Freitag 1. Dezember 2023



Tagessatzhöhe bei geringen Einkommen?

Wie hoch darf die Geldstrafe für einen Hartz-IV-Empfänger ausfallen? Das sind Fragen, die immer wieder vor Gericht hochkommen.

Schematisch wäre es einfach:

§ 40 StGB

Verhängung in Tagessätzen

(2) Die Höhe eines Tagessatzes bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters. Dabei geht es in der Regel von dem Nettoeinkommen aus, das der Täter durchschnittlich an einem Tag hat oder haben könnte. Ein Tagessatz wird auf mindestens einen und höchstens dreißigtausend Euro festgesetzt.

Danach könnte man den aktuellen ALG-II-Satz von 563,00 € durch 30 Tage teilen und käme auf einen Tagessatz von knapp 20,00 €. Und schlimm daran ist, dass einige Gerichte auch so bei unverteidigten Angeklagten vorgehen. Und es geht auch schlimmer, manche Gericht rechnen noch die Wohnkosten dazu und kommen dann auf einen Tagessatz von 25,00 €.

Die Gerichte verkennen dabei, dass der Angeklagte durch die Auswirkungen der am Nettoeinkommensprinzip ausgerichteten Geldstrafe systembedingt härter betroffen ist als der Normalverdienende, weil die auf die Sicherung des Existenzminimums ausgestaltete Leistung dem Leistungsbezieher nur einen sehr geringen finanziellen Spielraum lässt. Der systembedingt härteren Betroffenheit des Angeklagten kann durch Senkung der Tagessatzhöhe entgegengewirkt werden (Fischer, a.a.O., § 40 Rn. 11 a m.w.N.)

Das LG Frankfurt/Oder, Beschl. v. 27.07.2022 – 24 Qs 45/22 – reduzierte in einem Fall den Tagessatz auf 10,00 € mit der Begründung, dass in einer Bedarfsgemeinschaft zum einen der Regelbedarf gemindert sei, der Beschuldigte auch schon an das Opfer gezahlt habe und insgesamt das Strafübel höher als bei jemanden sei der die Strafe aus der Kaffeekasse zahlen könne.

Auch das AG Langenburg, Beschl. v. 25.05.2022 – 1 Cs 36 Js 543/22 reduzierte in einem Fall die Tagessatzhöhe auf 5,00 €, weil der Angeklagte nur einen reduzierten ALG-II-Satz bezog, selbst durch den Unfall verletzt sei, seinen Verteidiger bezahlen müsse und auch noch Gerichtskosten als älterer Mann zu erwarten habe.

Schon vor vielen Jahren hat LG Köln, Urteil vom 07.10.2010 – 156 Ns 49/10 dazu gemeint, „Bei Sozialhilfeempfängern oder Personen, die gleich niedrige Einkommen haben, z.B. Kleinrentnern oder Unterhaltsempfängern, wird in der Regel die schematische Anwendung des Nettoeinkommensprinzip zu einer unvertretbar starken Belastung des Täters führen, so dass ein Tagessatz festzusetzen ist, der unter dem Dreißigstel des monatlichen Nettoeinkommens liegt.“

Tagessätze können auch noch niedriger sein, in einem Fall hatte ich einen einkommenslosen Häftling vertreten, wo das Gericht das Minimum von einem Euro ansetzte. Bei obdachlosen Mandanten setzten die Gerichte zwischen 2,00 € und 5,00 € an.