Samstag 21. Mai 2016
Psychiatrische Sachverständige im Strafverfahren
Am 20. und 21.Mai 2016 besuchte ich eine Fortbildung der Strafverteidigervereinigung Berlin mit dem Thema „Psychiatrische Sachverständige“. Der psychiatrische oder psychologische Sachverständige erscheint in vielen Prozessen als unangreifbar und wird so vom Gericht behandelt und von vielen Verteidigern nicht in Frage gestellt. Gerichte nutzen dafür gerne die Formel, dass sie den überzeugenden, wissenschaftlich fundierten und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen folgen. Obwohl ich in diesem Jahr schon mit einer umfassenden Gutachtenanalyse die Auswechslung einer psychologischen Gutachterin erreicht hatte, bot sich aber auch mir in der Fortbildungsveranstaltung noch einiges Neues. Die Dozenten, der psychiatrische Sachverständige Dr.med. Alexander Böhle und die psychologische Sachverständige Frau Diplompsychologin Angelika Sommer zeigten an den zwei Tagen mögliche Fehlerquellen in Gutachten auf und berichteten auch von großen Schnitzern ihrer Kollegen. Sehr viel Augenmerk müssen Verteidiger bei der Überprüfung der Arbeitsweise der Sachverständigen einsetzen, da hier wie auch in der Falldarstellung, wie auch in der Auswertung Fehler zu finden sind. Da ist dann das Gutachten auffällig, welches ein Sachverständiger nach einem halbstündigen Gespräch erstattet hat. Bei einem akut psychotischen Patienten wäre dies nach Darstellung der Dozenten sogar denkbar, in den meisten Fällen aber ein Hinweis auf schlampige Arbeit. Erheblich komplizierter ist dann für einen Strafverteidiger die Überprüfung von testpsychologischen Untersuchungen. Hier müssen dann Daten verglichen werden und können manche Daten unterschiedlich ausgelegt werden.
Die Frage aber, ob die Gutachtenerstellung überhaupt im Interesse des Mandanten liegt, bleibt hingegen eine ureigene schwere Frage für den Verteidiger. Bei schwersten Fällen wird wohl eine Begutachtung sinnvoll sein, bei Fällen mittlerer Kriminalität könnte jedoch der Aufenthalt im Krankenhaus des Maßregelvollzuges möglicherweise länger sein als eine Haftstrafe.