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Freitag 1. Dezember 2023


Tagessatzhöhe bei geringen Einkommen?

Wie hoch darf die Geldstrafe für einen Hartz-IV-Empfänger ausfallen? Das sind Fragen, die immer wieder vor Gericht hochkommen.

Schematisch wäre es einfach:

§ 40 StGB

Verhängung in Tagessätzen

(2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens dreißigtausend Euro festgesetzt.

Danach könnte man den aktuellen ALG-II-Satz von 563,00 € durch 30 Tage teilen und käme auf einen Tagessatz von knapp 20,00 €. Und schlimm daran ist, dass einige Gerichte auch so bei unverteidigten Angeklagten vorgehen. Und es geht auch schlimmer, manche Gericht rechnen noch die Wohnkosten dazu und kommen dann auf einen Tagessatz von 25,00 €.

Die Gerichte verkennen dabei, dass der Angeklagte durch die Auswirkungen der am Nettoeinkommensprinzip ausgerichteten Geldstrafe systembedingt härter betroffen ist als der Normalverdienende, weil die auf die Sicherung des Existenzminimums ausgestaltete Leistung dem Leistungsbezieher nur einen sehr geringen finanziellen Spielraum lässt. Der systembedingt härteren Betroffenheit des Angeklagten kann durch Senkung der Tagessatzhöhe entgegengewirkt werden (Fischer, a.a.O., § 40 Rn. 11 a m.w.N.)

Das LG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 27.07.2022 – 24 Qs 45/22 – reduzierte in einem Fall den Tagessatz auf 10,00 € mit der Begründung, dass in einer Bedarfsgemeinschaft zum einen der Regelbedarf gemindert sei, der Beschuldigte auch schon an das Opfer gezahlt habe und insgesamt das Strafübel höher als bei jemanden sei der die Strafe aus der Kaffeekasse zahlen könne.

Auch das AG Langenburg, Beschl. v. 25.05.2022 – 1 Cs 36 Js 543/22 reduzierte in einem Fall die Tagessatzhöhe auf 5,00 €, weil der Angeklagte nur einen reduzierten ALG-II-Satz bezog, selbst durch den Unfall verletzt sei, seinen Verteidiger bezahlen müsse und auch noch Gerichtskosten als älterer Mann zu erwarten habe.

Schon vor vielen Jahren hat LG Köln, Urteil vom 07.10.2010 – 156 Ns 49/10 dazu gemeint, „Bei Sozialhilfeempfängern oder Personen, die gleich niedrige Einkommen haben, z.B. Kleinrentnern oder Unterhaltsempfängern, wird in der Regel die schematische Anwendung des Nettoeinkommensprinzip zu einer unvertretbar starken Belastung des Täters führen, so dass ein Tagessatz festzusetzen ist, der unter dem Dreißigstel des monatlichen Nettoeinkommens liegt.“

Tagessätze können auch noch niedriger sein, in einem Fall hatte ich einen einkommenslosen Häftling vertreten, wo das Gericht das Minimum von einem Euro ansetzte. Bei obdachlosen Mandanten setzten die Gerichte zwischen 2,00 € und 5,00 € an.


Samstag 1. Juli 2023


Bundesweite Verteidigung

Obwohl ich die kurzen Wege im Kriminalgericht Moabit in Berlin schätze, bin ich doch auch bundesweit tätig. So habe ich in letzter Zeit vermehrt Anfragen aus anderen Bundesländern festgestellt, in denen es anscheinend keine fachkundigen Strafverteidiger für Sexualstrafrecht gibt. Gerade in diesem Spezialgebiet ist es sicherlich auch sinnvoll einen Rechtsanwalt mit Erfahrung auszusuchen. Wenn hier Beschuldigte in Fällen notwendiger Verteidigung darauf warten, dass ihnen ihr Richter einen Verteidiger aussucht, können sie mit Sicherheit davon ausgehen, dass die Auswahl nach den Interessen des Gerichtes, nicht nach den Interessen des Beschuldigten, getroffen wird.
Eine überregionale Verteidigung in Haftsachen bedeutet einen gesteigerten Aufwand, so dass dies fast immer nur bei Abschluss einer Vergütungsvereinbarung möglich ist. In anderen Bereichen lassen sich alle Absprachen und Besprechungen mit dem Mandanten auch unproblematisch per Telefon erledigen, insbesondere dann wenn das Ziel die Einstellung eines Verfahrens ohne öffentliche Hauptverhandlung ist.
Aber nicht nur im Sexualstrafrecht bin ich überregional tätig. Im Folgenden eine kleine Auswahl der Gerichte, an denen ich tätig war.


v.l.n.r.: Kriminalgericht Berlin, LG Neuruppin, Verteidigung im Sexualstrafrecht, Vergewaltigung, Kindesmissbrauch, Sexuelle Nötigung, Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Copyright Malte Höpfner

v.l.n.r.: Kriminalgericht Berlin (LG Berlin und AG Tiergarten) , LG Neuruppin (Land Brandenburg), Copyright Malte Höpfner

v.l.n.r.: Eingang Amtsgericht Königs Wusterhausen und Amtsgericht Tiergarten, Kirchstraße 6, Jugendstrafrecht, Betäubungsmittelstrafrecht, Sexualstrafrecht, Copyright Malte Höpfner

v.l.n.r.: Eingang Amtsgericht Königs Wusterhausen (Ausweichquartier Wildau) (Land Brandenburg) und AG Tiergarten, Kirchstraße 6, Berlin, Copyright Rechtsanwalt Malte Höpfner

Landgericht Cottbus und Landgericht Coburg, Verteidigung im Sexualstrafrecht, Schwurgericht, BtM, Drogendelikte, Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Copyright Rechtsanwalt Malte Höpfner

v.l.n.r.: Landgericht Cottbus (Land Brandenburg) und Landgericht Coburg (Freistaat Bayern), Copyright Rechtsanwalt Malte Höpfner

Amtsgericht Bernau und Amtsgericht Strausberg

v.l.n.r.: Amtsgericht Bernau (Land Brandenburg) und Amtsgericht Strausberg (Land Brandenburg), Copyright Rechtsanwalt Malte Höpfner

Amtsgericht und Landgericht Frankfurt (Oder), Fachanwalt für Strafrecht, Verteidigung von Sexualdelikten, Sexualstrafrecht, Allgemeines Strafrecht, Copyright Malte Höpfner

Amtsgericht und Landgericht Frankfurt (Oder), (Land Brandenburg), Copyright Rechtsanwalt Malte Höpfner

Oranienburg (Brandenburg) und Landgericht Magdeburg (Sachsen-Anhalt), Strafverteidiger, Sexualstrafrecht, Schwurgericht, § 176 StGB, § 176a StGB, § 177 StGB, § 184 StGB, § 184b StGB, § 212 StGB, § 249 StGB, BtMG

Amtsgericht Oranienburg (Brandenburg) und Landgericht Magdeburg (Sachsen-Anhalt), Copyright Malte Höpfner

Justizzentrum Potsdam (Amtsgericht und Landgericht) (Land Brandenburg) und Justizzentrum Bochum (Amtsgericht und Landgericht Bochum) (Land Nordrhein-Westfalen), Copyright Malte Höpfner

Amtsgericht Gifhorn (Niedersachsen) und Amtsgericht Waren an der Müritz (Mecklenburg-Vorpommern)

Links AG Fürstenwalde (Land Brandenburg) Rechts AG Bonn (Land NRW)


Da jeder Fall ein Einzelfall rufen Sie mich an, um eine Übernahme des Mandates zu besprechen.

(Artikel wird fortlaufend aktualisiert.)


Sonntag 15. Januar 2023


Onkel, Tante, Bruder und Schwester und andere Verständnisfehler

Als ich in einer Besprechung mit einem Mandanten war, erzählte er mir längere Zeit von Handlungen seines Bruders. Ich war verwirrt, als es dann um Fragen zu seiner eigenen Person ging und ich feststellte, dass er laut seiner Aussage ein Einzelkind sei. Die Erklärung war, dass es in einigen Regionen Osteuropas üblich ist, gute Freunde als Bruder oder Schwester zu bezeichnen. Ähnliche Missverständnisse gibt es auch bei Vietnamesen, da hier der Begriff „Onkel“ oder „Tante“ nicht zwangsläufig einen Geschwisterteil der Eltern, sondern einfach eine übergeordnete Respektsperson bezeichnet.

In einer Gerichtsverhandlung ist es dann wichtig, Missverständnisse zu verhindern, bevor sie sich beim Gericht zu Lasten meines Mandanten verfestigen. Daher halte ich eine offene und klare Kommunikation mit meinem Mandanten aufrecht und ermutige ihn, alle relevanten Informationen offen zu teilen und Fragen zu stellen, wenn etwas unklar ist.

Weitere Gegenstrategien zu Verständnisfehlern

Ich bin mir auch bewusst über kulturelle Unterschiede und Praktiken, insbesondere wenn mein Mandant aus einer anderen Kultur stammt. Deshalb kläre ich mögliche Missverständnisse bezüglich der Bedeutung von Begriffen oder Beziehungen, um sicherzustellen, dass ich ein genaues Bild habe.

Wenn ich auf Informationen stoße, die nicht mit dem übereinstimmen, was mein Mandant zuvor gesagt hat, zögere ich nicht, nachzuhaken und Fragen zu stellen. Auf diese Weise kann ich Verwirrung klären und sicherstellen, dass ich ein genaues Bild habe.

Wenn ich bereits im Vorfeld einer Gerichtsverhandlung auf potenzielle Missverständnisse stoße, kläre ich diese so früh wie möglich, idealerweise bevor die Verhandlung beginnt. Dadurch verhindere ich, dass sich Missverständnisse während der Verhandlung verschärfen.

Falls notwendig, ziehe ich einen Dolmetscher oder Übersetzer hinzu, um sicherzustellen, dass die Kommunikation klar und präzise ist, insbesondere wenn Sprachbarrieren bestehen.

Ich halte alle Gespräche und Vereinbarungen schriftlich fest, um Missverständnisse zu vermeiden und als Referenz für zukünftige Diskussionen. Indem ich proaktiv auf mögliche Missverständnisse eingehe und diese kläre, kann ich dazu beitragen, dass mein Mandant fair und gerecht behandelt wird und dass seine Interessen angemessen vertreten werden.


Mittwoch 1. Juni 2022


Tücken der Übersetzung

Da viele Mandanten eines Strafverteidigers in Berlin einen Migrationshintergrund haben, kommt es öfter vor, dass man auf die Dienste eines Übersetzers angewiesen ist.

Es gibt eine Liste vereidigter Übersetzer, derer man sich bedienen kann oder man muss sich in Gerichtsverhandlungen auf den vom Richter ausgewählten Dolmetscher verlassen. Als eifriger Literaturkonsument waren mir schon früher Übersetzungsfehler in Büchern aufgefallen, in einer Strafgerichtsverhandlung beim Amtsgericht Tiergarten konnte ich einen solchen gerade noch verhindern. In der Regel hört man dem Beschuldigten und dem Zeugen nicht zu, sondern konzentriert sich auf die Übersetzung. Bei einer Übersetzung aus dem Englischen hörte ich diesmal aber auch dem Zeugen zu und wurde verunsichert, als die Übersetzerin „hot Drinks“ mit „warmen, bzw. heißen Getränken“ übersetzte. Ich fragte nach und die Übersetzerin meinte, damit seien dann wohl Tee und Kaffee gemeint. Ich fragte erneut nach und bat auch darum den Zeugen noch einmal zu befragen und diesmal erfolgte dann die richtige Übersetzung der „hot Drinks“ als „stark alkoholische Getränke“.

Die Arabische Sprache wird über Tausende Kilometer gesprochen, wobei sich die Dialekte wie das Ur-Berlinerische vom Nieder-Bayerischen unterscheiden. Das kann zu Übersetzungsproblemen führen, zum anderen haben aber panarabische Fernsehsender wie Al Dschasira dazu geführt, dass die Bedeutung des Hocharabisch zunimmt. Diese Fernsehsender haben ungefähr für das Hocharabische die Bedeutung wie Luther und die Gebrüder Grimm für die deutsche Sprache.

Bei einer Beiordnung eines Mandanten aus dem Raum der ehemaligen Sowjetunion stellt sich immer die Frage nach dem richtigen Übersetzer. Usbekische Staatsbürger könnten ethnische Russen sein, welche die Sprache ihres Staates nicht sprechen.

Einen kuriosen Übersetzungsfehler fand ich einmal in einem Buch, in dem ständig von Schiffen der Hauptstädteklasse gesprochen worden. Keines der Schiffe hatte eine Hauptstadt als Namen, so dass ich einmal rückübersetzte, Hauptstadt=Capitol und dann darauf kam, dass es um kapitale Schiffe ging. Der Übersetzer hatte damit einen kapitalen Bock geschossen und keinen Hauptstadtbock.

Ein erfahrener polnischer Dolmetscher erzählte mir vor kurzem über Übersetzungsfehler seiner jüngeren Kollegen, die Kuhfuß und Polenschlüssel wortwörtlich in das Polnische übersetzten. Die beiden Einbruchwerkzeuge werden aber nur im Deutschen so genannt. Er selbst hatte einmal noch rechtzeitig gemerkt, dass der Staatsanwalt in der Anklage mit Jammer nicht das Leid meinte, sondern ein englisches Wort für ein Funkstörgerät, dabei wäre auch eine Antispysoftware von dem Wort bezeichnet worden.

Die Aufgabe eines Gerichtsdolmetschers ist schwerer als die eines Buchübersetzers, da er möglichst simultan übersetzen muss und dabei noch die Schwierigkeit der juristischen Fachbegriffe hinzutritt. Ein Übersetzer erklärte mir einmal, dass er das Wort Haftprüfung mit mindestens 4 Sätzen erklären müsste, da es einen solchen Vorgang im Heimatland des Beschuldigten nicht gab.

Als Rechtsanwalt mag man zwar nicht alle Sprachen sprechen, aber man sollte recht schnell lernen, in allen Sprachen einen schlechten Übersetzer zu erkennen. Diese Dolmetscher geben sich meist dadurch zu erkennen, dass sie umfangreiche Zwiegespräche führen und selbst nachfragen, während ein guter Übersetzer sich strenger an den gesprochenen Text hält. Bei einem guten Übersetzer sinkt dadurch die Gefahr, dass eigene Wertungen und Lückenausfüllungen in die Übersetzung mit einfließen.


Dienstag 1. Oktober 2019


Irrtümer und Versehen

Der größte Feind der Wahrheit ist nicht die Lüge, sondern der Irrtum. Die Wahrheit dieses Satzes bestätigt sich mir immer wieder aufs Neue in vielen Verfahren. Zwei Fälle waren in letzter Zeit besonders eindrücklich.

Bei einem Fall wurde der Mandant in seiner Wohnung von den eingesetzten Polizisten recht nachdrücklich zu Boden gebracht. Man beschlagnahmte alle Computer und sonstigen Datenträger, darunter natürlich auch das berufliche Mobiltelefon. Wie so oft in solchen Verfahren drohte schon die Entlassung aus dem Arbeitsverhältnis als ich das Mandat vom leugnenden Mandanten übernahm.

Ich erhielt überraschend schnell Akteneinsicht und las mich schon auf dem Gang vor der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft ein. Anders als früher hatte man nicht erst den Vertrag ermittelt und über den Telefonanbieter den Beschuldigten identifiziert. Nein, diesmal gab es eine neue zentrale Datei, die ohne Zwischenschritte den Beschuldigten der Nummer zuwies. Den Vertrag wollte ich trotzdem sehen, da ich eine Verwechslung über Prepaid-Verträge und Nummernneuvergaben für möglich hielt. Nach einigem Hin- und Herr mit der Staatsanwaltschaft über die Notwendigkeit meiner Anfrage, ging die Staatsanwaltschaft nun meinem Beweisermittlungsantrag doch nach und wurde überrascht.

Kurze Zeit später wurde die Verfahrenseinstellung mitgeteilt, eine Polizeibeamtin hätte die Nummer falsch eingegeben, nun würde gegen den Richtigen das Verfahren eröffnet. Ärgerlich war, dass trotz aller Beeinträchtigungen für den Mandanten zu keinem Zeitpunkt von der Polizei, der Staatsanwaltschaft oder dem für die Wohnungsdurchsuchung zuständigen Ermittlungsrichter eine Entschuldigung erfolgte. Staatsanwaltschaft und Ermittlungsrichter hatten sich überdies blind auf die Richtigkeit der zentralen Rufnummerndatei verlassen und nicht einmal den Versuch der selbständigen Überprüfung unternommen.

Sexuelle Nötigung ist ein schwerer Tatvorwurf und für den Mandanten in einem anderen Fall standen eine Gefängnisstrafe ohne Bewährung und auch eine Ausweisung im Raum als er zu mir kam und mitteilte, dass er unschuldig sei. Die Zeugenaussagen waren aber ebenso eindeutig und identifizierten den Mandanten namentlich als Kollegen.

Nur konnte der Mandant mir einen Arbeitsvertrag zur gleichen Zeit bei einem anderen Arbeitgeber vorlegen. Nur gebrochen Deutsch sprechend war er zuvor noch bei der Polizei gewesen und hatte dort den Eindruck eines notorisch Uneinsichtigen hinterlassen. Wir bekamen dann aber heraus, dass er einen Landsmann bei sich hatte übernachten lassen. Irgendwann hatte dieser seine Aufenthaltspapiere kopiert und so selbst eine Arbeit unter der falschen Identität meines Mandanten angetreten.

Ich trug dies bei Gericht vor und legte Fotos bei, beantragte Nachermittlungen und fand kein Gehör. Zur Verhandlung gelang es den wahren Täter mit ins Gericht zu nehmen, wo er nun auch noch mit Verspätung eintraf. Da ich in den Gerichtssaal musste, aber den wahren Täter nicht mit dem Opfer und deren wütenden Freund allein sein lassen wollte, sprach ich ein paar mir bekannte Justizwachtmeister an und bat sie vor dem Saal aufzupassen. Hier war mir meine Bekanntheit am Gericht zugutegekommen. In der Verhandlung wurde alles wieder mündlich vorgetragen und das Gericht und die Staatsanwaltschaft ließen ihren Unglauben klar erkennen. Dann kam die Geschädigte in den Saal und wurde befragt, ob sie den im Saal sitzenden Angeklagten kennen würde. Hier hatte ich schon Sorge, dass für sie vielleicht nur die Hautfarbe entscheidend sein würde, aber sie antwortete, dass sie ihn nicht kennen würde und der Täter wäre doch vor dem Gerichtssaal. Jetzt waren auch Staatsanwaltschaft und Gericht überzeugt und der Freispruch kam nun recht zügig.

„Als Sie zu mir kamen, habe ich Ihnen die Geschichte nicht abgenommen.“, sagte mir die Richterin nach der Verhandlung. Ich sagte ihr nicht, dass ich ihr das damals schon am Gesicht angesehen hatte.


Montag 9. Juli 2018


Wechsel zwischen Nebenklage und Verteidigung

Einige Kollegen beschränken sich auf Verteidigung oder Nebenklage und verzichten dabei auf die Vorteile, die sich aus einer Tätigkeit in beiden Bereichen ergeben.  Als Verteidiger profitiere ich von der Tätigkeit als Nebenkläger. Als Verteidiger im Sexualstrafrecht hat man selten Mitverteidiger, so dass die Arbeit als Nebenkläger ermöglicht die Vorgehensweisen anderer Verteidiger studieren zu können. Als Nebenkläger wiederum konnte ich von den als Verteidiger gesammelten Erfahrungen profitieren und in einem Fall die Staatsanwaltschaft auf einen rechtlichen Fehler in der Anklage aufmerksam machen, eine Verdopplung der Mindeststrafe zu erreichen und in einem anderen Fall das Landgericht vor einem revisionsbedeutsamen Fehler bewahren.


Mittwoch 9. Mai 2018


Das schönste Hochzeitsgeschenk

„Sie haben uns das schönste Hochzeitsgeschenk gemacht.“, meinte die Verlobte meines Mandanten heute nach der Urteilsverkündung zu mir. Nachdem der Angeklagte in der ersten Instanz beim Amtsgericht, damals noch von einem Kollegen verteidigt, zu 3 Jahren und 3 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt war, bat mich der Kollege die Verteidigung in der Berufung zu übernehmen. Nach vier Jahren Berufungsverfahren, mehreren Anläufen zur Hauptverhandlung und insgesamt einer zweistelligen Zahl von Verhandlungstagen hatte das Landgericht meinen Mandanten nun freigesprochen. In den Jahren hatte das Leben des Mandanten nicht stillgestanden und so war es gekommen, dass die Urteilsverkündung einen Tag vor der Hochzeit war.


Donnerstag 15. Februar 2018


Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort, § 142 StGB, Unfallflucht, Fahrerflucht

Unfallflucht und Fahrerflucht sind die allgemeingängigen Bezeichnungen für den Straftatbestand des § 142 StGB, Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort.

Nach dem Tatbestand macht sich ein Unfallbeteiligter strafbar, wenn er sich nach einem Unfall im Öffentlichen Straßenverkehr vom Unfallort entfernt, bevor er zugunsten der anderen Unfallbeteiligten oder der Geschädigten die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeuges und der Art seiner Beteiligung durch seine Anwesenheit und die Angabe seiner Unfallbeteiligung, ermöglicht hat. Nach Abs. 1 Nr. 2 wird auch der bestraft, der nicht eine angemessene Zeit gewartet hat, um gegenüber einer feststellungsbereiten Person  seine Beteiligung bekannt zu geben.

Nach Abs. 2 der Vorschrift werden auch Unfallbeteiligte bestraft, die sich zwar erlaubt vom Unfallort entfernt haben, aber nicht unverzüglich nachträglich die Feststellungen ermöglicht haben.

Ein Unfall ist ein plötzlich auftretendes schädigendes Ereignis, welches mit den Gefahren des Straßenverkehrs im Zusammenhang steht. Reine Vorsatztaten, wie bei fingierten Unfällen zur Vorbereitung eines Versicherungsbetruges, fallen nicht unter den Tatbestand der Unfallflucht.

Unfallbeteiligter ist jede Person, die zum Unfall beigetragen hat. Es kann also auch der Beifahrer sein, der den Fahrer versehentlich mit heißem Kaffee überschüttet hat, was bei diesem zu einem unfallauslösenden Verreißen der Lenkung führte. Auch die schreiende Ehefrau kann Unfallbeteiligte sein, wenn der Ehemann sich erschrak und versehentlich auf die Bremse trat, so dass es zu einem Auffahrunfall kam. Kein Unfallbeteiligter ist der Zeuge, der nur reiner Beobachter eines Unfalls war.

Öffentlicher Straßenverkehr meint den Verkehr auf öffentlichen Plätzen und Wegen. Damit sind aber auch öffentliche zugängliche Privatgelände umfasst, wie Tankstellen oder Supermarktparkplätze. Eine Privatstraße liegt erst dann vor, wenn sie dem öffentlichen Verkehr nicht zugänglich ist und nur einer begrenzten Zahl von Nutzern offen steht. Bei Mautstraßen ist hingegen wohl eher von einer öffentlichen Straße auszugehen.

Kein „Sich Entfernen“ liegt vor, wenn ein schwerverletzter Unfallbeteiligter von einem Rettungswagen geborgen und abtransportiert wird.  Die meisten Unfallflüchtigen entfernen sich schnell recht weit vom Unfallort, aber auch ein Verstecken am oder in der Nähe des Unfallortes erfüllt schon den Tatbestand.

Wenn keine feststellungsbereite Person am Unfallort ist, wird vom Gesetz das Einhalten einer Wartefrist gefordert. Diese Wartefrist richtet sich nach den Umständen, wie der Tageszeit und dem Unfallort. Bei einer einsamen Landstraße in der Nacht, wo man das Heulen der Wölfe hört, dürfte die Wartezeit geringer anzusetzen sein, als bei stark frequentierten Stadtstraße am Tage. Aber auch an gefährlichen Orten, wie Rot-Licht-Vierteln oder Berlin-Neukölln dürfte die notwendige Wartezeit eher kurz zu bemessen sein. In Berlin-Neukölln waren Unfallbeteiligte mehrfach durch arabische Familienclans fast gelyncht worden. In einer solchen Gefahrensituation dürfte dann ein Fall des gerechtfertigten, bzw. entschuldigten Entfernens vorliegen. Nach dem Entfernen vom Unfallort hat der Unfallbeteiligte unverzüglich dem Berechtigten oder einer nahen Polizeidienststelle Mitteilung über den Unfall und seine Beteiligung zu machen und die notwendigen Feststellungen nachträglich zu ermöglichen.

Unverzüglich bedeutet in der Rechtssprache „ohne schuldhaftes Zögern“.

Bei Unfällen außerhalb des fließenden Verkehrs und bei nicht bedeutenden Sachschäden kann das Gericht auch dann noch von Strafe absehen oder diese mildern, wenn sich der Unfallbeteiligte innerhalb von 24 h freiwillig gemeldet und die Feststellungen nachträglich ermöglicht hat.

Strafmaß / Rechtsfolgen :

Die Strafnorm sieht Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor. Das Strafmaß unterscheidet  sich nach der Höhe des Schadens und natürlich auch den Vorstrafen des Täters. Leider unterscheiden sich die Strafen in geringem Maße auch von Bundesland zu Bundesland und teilweise auch von Gerichtsbezirk zu Gerichtsbezirk. Bei einem Schaden von circa 600,00 € wird bei einem Ersttäter eine Geldstrafe von bis zu 30 Tagessätzen und ein Monat Fahrverbot verhängt. Ab einer Schadenshöhe von 1.100,00 – 1.300,00 € werden bei einem Ersttäter mindestens 50 Tagessätze verhängt und die Fahrerlaubnis mit einer Sperrfrist für mindestens 6-9 Monate entzogen.

Außerdem werden derzeit nach Feststellung einer Unfallflucht noch zusätzlich 3 Punkte bei Entzug der Fahrerlaubnis, sonst 2 Punkte im Verkehrszentralregister in Flensburg eingetragen.

Wenn andere Personen verletzt sind, können sich die Strafen verdoppeln und auch Wiederholungstäter haben mit erheblich höheren Strafen als Ersttäter zu rechnen.

Auch die Haftpflicht sollte unverzüglich nach einem Unfall informiert werden, da diese von ihrem Versicherungsnehmer sonst bis zu 2.500,00 €, in Trunkenheitsfällen bis zu 5.000,00 € Regress nehmen kann.

Anwaltliche Beratung und Vertretung ist bei der Unfallflucht in der Regel immer anzuraten, da nicht nur Eintragungen im Bundeszentralregister in Karlsruhe und im Verkehrszentralregister in Flensburg erfolgen, sondern die Nebenfolgen wie Fahrverbot oder gar die Entziehung der Fahrerlaubnis existenzvernichtend sein können. Ein Erfolg kann zwar nicht garantiert werden, aber die Einflussmöglichkeiten durch einen Anwalt sind recht hoch. Wenigstens wird der Rechtsanwalt die Verhältnismäßigkeit der Strafe prüfen und auch hier bieten sich oft nach Ansatzpunkte für eine Reduzierung.

Unfallflucht resultiert regelmäßig aus einer Kurzschlusshandlung, wenn der Unfall überhaupt bemerkt wurde, das ist eine meiner Erfahrungen aus mehrjähriger Praxis. Kriminologisch wird dieser Erfahrungssatz auch durch die Tatsache bestätigt, dass die meisten Täter danach sofort nach Haus fahren, ihrem Zufluchtsort. Aus meiner Erfahrung macht Unfallflucht keinen Sinn, da die Aufklärungsraten exorbitant hoch sind. Anscheinend scheint es selbst bei Unfällen um 2 Uhr nachts in fast jeder Straße eine neunzigjährige Rentnerin zu geben, die wegen Schlaflosigkeit die Straße vor ihrem Haus beobachtet. Sollten Sie eine Unfallflucht begangen haben, sollten Sie innerhalb von 24 Stunden einen Strafverteidiger kontaktieren und noch innerhalb der Frist dann eventuell mit diesem die Polizei aufsuchen. Die bekundete tätige Reue wird die Justiz Ihnen mit großer Wahrscheinlichkeit anrechnen.

Besonders interessant für einen Strafverteidiger sind die Fälle, in denen Mandanten den Unfall nicht mitbekommen haben oder dies zumindest behaupten. Hier werden unter Umständen Gutachten notwendig, um diese Einlassung zu bestätigen, bzw. zu widerlegen. Solche komplexen Fälle sollte ein Beschuldigter nicht ohne anwaltliche Unterstützung angehen, da ein erfahrener Strafverteidiger in der Regel über Sonderwissen zur Bemerkbarkeit von Unfällen verfügt und auch die kompetenten Gutachter kennt.


Freitag 9. Februar 2018


Erfolg beim Bundesgerichtshof, aber kein reines Siegesgefühl

Nachdem ich heute am 09.02.2018 den Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 25.01.2018 auf Aufhebung eines landgerichtlichen Urteils und Zurückverweisung an eine andere Kammer erhalten habe, recherchierte ich noch einmal genauer nach der durchschnittlichen Erfolgsquote von strafrechtlichen Revisionen.

So wie die Revision selbst ist auch die Recherche nach den Erfolgsquoten eine Qual. Der Focus berichtet in einem Artikel, nur drei Prozent der strafrechtlichen Revisionen sind erfolgreich. Von anderer Seite hört man von nur 2 Prozent erfolgreichen strafrechtlichen Revisionen beim Bundesgerichtshof. Dazu muss man noch wissen, dass hochbezahlte Revisionsspezialisten eine mehr als doppelt so hohe Erfolgsquote als der normale Strafverteidiger haben. Der Grund liegt darin, dass strafrechtliche Revisionen beim Bundesgerichtshof hauptsächlich zeitaufwändige Fleißarbeiten sind. Der Pflichtverteidiger kann diese in der Regel bei einer Vergütung von 492,00 € und einer Kostenquote von mindestens 50 Prozent nicht leisten, der ausgewiesene Revisionsspezialist nimmt je nach Fall zwischen 5.000,00 € und 20.000,00 €. Der Bundesgerichtshof bemüht sich diese Entwicklung zu fördern und pflichtverteidigte Mandanten vom Zugang zum Recht abzuschneiden, in dem er den formalen Begründungsaufwand an eine Revision immer weiter erhöht. Bei hiesiger erfolgreicher Revision rechnete ich einmal zusammen, was die Bundesanwaltschaft in ihrer Gegenstellungnahme zu meiner Revisionsbegründung noch für notwendig gehalten hätte. Nach der Bundesanwaltschaft hätte ich knapp 200 Seiten schreiben müssen, um die formalen Revisionsanforderungen zu erfüllen. Hier macht es dann vielleicht noch Sinn zu wissen, dass ein guter Autor für eine Seite eine halbe Stunde benötigt, wenn er im Fluss ist.

Dazu kommen dann das Einholen der Protokolle, Studium derselben und des Urteils und am Ende eine Erwiderung auf die Stellungnahme der Bundesanwaltschaft. Insgesamt habe ich wohl etwas über 30 Stunden für die erfolgreiche Revision benötigt, ein klassischer Fall von Selbstausbeutung. Aus Sicht der Bundesanwaltschaft, welcher meist der BGH folgt, wären wohl 150 Stunden angemessen gewesen.

Der Bundesgerichtshof benötigte für seinen Aufhebungsbeschluss BGH 5 StR 543/17 wiederum nur 4 Seiten, inklusive einer Seite Deckblatt und einer halben Seite für die Richternamen. Das sind aber immerhin drei Seiten mehr als bei einem begründungslosen Verwerfungsbeschluss.


Sonntag 14. Mai 2017


Stalking – Nachstellung

Den Straftatbestand der Nachstellung, § 238 StGB, gibt es erst seit 2007. Seit dieser Zeit wuchs die Fallzahl und wurde er schon vom Gesetzgeber noch weiter verschärft.

Was ist Nachstellung, bzw. Stalking?

Als Nachstellung wird ein vorsätzliches, wiederholtes und auch unbefugtes Verfolgen oder Belästigen betrachtet, welches geeignet ist, die Lebensgestaltung der anderen Personen schwerwiegend zu beeinträchtigen.

Neben § 238 StGB kann aber auch § 4 Gewaltschutzgesetz zur Anwendung, wenn gegen eine entsprechende einstweilige Verfügung zuwider gehandelt wird. Keine strafrechtlichen Sanktionen sind Ordnungsgeld und Ordnungshaft, die vom Zivilgericht bei Zuwiderhandlung gegen gerichtliche Anordnungen verhängt werden können.

Stalking ist oft mit weiteren Straftaten, wie Hausfriedensbruch – § 123 StGB, Beleidigung – § 185ff. StGB,  Körperverletzungsdelikten – § 223ff. StGB, Nötigung – § 240 StGB und Bedrohung – § 241 StGB verbunden. Es kommen aber auch andere Straftaten vor, wie Eigentumsdelikte, Straftaten gegen das Recht auf Privatsphäre und in schwersten Fällen auch Tötungsdelikte.

Was kann ein Rechtsanwalt tun?

Durch das Verwenden unbestimmter Rechtsbegriffe im § 238 StGB, welche durch die Justiz erst ausgefüllt und ausgelegt werden müssen,  bieten sich für einen Verteidiger erhebliche Möglichkeiten schon im Ermittlungsverfahren eine Verfahrenseinstellung zu erreichen. Aber auch in schwereren Fällen kann man mit einer guten Verteidigungsstrategie noch eine Einstellung mit Auflagen erreichen. Dem Beschuldigten ist in jedem Fall davon abzuraten zur polizeilichen Beschuldigtenvernehmung zu erscheinen, da er dann unbeabsichtigt der Polizei bei ihrer Beweisführung hilft. Mit einem Verteidiger an Ihrer Seite wird man das Schweigen auch nicht negativ auslegen, da die Polizei dann weiß, dass der Strafverteidiger seine Arbeit beherrscht.

Als Verteidiger nimmt man nach der Mandatierung Akteneinsicht, um dann die Akte mit dem Mandanten zu besprechen und gegebenenfalls dann eine Schutzschrift zu verfassen.  Sofern der erfahrene Verteidiger zum Schluss kommt, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 238 StGB vorliegen, gibt es § 238 StGB einige Möglichkeiten um anstelle einer Verurteilung noch eine Einstellung ohne Eintrag in das Führungszeugnis zu erhalten. Das erfordert dann neben der engen Kooperation zwischen Verteidiger und Mandant weitere intensive Bemühungen vom Mandanten.

Ohne  einen Strafverteidiger an der Seite erwarten den Beschuldigten als Ersttäter bei einfachen Fällen meist Geldstrafen, während bei Wiederholungstätern sehr schnell Freiheitsstrafen verhängt werden, die dann oft auch nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden.  Auch Geldstrafen können schon zu Eintragungen im Führungszeugnis führen, was oft berufliche Nachteile bedeutet.

Praxis und Erfahrung

In den letzten Jahren haben Strafverfahren wegen Stalking in meiner Kanzlei stark zugenommen und beschäftigen mich nicht nur in Berlin-Brandenburg, sondern auch bundesweit.  Am Abend des 09.Mai 2017 besuchte ich eine Veranstaltung der Rechtsanwaltskammer zum Thema „Stalking“, wobei ein Berliner Psychotherapeut die psychosoziale Seite beleuchtete und mir trotz meiner langjährigen Erfahrung einige neue Ideen eröffnete. Auch wenn die Veranstaltung schlecht besucht war, stützte sie doch meine Ansicht, dass für eine erfolgreiche Verteidigung eine kontinuierliche Fortbildung notwendig ist.


Sonntag 7. Mai 2017


Operation Pacifier – Aufdeckung eines Kinderpornoringes

Am 05.Mai 2017 gaben FBI und Europol die Aufdeckung eines Kinderpornonetzes mit 900 Verdächtigen in Europa und den Vereinigten Staaten bekannt.  Auch wenn ich bei manchen internationalen Operationen jeweils gleiche mehrere neue Mandanten bekam, so sind doch die zu erwartenden späteren Folgeverfahren von erheblicher größerer Zahl. In der Regel haben die Verdächtigen solcher Netzwerke jeweils noch mehrere Tauschpartner und für die Strafverfolgungsbehörden interessante Kontakte außerhalb des Netzwerkes. Für eine deutsche Staatsanwaltschaft ergeben sich dann aus einer Durchsuchung gleich mehrere Ermittlungsverfahren gegen neue Verdächtige.

Für den Täter dieser Straftaten empfiehlt es sich, so bald wie möglich mit einem auf Sexualstrafrecht spezialisierten Strafverteidiger Kontakt aufzunehmen. Mit einem Strafverteidiger an der Seite lassen sich viele Fehler vermeiden, die oft passieren, wenn Beschuldigte allein mit der Polizei kommunizieren. Ein großer Fehler ist es sicher auch zu warten, bis die Polizei sich auf die eine oder andere Weise meldet.

Die Verbreitung von Kinderpornographie, § 184b Abs. 1 StGB führt mit einer Mindeststrafe von drei Monaten fast immer zu einer Eintragung in das Führungszeugnis, aber auch die Strafen für den Erwerb haben sich durch Anweisungen der Generalstaatsanwälte an die ermittelnden Staatsanwälte alle Sexualdelikte soweit wie möglich vor Gericht zu bringen, praktisch erheblich erhöht. Für im Öffentlichen Dienst beschäftigte Täter kann auch eine unter einem Jahr liegende Strafe schnell zu einer Entlassung führen.

Rechtlich interessant an dem Fall ist, dass das FBI weltweit mehr als 1.000 Rechner auf Grundlage eines einzigen amerikanischen Gerichtsbeschlusses hackte. Auch wenn das deutsche Recht nicht die amerikanische Rechtskonstruktion der „Früchte des verbotenen Baumes“ kennt, so bietet doch die Konstellation Verteidigungsansätze, die vielleicht zu einer mandantenfreundlichen Verständigungslösung mit der deutschen Justiz führen können.

Ich vertrete Sie bundesweit gern bei allen sexualstrafrechtlichen Beschuldigungen.


Samstag 1. April 2017


§ 177 StGB Sexueller Übergriff, Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung

(1) Wer gegen den erkennbaren Willen einer anderen Person sexuelle Handlungen an dieser Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Ebenso wird bestraft, wer sexuelle Handlungen an einer anderen Person vornimmt oder von ihr vornehmen lässt oder diese Person zur Vornahme oder Duldung sexueller Handlungen an oder von einem Dritten bestimmt, wenn

1.
der Täter ausnutzt, dass die Person nicht in der Lage ist, einen entgegenstehenden Willen zu bilden oder zu äußern,
2.
der Täter ausnutzt, dass die Person auf Grund ihres körperlichen oder psychischen Zustands in der Bildung oder Äußerung des Willens erheblich eingeschränkt ist, es sei denn, er hat sich der Zustimmung dieser Person versichert,
3.
der Täter ein Überraschungsmoment ausnutzt,
4.
der Täter eine Lage ausnutzt, in der dem Opfer bei Widerstand ein empfindliches Übel droht, oder
5.
der Täter die Person zur Vornahme oder Duldung der sexuellen Handlung durch Drohung mit einem empfindlichen Übel genötigt hat.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn die Unfähigkeit, einen Willen zu bilden oder zu äußern, auf einer Krankheit oder Behinderung des Opfers beruht.

(5) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
gegenüber dem Opfer Gewalt anwendet,
2.
dem Opfer mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben droht oder
3.
eine Lage ausnutzt, in der das Opfer der Einwirkung des Täters schutzlos ausgeliefert ist.

(6) In besonders schweren Fällen ist auf Freiheitsstrafe nicht unter zwei Jahren zu erkennen. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn

1.
der Täter mit dem Opfer den Beischlaf vollzieht oder vollziehen lässt oder ähnliche sexuelle Handlungen an dem Opfer vornimmt oder von ihm vornehmen lässt, die dieses besonders erniedrigen, insbesondere wenn sie mit einem Eindringen in den Körper verbunden sind (Vergewaltigung), oder
2.
die Tat von mehreren gemeinschaftlich begangen wird.

(7) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
2.
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, oder
3.
das Opfer in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt.

(8) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet oder
2.

das Opfer

a)
bei der Tat körperlich schwer misshandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(9) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu drei Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 4 und 5 ist auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen der Absätze 7 und 8 ist auf Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren zu erkennen.

 


 

Mit einer möglichen Höchststrafe von 15 Jahren ist die Vergewaltigung als eine der schwersten Straftaten im Strafgesetzbuch geächtet. Für Beschuldigte und Opfer stellt sich beim Strafverfahren das gleiche Problem, dass in der Regel nur sie beide während des Geschehens anwesend waren. Dies wird dann problematisch, wenn nicht der Geschlechtsverkehr unter Abrede gestellt wird, sondern die Nötigungskonstellation. Die Aussage-gegen-Aussage-Konstellation kann aber durch andere Beweismittel aufgebrochen werden. Wenn der Geschlechtsverkehr durch den Beschuldigten bestritten wird, kann eine gynäkologische Untersuchung des Opfers oder auch die Untersuchung von Kleidung auf Spermaspuren weitere Aufklärung bringen. Aber auch das eigene Lobpreisen, früher im Freundeskreis, heute in den sozialen Medien, kann einen Beschuldigten zu einem längeren Gefängnisaufenthalt verhelfen. Manchmal hat die Polizei auch Glück, wenn sich Beschuldigte durch Dummdreistigkeit selbst ans Messer liefern, indem sie ungefragt Täterwissen preisgeben. In letzter Zeit neu ist die Entwicklung, dass Täter ihre Taten mittels Handyvideo aufzeichnen. Umgekehrt kann es auch Falschbeschuldigungen durch vermeintliche Opfer geben, wobei die Motive vielfältig sein können. Neben bewussten Falschbeschuldigungen kann es auch Irrtümer geben oder Opfer mit fremd- oder selbstsuggerierten falschen Erinnerungen.
Ich bin in Verfahren mit dem Tatvorwurf sexueller Nötigung, Vergewaltigung als Verteidiger und als Nebenklägervertreter tätig gewesen und auch immer noch tätig. Im Vergleich zu anderen Delikten erwiesen sich diese Verfahren immer als besonders schwierig und erforderten neben vollem Einsatz viel Spezialwissen, angefangen von den Fristen bei gynäkologischen Untersuchungen bis zu den Nachweiszeiten von KO-Tropfen. Einmal war es notwendig dem Gericht aufzuzeigen, dass ein rechtsmedizinisches Gutachten die Wirkung einer Droge unterschätzt hatte; in einem anderen Fall musste eine intensive Beschäftigung mit den psychoreaktiven Wirkungen von Medikamenten erfolgen. Ein Verteidiger sollte wissen, wann er ein Glaubhaftigkeitsgutachten beantragt und welche Gutachter er Staatsanwaltschaft und Gericht vorschlägt. Für die Mandanten ist es in diesen Verfahren daher besonders wichtig einen im Sexualstrafrecht erfahrenen Rechtsanwalt auszuwählen.


Mittwoch 15. März 2017


In eigener Sache: RVG 7000 – Kopiekostenerstattung auch für Scans

Keine Beratung ohne Akteneinsicht sollte der Grundsatz für jeden Strafverteidiger sein und daran sollte er sich auch bei kleinsten Verfahren halten.  Da Menschen sich häufig irren und nur etwas seltener lügen,  kann man sich auf den Bericht der Mandanten nur in den seltensten Fällen verlassen. Gerade in den vermeintlich eindeutigsten Fällen bietet die Akteneinsicht immer eine spannende Überraschung und einen Zeugen, der das genaue Gegenteil bekundet.  Für den Verteidiger ist die Akte oft noch wichtiger als der eigene Mandant. Als Verteidiger war man bei der Tat nicht anwesend und der Mandant ist regelmäßig emotional hochangespannt und damit verständlicherweise schwer in der Lage die Handlung rational zu schildern. Erst mit der Akteneinsicht kann man dem eigenen Mandanten die richtigen Fragen stellen und den Finger gegebenenfalls in die Wunde legen. Durch die Akte erfährt der Verteidiger auch von Beweismitteln, die der eigene Mandant noch nicht kennt. Nur durch eine gute Aktenkenntnis kann der Verteidiger die Beweislage richtig einschätzen und vernünftige Ratschläge erteilen.

Die Akte hole ich mir bei der Berliner Strafjustiz ab oder lasse sie mir aus anderen Bundesländern zusenden. Als ich 2006 als Strafverteidiger anfing, habe ich noch jede Akte kopiert. Seit ungefähr 5 Jahren habe ich begonnen größere Akten als PDF-Dateien einzuscannen. Der Vorteil ist die Einsparung an Gewicht und Platz, wenn man anstelle mehrerer Akten nur noch ein Notebook transportiert. Oft ist man mit der eingescannten Akte in einer Hauptverhandlung auch noch schneller als der Vorsitzende Richter mit seiner Originalakte.

Der personelle Aufwand für das Einscannen ist jedoch identisch mit dem Kopieren. Und Einsparungen beim Toner und Papier werden durch die Kosten für das Notebook und den zusätzlichen Speicherplatz kompensiert. Im Strafverfahren kann man leider auch nicht die Akte in den automatischen Einzug legen, da  Polizisten eine besondere Affinität zu Tackern haben.

Bis zum 2. Kostenmodernisierungsgesetz hatten Rechtsanwälte einen Anspruch auf die Scankostenerstattung entsprechend der Erstattung von Kopien. Durch einen Gesetzgebungsfehler verbunden mit dem anwaltsfeindlichen Berliner Kammergericht kam es nun zur Situation, dass die Justiz Scankosten nicht mehr ersetzte und die Justiz nun Anwälte faktisch dazu drängte zum Kopieren von Akten zurückzukehren.

Als sich die Rechtsprechung des Kammergerichts verfestigte, die Beschwerde eines norddeutschen Kollegen beim Bundesverfassungsgericht abgelehnt wurde und die Beschwerde einer Berliner Kollegin beim Berliner Landesverfassungsgericht still ruhte, habe ich mich zum Bundestag aufgemacht und mein Anliegen dem Petitionsausschuss vorgetragen.

Zu meiner Überraschung arbeitete dieser schnell, forderte Stellungnahmen vom Bundesjustizministerium an und entschied die Petition am 23.06.2016 in meinem Sinne und leitete die Petition als Material an das Ministerium weiter. Nach einigem Abwarten, dem Studium der kostenrechtlichen Literatur habe ich mich nun an Abgeordnete des Rechtsausschusses im Bundestag gewandt, um das Verfahren wieder ein wenig voranzutreiben.

Vielleicht schafft es aber die Kollegin mit ihrer Beschwerde beim Berliner Landesverfassungsgericht mich noch zu überholen, was ich ergebnisorientiert begrüßen würde.


Sonntag 1. Januar 2017


Fortbildungen im Jahr 2016

Der Zustrom von Flüchtlingen blieb auch für Strafverteidiger nicht unbemerkt und so begann das Jahr mit einer Fortbildungsveranstaltung der Deutsche-Anwalt-Akademie (DAA) zum Thema „Einführung in das Asylverfahrensrecht“ am 09.01.2016.

Am 11.02.2016 besuchte ich dann eine Fortbildung der Vereinigung Berliner Strafverteidiger zum Insolvenzstrafrecht und am 17.03.2016 zu den Auswirkungen der Neuregelungen von Asyl- und Aufenthaltsgesetz im Strafrecht.

Zwei Tage vom 20.-21.Mai 2016 besuchte ich das Wochenendseminar zum Thema „Psychiatrische Sachverständige“. Im Gästehaus der Stadtmission nahm ich am 09.Juni 2016 an der Fortbildungsveranstaltung zum „Straf- und Insolvenzverfahren“ teil.

Die 20. Berliner Junitagung für Forensische Psychiatrie und Psychologie mit dem Titel „Der Blick auf die Täter und der Blick auf die Opfer“ fand am 17.Juni 2016 in der Freien Universität zu Berlin statt. Neben den Vorträgen ist für mich hier immer auch der Kontakt zu Sachverständigen wichtig.

Die Wirtschaftsstrafrechtliche Vereinigung WisteV hatte mich am 20.Juli zu einem Vortrag über die „Gesetzungsgebungstechnik im Nebenstrafrecht“ eingeladen.

Den Abschluss des Fortbildungsjahres war dann ein Ausflug einmal fort vom Strafrecht beim „Upgrade Arbeitsrecht vom 09.-10.Dezember 2016.


Samstag 1. Oktober 2016


Sexualstrafrecht

Sexualstrafrecht umfasst die Paragraphen des 13. Abschnitts. Das Sexualstrafrecht dient heute überwiegend dem Schutz der individuellen sexuellen Selbstbestimmung, während früher die Sexualmoral im Vordergrund stand. Es geht hier unter anderem um Missbrauch von Schutzbefohlenen nach § 174 StGB, Kindesmissbrauch nach § 176 StGB, dem schweren Kindesmissbrauch nach § 176a StGB, Vergewaltigung und sexueller Nötigung nach § 177 StGB, sowie der Verbreitung, Erwerb und Besitz kinderpornographischer Schriften nach § 184b StGB.

Als Anhang zu Sexualstraftaten kann man sich faktisch aber auch jeden anderen Paragraphen vorstellen, von der sexualisierten Beleidigung, über die Körperverletzung, der Nötigung und der Freiheitsberaubung bis zum Totschlag.

Für den Beschuldigten, ob unschuldig oder schuldig, sind Sexualstraftaten, Sexualdelikte immer besonders unangenehm und peinlich. Im Interesse des Beschuldigten liegt es das Strafverfahren schnell und ohne große Aufmerksamkeit zu beenden. Diese Tatvorwürfe sind immer schwierig und für jeden Beschuldigten gefährlich, da zum einen nicht selten eine aufgeheizte Stimmung durch den Boulevardjournalismus besteht, zum anderen hier auch einige Strafrichter aufgrund von persönlichen Vorurteilen nicht unbefangen sind. Noch mehr als bei anderen Straftaten stellt hier ein Führungszeugniseintrag aus dem Bundeszentralregister eine schwere Belastung für jedes Arbeitsverhältnis dar und erschwert erheblich die Arbeitssuche.

Leider ist die Falschbelastungstendenz im Sexualstrafrecht besonders hoch. Es gibt Studien, in denen von 50 Prozent falschen Anschuldigungen ausgegangen wird. Im Rahmen böser Trennungen wird aus Rache schnell aus einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr eine Nötigung, bzw. eine Vergewaltigung. Aus dem Bereich von Kollegen, die im Familienrecht tätig sind, erfährt man immer wieder von Anwälten, die in Sorgerechtsstreitigkeiten dazu raten, das andere Elternteil mit der Behauptung des Kindesmissbrauches zu diskreditieren.

Als Verteidiger besteht meine Aufgabe dem unschuldig Angeklagten zum Freispruch zu verhelfen. Viele Gerichte neigen aus Opferschutzgründen aber auch dazu, die Beschuldigtenrechte zu beschränken und kommen damit aber ihrer Pflicht zur Ermittlung der Wahrheit nicht nach. Es liegt hier in der Aufgabe des Verteidigers dafür zu sorgen, gegen die Vorverurteilung eines unschuldigen Angeklagten vorzugehen. Dazu bedarf es einer entschlossenen und umsichtigen Verteidigung. Dem überführten Beschuldigten ist mit einer Strafzumessungsverteidigung am besten geholfen. Hierbei geht es darum, seine Verfahrensrechte zu verteidigen und auf eine möglichst geringe Strafe hinzuarbeiten, wobei das Gericht die Rücksichtnahme auf das wahre Opfer honoriert. Bei der Strafzumessungsverteidigung gibt es neben der geständigen Einlassung noch drei weitere Stellschrauben, wobei zwei sogar zu einer Strafrahmenverschiebung nach unten führen können und die dritte äußerst bedeutsam für die eigentliche Strafzumessung und Bewährungsfragen ist.

Da viele Strafverteidiger aus freiem Willen kein Sexualstrafrecht bearbeiten, aber auch Erfahrung und Sonderwissen für eine gute Verteidigung notwendig sind, sollte sich ein Beschuldigter an einen spezialisierten Strafverteidiger wenden. Die Verteidigung im Sexualstrafrecht ist mit mehreren Hundert Mandaten der Schwerpunkt meiner Tätigkeit.

Nebenklage

Wenn ich Opfer vertrete, geht es mir hauptsächlich um ein schonendes Verfahren für das Opfer als Zeugen, um den Gerichtsprozess nicht zum „erneuten Vergewaltigungserlebnis“ werden zu lassen. Das Opfer muss über den Ablauf des Verfahrens informiert werden, um nicht durch Fragen oder andere Prozesshandlungen überrascht zu werden. In manchen Situationen geht es aber um die entschiedene Abwehr von ungerechtfertigten Fragen, Vorwürfen und sonstigen unzulässigen Beeinträchtigungen, https://straf-kanzlei.de/nebenklage-oder-was-einen-guten-nebenklagervertreter-ausmacht/ .

Kontakt


Donnerstag 26. Mai 2016


Reform des Sexualstrafrechts

Am 25.05.2016 war ich zu einer rechtspolitischen Tagung zur Reform des Sexualstrafrechts in Berlin eingeladen. Die Politik nutzte die Ereignisse von Köln für eine überflüssige und sogar gefährliche Ausweitung des Sexualstrafrechts. In einem neuen § 179 StGB „Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung besonderer Umstände“ sollen behauptete Strafrechtslücken geschlossen werden. Ein BGH-Richter kommentierte die Begründung in einer Zeitung treffend mit den Worten, dass das ganze Leben eine Strafrechtslücke sei. Bisher sind im Rahmen der sexuellen Nötigung, der Vergewaltigung, des Missbrauchs von Schutzbefohlenen, des Kindesmissbrauchs und des Missbrauchs Widerstandsunfähiger alle nur denkbaren Konstellationen vom Strafrecht geschützt. Nach den Neuregelungen kann man eigentlich nur die Vorgehensweise an amerikanischen Colleges empfehlen: Vor jeder sexuellen Handlung sollten beide Seiten einen schriftlichen Vertrag unterzeichnen, darin bestätigen, dass sie bei klaren Verstand sind, die Art der beabsichtigten Handlungen genauestens darlegen und anschließend ihre Freiwilligkeit versichern.

Als Verteidiger im Sexualstrafrecht war ich von dem Podium bis auf den Vertreter der Berliner Schwerpunktstaatsanwaltschaft enttäuscht. Nur der Staatsanwalt agierte als der Vertreter der Vernunft, benannte klar die Mängel des Gesetzesentwurfes der Bundesregierung, machte auf voraussehbare Beweisprobleme und praktische Anwendungsprobleme aufmerksam. Den anderen Diskutanten auf dem Podium fehlte im Übrigen jede Perspektive für die Schwere der falschen Anschuldigung von Sexualtaten und vor allem für die große Zahl an Falschbelastungen. Immerhin liegt die Einstellungsquote bei um die 50 Prozent und bei immerhin 7-10 Prozent wurden nach einer Studie sicher festgestellt, dass eine Falschbelastung vorlag. Bei den verbleibenden Einstellungen oder Freisprüchen wirkt die Unschuldsvermutung in beide Richtungen, wobei nach meiner persönlichen Einschätzung die Falschbelastungsquote erheblich höher als die festgestellten 7-10 Prozent ist.

Nach dem Schluss der zweistündigen Tagung diskutierte ich noch mit dem Staatsanwalt und einem Mitarbeiter des Bundesjustizministeriums und wir waren uns einig, dass die Ereignisse von Köln keine Gesetzesreform notwendig machten. Dort wo Horden von Männern Frauen umzingelten, liegt eindeutig eine sexuelle Nötigung vor und besteht keine Strafbarkeitslücke. In Köln gab es einen Mangel an Polizei, Straßenbeleuchtung, vielleicht auch Kameras, aber sicher keinen Mangel an Gesetzen. Wir waren uns auch einig, dass es in Deutschland ein Vollzugsdefizit gibt und kein Regelungsdefizit. Aber die Politik geht weiter davon aus, dass ein neues untaugliches Gesetz billiger ist als die Einstellung von Polizisten, Staatsanwälten und Richtern.


Samstag 21. Mai 2016


Psychiatrische Sachverständige im Strafverfahren

Am 20. und 21.Mai 2016 besuchte ich eine Fortbildung der Strafverteidigervereinigung Berlin mit dem Thema „Psychiatrische Sachverständige“. Der psychiatrische oder psychologische Sachverständige erscheint in vielen Prozessen als unangreifbar und wird so vom Gericht behandelt und von vielen Verteidigern nicht in Frage gestellt. Gerichte nutzen dafür gerne die Formel, dass sie den überzeugenden, wissenschaftlich fundierten und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen folgen. Obwohl ich in diesem Jahr schon mit einer umfassenden Gutachtenanalyse  die Auswechslung einer psychologischen Gutachterin erreicht hatte, bot sich aber auch mir in der Fortbildungsveranstaltung noch einiges Neues. Die Dozenten, der psychiatrische Sachverständige Dr.med. Alexander Böhle und die psychologische Sachverständige Frau Diplompsychologin Angelika Sommer zeigten an den zwei Tagen mögliche Fehlerquellen in Gutachten auf und berichteten auch von großen Schnitzern ihrer Kollegen. Sehr viel Augenmerk müssen Verteidiger bei der Überprüfung der Arbeitsweise der Sachverständigen einsetzen, da hier wie auch in der Falldarstellung, wie auch in der Auswertung Fehler zu finden sind. Da ist dann das Gutachten auffällig, welches ein Sachverständiger nach einem halbstündigen Gespräch erstattet hat.  Bei einem akut psychotischen Patienten wäre dies nach Darstellung der Dozenten sogar denkbar, in den meisten Fällen aber ein Hinweis auf schlampige Arbeit. Erheblich komplizierter ist dann für einen Strafverteidiger die Überprüfung von testpsychologischen Untersuchungen. Hier müssen dann Daten verglichen werden und können manche Daten unterschiedlich ausgelegt werden.

Die Frage aber, ob die Gutachtenerstellung überhaupt im Interesse des Mandanten liegt, bleibt hingegen eine ureigene schwere Frage für den Verteidiger. Bei schwersten Fällen wird wohl eine Begutachtung sinnvoll sein, bei Fällen mittlerer Kriminalität könnte jedoch der Aufenthalt im Krankenhaus des Maßregelvollzuges möglicherweise länger sein als eine Haftstrafe.


Sonntag 15. Mai 2016


Leben und Sterben der deutschen Gerichtskantinen

So wie es früher in jeder deutschen Stadt einen Ratskeller gab, hatten auch die meisten größeren Gerichte eine eigene Kantine. Diese Zeiten scheinen vorbei zu sein und so starben Ratskeller und Gerichtskantinen gleichermaßen.

Im größten deutschen Kriminalgericht in Moabit gab es ehemals sogar zwei Kantinen. Während die ältere Kantine nun die Poststelle beherbergt, schien auch die andere Kantine immer wieder vor der Schließung zu stehen und wurde nun zwischenzeitlich durch Dussmann und einen weiteren Betreiber zumindest vorübergehend gerettet.

Eine erheblich lebendigere Kantine lernte ich im Landgericht Cottbus kennen, dort seit Januar 2012 von der Behindertenwerkstatt der „Lebenshilfe Werkstätten Hand in Hand gemeinnützige GmbH“ betrieben. Ich besuchte die Kantine in Verhandlungspausen zu verschiedenen Zeiten und war dabei überrascht, wie gut besucht die Cafeteria mit ihrem Frühstücksangebot und den mindestens vier Mittagsgerichten war. Die Kantine ist montags bis donnerstags von 08.30 Uhr bis 14.30 Uhr geöffnet, freitags von 08.30 Uhr bis 13.00 Uhr.

Aber auch im Landgericht Cottbus hatte es vor dem Vertrag mit der Behindertenwerkstatt schon erste Überlegungen für eine Umnutzung der Räume gegeben. Eine Richterrunde saß nun beim Mittag, von frühstückenden Rechtsanwälten hörte ich nur, war aber selbst immer zu späteren Tageszeiten geladen.

Die größte Enttäuschung erlebte ich beim Landgericht Magdeburg bei einer fast zehnstündigen Verhandlung vor dem Schwurgericht. Groß ausgeschildert entpuppte sich die „Cafeteria“ als seit längerer Zeit geschlossene Kantine, in deren ehemaligen Aufenthaltsraum die Verwaltung einfach einen Kaffeeautomat gestellt hatte.


Montag 2. Mai 2016


Verteidigung am 01.Mai 2016

In Berlin  muss niemand auf den Rat eines Strafverteidigers verzichten, auch wenn er in der Nacht, an Wochenenden oder an Feiertagen festgenommen wird.  Die Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V.  hat einen Anwaltsnotdienst in Strafsachen organisiert. Die Nummer des Notdienstes kann von Beschuldigten bei Polizei und Justiz erfragt werden und diese ermöglichen auch einen Anruf.

Alle Anrufe auf der Notdienstnummer werden auf das Mobiltelefon des jeweiligen Bereitschaftsanwaltes umgeleitet. Die Notdienstanwälte erteilen telefonischen Rechtsrat in Strafsachen oder suchen den Rechtssuchenden bei Festnahmen gegebenenfalls auch auf. Der Notdienst ersetzt keinesfalls eine reguläre anwaltliche Beratung oder Vertretung und beschränkt sich auf den Notfall. In Berlin erfolgt der Notdienst der Strafverteidigervereinigung kostenlos. Werden Übersetzer notwendig, sollten diese von der jeweiligen Behörde gestellt werden. Das Notmandat erlischt mit Ende der Notdiensttätigkeit.

Sollten Sie danach eine weitere, dann entgeltliche Tätigkeit des Notdienstanwaltes wünschen, muss wie üblich ein Mandat erteilt werden.

Vom 01.Mai 2016 bis zum 02.Mai 2016 war ich wieder beim Notdienst tätig. Während an normalen Tagen die Anrufer wegen verschiedenster Straftaten anrufen, geht es am 1. Mai in der Regel um Schweren Landfriedensbruch, Körperverletzung, Sachbeschädigung und Widerstandsvorwürfe, wie sich wieder einmal bestätigt hat. In allen von mir im Rahmen des Notdienstes bearbeiteten Fällen wegen schweren Landfriedensbruch erreichte ich nach mehrfachen Telefonaten mit der Staatsanwaltschaft eine Gewahrsamsentlassung.

In der Regel übernehme ich ein bis zwei Mal im Jahr die Bereitschaft für den Anwaltsnotdienst in Strafsachen.

Unabhängig vom Strafverteidigernotruf stehe ich Ihnen in Berlin bei Festnahmen und Durchsuchungen auch direkt und fast immer über meine Mobilfunknummer 0175 – 618 90 68 zur Verfügung. Sollten Sie in allen anderen Fällen eine Vertretung durch mich wünschen, können Sie mich unter der Telefonnummer 030 – 5480 1493 erreichen.

Rechtsanwalt Malte Höpfner

Allee der Kosmonauten 28

12681 Berlin

hilfe@straf-kanzlei.de

Telefon : 030 – 5480-1493

Mobil : 0175- 618 90 68


Freitag 1. Januar 2016


Fortbildungen im Jahr 2015

Eine Fortbildungsveranstaltung der Rechtsanwaltskammer Berlin zum Umsatzsteuerrecht besuchte ich am 21.April 2015. Interessant war, dass die Steuerfahndung das teilweise widersprüchliche Umsatzsteuerrecht nutzt, um ihre zurückgehenden Fahndungserfolge bei der Einkommensbesteuerung zu kompensieren.

Entschädigung für rechtswidrige Haft nach Art. 5 Absatz 5 EMRK war das Thema der Fortbildungsveranstaltung von Berliner Strafverteidigervereinigung und Republikanischen Anwaltsverein am 04.Juni in einem Hörsaal der Humboldt-Universität zu Berlin. Die Dozentin stellte ihre Überlegungen vor, über den Umweg über einen Entschädigungsanspruch aus der Europäischen Menschenrechtskonvention die beschämend niedrige Pauschalentschädigung des deutschen Strafrechtsentschädigungsgesetzes von 25,00 €, bisher sogar nur 11,00 € auszuhebeln. Dass die deutsche Entschädigungsregelung für einen Eingriff in die persönliche Freiheit skandalös niedrig ist, zeigt im Vergleich die Entschädigungspraxis im deutschen Reiserecht, die für entgangene Urlaubsfreuden zum Teil schon 100,00 € pro Tag ansetzt.

Fachanwalt für Strafrecht, Strafverteidiger, Rechtsanwalt, Verteidigung im Strafrecht, Copyright Rechtsanwalt Malte Höpfner

Humboldt-Universität zu Berlin, Copyright Rechtsanwalt Malte Höpfner

Am 12.Juni 2015 fand die 19.Berliner Junitagung für forensische Psychiatrie und Psychologie in einem Hörsaal der Freien Universität statt. Nach dem Vortrag von Prof.Dr. Thomas Elbert „Die Lust am Töten im Genozid“ sprach der ehemalige Leiter der BKA-Abteilung für islamischen Terrorismus über „Zum Töten bereit: Zur Motivation islamistischer Täter aus Europa“.

Der bekannte forensische Psychiater Prof.Dr. Norbert Leygraf behandelte in seinem Vortrag dann „Tötungsdelikte in Beziehungen“, während Prof. Dr. Dieter Dölling mit sehr vielen Statistiken über „Kriminologische Aspekte der Mordmerkmale und der lebenslangen Freiheitsstrafe“ berichtete.

Es folgten noch zwei Vorträge des Strafverteidigers Prof.Dr.Dr. Alexander Ignor zur angedachten „Reform der Gesetzbestimmungen über Tötungsdelikte“ und des forensischen Psychiaters Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber zu „Tötung, Höchststrafe und Schuldfähigkeit“.

Wie immer nutzte ich die Junitagung zu einem kleinen Erfahrungsaustausch und einem Kennenlernen mit Gerichtsgutachtern. Diese Vorbereitung gibt mir in Verhandlung mit Gutachtern immer einen nicht zu unterschätzenden Vorteil gegenüber anderen Strafverteidigern, die oft schon an den richtigen Fragen gegenüber den Gutachtern scheitern.

Am 18.Juni 2015 hörte ich mir noch einmal den Vortrag von Prof.Dr.Dr. Ignor in einer erweiterten Form mit anschließender Diskussion im Rahmen einer Veranstaltung der Berliner Strafverteidigervereinigung an.

„Der Zeugenbeweis – Von der Wahrheit, der Pflicht und anderen Fehlleistungen“ lautete am 12. September der von der Berliner Strafverteidigervereinigung gewählte Titel für ihr Bad Saarower Strafverteidigertreffen.

Am 25. November 2015 besuchte ich dann noch einen Vortrag zur Auslieferungsproblematik und beendete das Fortbildungsjahr nach einem 15-stündigen Upgrade im Arbeitsrecht vom 04.-05.12.2015 mit einer strafrechtlichen Fortbildung am 11.Dezember 2015 im Kriminalgericht Moabit zum Thema Adhäsion – Schmerzensgeldansprüche im Strafverfahren.

Während des Jahres war ich noch mehrfach Gast beim Strafverteidigerstammtisch der Berliner Strafverteidigervereinigung, bei dem mich neben interessanten Referaten auch immer der nutzbringende Erfahrungsaustausch mit Kollegen interessiert.


Freitag 11. Dezember 2015


Lesung von „Nichts als die Wahrheit“

Am 11.Dezember 2015 wechselte ich nach einer Fortbildung über das Adhäsionsverfahren im Kriminalgericht Moabit um 20.00 Uhr in die gegenüberliegende Buchhandlung, um Gast einer Lesung von Professor Max Steller aus seinem Buch „Nichts als die Wahrheit“ zu sein.

Das Buch hat den Untertitel „Warum jeder unschuldig verurteilt werden kann“ und dies beschreibt auch den wesentlichen Inhalt. Auf eine Frage nach der Zahl der unschuldig Verurteilten gab Professor Steller seinen Zuhörern zu denken, als er auf Grundlage seiner Fälle einschätzte, dass es nicht um wenige katastrophale Ausnahmefälle handele, sondern um eine höhere Zahl, die auf einem systematischen Versagen der Justiz beruhten.

Der führende deutsche Experte der Aussagepsychologie ist nicht nur ein überragender Sachverständiger, sondern erwies sich auch als guter Autor und unterhaltsamer Vorleser. Der größte Feind der Wahrheit sei nicht die Lüge, sondern der Irrtum, betonte der Gutachter zu Anfang seiner Lesung und las dann mehrere seiner Fälle vor. Er vertiefte die im Buch geschilderten Fälle noch ein wenig und antwortete im zweiten Teil der Lesung bereitwillig die Fragen der Gäste.


Dienstag 1. Dezember 2015


Reisekosten des Angeklagten

Der Angeklagte kann schon im Verfahren einen Antrag auf Reisekostenerstattung zum Gerichtstermin stellen, wenn er mittellos ist. Damit kann er dann aber auch sein Fehlen nicht damit entschuldigen, dass er kein Geld für die Anreise hatte.

Die Reisekostenerstattung ist in der Verwaltungsvorschrift über die Gewährung von Reiseentschädigungen (VwV Reiseentschädigung) geregelt. Man sollte die Vorschrift kennen und gegebenenfalls darauf hinweisen, da sie in der Justiz, aber auch bei Rechtsanwälten nicht überall bekannt ist.

Wenn noch genügend Zeit ist, sollte der mittellose Angeklagte das Gericht anschreiben. Unter Angabe des korrekten Aktenzeichens muss er seine Mittellosigkeit behaupten und dann mit Hilfe zum Beispiel der Kopie seines ALG-II-Bescheides nachweisen. Vor dem Termin wird er dann vom Gericht einen Gutschein, das Ticket oder Bargeld zugeschickt erhalten.

In Eilfällen kann der Angeklagte auch zu seinem lokal zuständigen Amtsgericht gehen und Fahrtkosten beantragen. Auch dazu braucht er einen Nachweis der Mittellosigkeit und hier auch noch die Ladung des Gerichtes oder der Behörde.

Wenn Sie dann Ihr Ziel erreicht haben, sollten Sie im Zweifel den Richter darum bitten, sich um eine Rückfahrkarte für Sie zu kümmern.

Die Justiz wird in der Regel nur Fahrten in der 2. Klasse per Eisenbahn oder Öffentlichen Personennahverkehr bezahlen. Reisen in der 1. Klasse oder Flüge werden daher eher nicht bewilligt.

Copyright Malte Höpfner, Strafverteidiger, Fachanwalt für Strafrecht

Bundesweite Verteidigung, Copyright Malte Höpfner

Bei längeren Terminen bezahlt die Justizkasse auf Antrag auch Tagegelder und Übernachtungskosten.

Wenn Sie mich als Verteidiger haben, werde ich Sie gern bei diesem Antrag unterstützen.

Keine Alternative ist es jedenfalls den Termin zu versäumen, da das Gericht dann in der Regel den roten Zettel ausfüllen wird und danach zwar Reise- und Unterbringungskosten direkt vom Staat übernommen werden, die Unterbringung aber in einer JVA erfolgt und der Transport gefesselt in Begleitung von Justizwachtmeistern.

Nach einem Freispruch kann der ehemalige Angeklagte seine Reisekosten gegenüber der Landeskasse als erstattungsfähige Auslagen in Ansatz bringen. Bei einem Verhandlungstag in Berlin dürfte hier aber der Aufwand für den Antrag meist den Nutzen übersteigen. Bei mehreren Verhandlungstagen, Anreisen aus der Ferne oder bei Taxikosten eines Gehbehinderten sollte man den Antrag aber nicht vergessen.


Mittwoch 25. November 2015


Große Kinderporno-Razzia in Berlin-Brandenburg und Operation Kidslove

In Berlin und Brandenburg wurden am 25.11.2015 von rund 100 Polizisten 28 Wohnungen und Geschäftsräume im Rahmen einer internationalen Operation gegen Kinderpornografie durchsucht.

Fast gleichzeitig zerschlugen australische und niederländische Polizei im Rahmen der Operation „Kidslove“ einen Kinderpornoring mit bisher 303 Verdächtigen und mehreren Tausend noch zu ermittelnden Abonnenten. Weltweit gab es Festnahmen und gibt es weitere Ermittlungen.

Es ist üblich, dass die Ermittlungen von konkreten Beschuldigten über IP-Adressen und dann die Zuordnung durch Telekommunikationsanbieter lange dauern, aber auch oft zum Ziel führen. Insoweit war meine Erfahrung, dass selbst Jahre nach der Aufdeckung eines Ringes noch nicht alle Verfahren abgeschlossen waren. Durch die Auswertung von Verbindungsdaten und die Beschlagnahme von Beweismitteln bei Verdächtigen erweitert sich dann der Kreis der Beschuldigten recht schnell und recht umfangreich über den ursprünglich aufgedeckten Ring hinaus.

Sollten Sie die Gefahr sehen hier zum Beschuldigten zu werden, ist zu einer zügigen Kontaktaufnahme zu einem qualifizierten Strafverteidiger schon im Ermittlungsverfahren zu raten. Je früher ein Beschuldigter in diesem Bereich einen im Sexualstrafrecht erfahrenen Verteidiger aufsucht, umso mehr Einflussmöglichkeiten wird der Verteidiger im Verfahren nutzen können.

Sie können mich gerne kontaktieren.


Sonntag 1. November 2015


Voraussetzungen der Untersuchungshaft

Die Untersuchungshaft wird umgangssprachlich als U-Haft abgekürzt und diese Abkürzung ist eine der wenigen Abkürzungen im Justizbereich, die auch jedem Laien bekannt ist. Vieles andere scheint aber nicht bekannt zu sein, insbesondere Politikern und der Presse. In der Zeitung liest man dann auch immer wieder, „Skandal – Ermittlungsrichter lässt jugendlichen Räuber wieder frei“ oder Politiker fordern, „Wir erwarten von der Justiz jetzt das Zeichen, dass diese Brandstifter in U-Haft kommen.“

Solche falschen Erwartungen sind für den Strafjuristen schwer nachvollziehbar, da er die gesetzlichen Voraussetzungen der Untersuchungshaft in §§ 112ff. StPO kennt.

Copyright Malte Höpfner, Strafverteidiger, Fachanwalt für Strafrecht, Untersuchungshaft

Ermittlungsrichtersaal im Amtsgericht Tiergarten – Copyright Malte Höpfner

Ein dringender Tatverdacht muss bestehen und dieser liegt dann vor, wenn eine hohe Verurteilungswahrscheinlichkeit besteht.

Die zweite Voraussetzung ist der Haftgrund und das sind in Deutschland nur Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr und Wiederholungsgefahr.

Eine Fluchtgefahr liegt, wenn die zu erwartende Strafe einen Fluchtanreiz bietet und die persönlichen Umstände diese nicht widerlegen. Da die Abwägung umfassend zu erfolgen hat, mag bei dem einen Beschuldigten schon eine U-Haft bei einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe verhängt werden, während ein anderer bei einer zu erwartenden Strafe von 4 Jahren noch nicht in die U-Haft kommt. Die Fluchtgefahr ist der häufigste von Ermittlungsrichtern angewendete Haftgrund.

Die Verdunkelungsgefahr liegt vor, wenn der Beschuldigte davon abgehalten werden soll, Beweismittel zu vernichten oder zu verändern, wobei auch Zeugen Beweismittel in diesem Sinne sind. Sobald die Beweissicherung aber abgeschlossen ist, entfällt die Verdunkelungsgefahr.

Sowohl Fluchtgefahr und Verdunkelungsgefahr lassen den Zweck der U-Haft erkennen und das ist die Sicherung des Verfahrens. Die Hauptverhandlung soll nicht deshalb entfallen, weil der Beschuldigte geflohen ist oder Beweismittel vernichtet hat.

Deshalb ist der Haftgrund Wiederholungsgefahr auch nur nachrangig, er soll Serientäter von weiteren Straftaten abhalten.

Bei dem oben genannten jugendlichen Räuber erschien der jugendliche Beschuldigte pünktlich zum Gerichtstermin, womit sich die Prognoseentscheidung des Ermittlungsrichters als richtig gezeigt hatte, darüber berichtete nun aber keine Zeitung.

Bei Aufforderungen von Politikern an Ermittlungsrichter „Zeichen zu setzen“ handelt es sich meiner Ansicht nach, klar um eine Aufforderung eine strafbare Rechtsbeugung zu begehen. Die Justiz darf Zeichen setzen und Abschreckung in ihren Urteilen betreiben, die Forderungen der Politiker hingegen greifen die Unschuldsvermutung an. Da soll dann ein möglicherweise Unschuldiger zu Unrecht in die U-Haft kommen, um damit politische Botschaften zu senden.

Nach der Prüfung der Haftgründe muss der Ermittlungsrichter die Verhältnismäßigkeit prüfen. Wenn die Straferwartung nur bei sechzig Tagessätzen liegt, wäre eine viermonatige Untersuchungshaft wohl falsch. Bei Bagatelldelikten wird der Richter im Übrigen besonders genau die Verhältnismäßigkeit von U-Haft abwägen. Das gleiche gilt, wenn die Justiz zu zügigen Verhandlungen nicht in der Lage ist. Wenn durch Auflagen die Fluchtgefahr abgewendet werden kann, so kann die Untersuchungshaft zumindest außer Vollzug gesetzt werden. Die am meisten gebräuchliche Auflage in Deutschland ist die Meldeauflage bei der Polizei, bei Beschuldigten mit Auslandsbezug werden die Pässe eingezogen. Anders als in den USA findet in Deutschland die Sicherheitsleistung durch Geld, die Kaution, nur selten Anwendung und die Summen sind meist erheblich niedriger.

Wenn ein Angeklagter trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zur Hauptverhandlung erscheint, kann gemäß § 230 Abs. 2 StPO ein Haftbefehl erlassen werden, was eine Sonderform der U-Haft darstellt.


Donnerstag 15. Oktober 2015


Eine Straftat zu beenden kann schwer sein – Kinderpornographie löschen

„Man muss einfach nur damit aufhören.“, mag mancher Leser im Angesicht meiner Überschrift denken.

Eine Körperverletzung mag damit enden, dass der Täter aufhört das Opfer zu verletzen oder zu misshandeln. Schwieriger wird es schon mit einem Unterlassungsdelikt, wo der Täter verpflichtet eine Gefahr von einer anderen Person abzuwenden.

Bei Besitz von Kinderpornographie reicht es nicht aus, nur der einfachen Löschfunktion zu vertrauen. Nach der Rechtsprechung liegt der Besitz von Kinderpornographie auch noch vor, wenn sich die Dateien wiederherstellen lassen. Hier hilft dann nur ein Programm zum sicheren Löschen, welches die gelöschten Bereiche mehrfach überschreibt.

Ungleich schwieriger wird es bei Daten, die auf anderen Servern gespeichert werden, beim Cloud-Computing, etc. Wenn sicheres Löschen bei fremden Computern nicht möglich ist, muss es beim einfachen Löschen bleiben.

Das Löschen allein wird aber in den wenigsten Fällen ausreichen. In der Regel wird eine Therapie anzuraten sein. Jahrelange Erfahrung als Strafverteidiger im Sexualstrafrecht zeigt mir, dass nur wenige Mandanten sich in einem Bereich von unter 1.000 Bildern bewegen. In der Regel lassen diese hohen Zahlen dann auf eine Sucht schließen, bei der therapeutische Hilfe notwendig ist.

Eine strafrechtliche Beratung ist immer zu empfehlen, da man nie weiß, ob nicht doch einmal die Polizei um 6.00 Uhr an die Tür klopft. Gerade bei größeren Foren und Tauschbörsen sammeln die internationalen Polizeibehörden oft über Monate IP-Adressen, Kreditkartendaten, etc. bevor sie in abgestimmten Aktionen über Staatsgrenzen hinweg aktiv werden. Eine Durchsuchung lässt sich nicht verhindern, aber den Ablauf zu kennen, kann Fehler vermeiden helfen. Hier kann der Rat nur lauten, sich nicht überraschen zu lassen, sondern schon vorher anwaltlichen Rat zu suchen.