es dann zur Hauptverhandlung kommt. Bei einem Einspruch gegen einen Strafbefehl besteht das Risiko, dass sich die Strafe verschlechtern kann.  Je nach Konstellation kommt auch eine Beschränkung des Einspruchs auf einzelne Rechtsfolgen, etc. in Betracht. Durch eine Beschränkung lässt sich auch das Risiko einer Verschlechterung reduzieren.

Wird nicht rechtzeitig Einspruch eingelegt, gilt der Strafbefehl als rechtskräftige Entscheidung, die auch vollstreckt werden kann.

Ein Sonderfall ist der Strafbefehl nach § 408a StPO, der erlassen wird, wenn Angeklagte nicht zu einer Hauptverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung erscheinen und die sonstigen Voraussetzungen eines Strafbefehls vorliegen.

Strafbefehle bieten sich auch bei bestimmten Delikten an, wenn Beschuldigte unbedingt eine Hauptverhandlung vermeiden wollen und eine Einstellung nicht mehr in Betracht kommt.

Gegen Jugendliche ist ein Strafbefehl nicht möglich, gegen Heranwachsende unter Umständen.

Leider erlebe ich oft, dass Mandanten in ihrem Bundeszentralregister Eintragungen durch Strafbefehle erhalten haben, gegen die sie sich aus Faulheit nicht gewehrt haben, obwohl sie unschuldig waren. Es war halt den Aufwand nicht wert oder es ging darum einen Freund zu schützen. Wenn man diese Einschätzung auch für die Strafe vielleicht treffen kann, haben diese Mandanten nie daran gedacht, dass auch die Eintragung eines Strafbefehls im Bundeszentralregister noch über Jahre negative Auswirkungen haben kann.

Ich empfehle daher, sich auch bei Strafbefehlen durch einen Strafverteidiger beraten zu lassen, ob man Einspruch einlegt und diesen eventuell auf einzelne Angriffspunkte beschränkt.


Donnerstag 1. Mai 2014


Die Rechtsmittel Berufung und Revision in Strafsachen

Berufung und Revision sind die bekanntesten Rechtsmittel. Viele Ratsuchende kennen die Unterschiede jedoch nicht, deshalb hier eine sehr kurze, zwangsläufig aber auch unvollständige Erklärung.

1. Berufung

Die Berufung führt zu einer vollständigen Neuverhandlung des Verfahrens, mit einigen Einschränkungen.

In Strafsachen ist die Berufung in Deutschland nur gegen Urteile des Amtsgerichts zulässig. Die Berufung wird dann vor der kleinen Strafkammer des Landgerichts verhandelt, die mit einem Berufsrichter und zwei Schöffen besetzt ist.

Berufung muss beim Ausgangsgericht innerhalb einer Woche nach Verkündung des Urteils eingelegt werden.

Bei Berufungen gegen Verurteilungen zu einer Geldstrafe von nicht mehr als 15 Tagessätzen ist die Berufung nur zulässig, wenn sie begründet wird und durch das Berufungsgericht angenommen wird. Dieser Sonderfall wird Annahmeberufung genannt.

2. Revision

Die Revision ist ausdrücklich keine Tatsacheninstanz und prüft nur noch, ob das vorige Urteil materiell richtig ist und verfahrensmäßig ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Revision kann gegen amtsgerichtliche Urteile eingelegt werden (eine sogenannte Sprungrevision), gegen Berufungsurteile des Landgerichts und erstinstanzliche Urteile des Landgerichts und Oberlandesgerichts.

Revision muss beim Ausgangsgericht innerhalb einer Woche nach Verkündung des Urteils eingelegt werden. Auch die Revisionsbegründung unterliegt einer eigenen Frist. Die Begründung der Revision unterliegt sehr strengen Formvorschriften und muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet werden oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden, § 345 StPO.

Auch wenn bei der Berufung nicht in jedem Fall ein Rechtsanwalt notwendig ist, sollte er doch eingeschaltet werden, wenn das Verfahren in der ersten Instanz schon nicht nach den Wünschen des Beschuldigten ausgegangen ist. Auch bei der Revision ist ein Verteidiger auch dann anzuraten, wenn kein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt.