Mittwoch 1. Juni 2022



Tücken der Übersetzung

Da viele Mandanten eines Strafverteidigers in Berlin einen Migrationshintergrund haben, kommt es öfter vor, dass man auf die Dienste eines Übersetzers angewiesen ist.

Es gibt eine Liste vereidigter Übersetzer, derer man sich bedienen kann oder man muss sich in Gerichtsverhandlungen auf den vom Richter ausgewählten Dolmetscher verlassen. Als eifriger Literaturkonsument waren mir schon früher Übersetzungsfehler in Büchern aufgefallen, in einer Strafgerichtsverhandlung beim Amtsgericht Tiergarten konnte ich einen solchen gerade noch verhindern. In der Regel hört man dem Beschuldigten und dem Zeugen nicht zu, sondern konzentriert sich auf die Übersetzung. Bei einer Übersetzung aus dem Englischen hörte ich diesmal aber auch dem Zeugen zu und wurde verunsichert, als die Übersetzerin „hot Drinks“ mit „warmen, bzw. heißen Getränken“ übersetzte. Ich fragte nach und die Übersetzerin meinte, damit seien dann wohl Tee und Kaffee gemeint. Ich fragte erneut nach und bat auch darum den Zeugen noch einmal zu befragen und diesmal erfolgte dann die richtige Übersetzung der „hot Drinks“ als „stark alkoholische Getränke“.

Die Arabische Sprache wird über Tausende Kilometer gesprochen, wobei sich die Dialekte wie das Ur-Berlinerische vom Nieder-Bayerischen unterscheiden. Das kann zu Übersetzungsproblemen führen, zum anderen haben aber panarabische Fernsehsender wie Al Dschasira dazu geführt, dass die Bedeutung des Hocharabisch zunimmt. Diese Fernsehsender haben ungefähr für das Hocharabische die Bedeutung wie Luther und die Gebrüder Grimm für die deutsche Sprache.

Bei einer Beiordnung eines Mandanten aus dem Raum der ehemaligen Sowjetunion stellt sich immer die Frage nach dem richtigen Übersetzer. Usbekische Staatsbürger könnten ethnische Russen sein, welche die Sprache ihres Staates nicht sprechen.

Einen kuriosen Übersetzungsfehler fand ich einmal in einem Buch, in dem ständig von Schiffen der Hauptstädteklasse gesprochen worden. Keines der Schiffe hatte eine Hauptstadt als Namen, so dass ich einmal rückübersetzte, Hauptstadt=Capitol und dann darauf kam, dass es um kapitale Schiffe ging. Der Übersetzer hatte damit einen kapitalen Bock geschossen und keinen Hauptstadtbock.

Ein erfahrener polnischer Dolmetscher erzählte mir vor kurzem über Übersetzungsfehler seiner jüngeren Kollegen, die Kuhfuß und Polenschlüssel wortwörtlich in das Polnische übersetzten. Die beiden Einbruchwerkzeuge werden aber nur im Deutschen so genannt. Er selbst hatte einmal noch rechtzeitig gemerkt, dass der Staatsanwalt in der Anklage mit Jammer nicht das Leid meinte, sondern ein englisches Wort für ein Funkstörgerät, dabei wäre auch eine Antispysoftware von dem Wort bezeichnet worden.

Die Aufgabe eines Gerichtsdolmetschers ist schwerer als die eines Buchübersetzers, da er möglichst simultan übersetzen muss und dabei noch die Schwierigkeit der juristischen Fachbegriffe hinzutritt. Ein Übersetzer erklärte mir einmal, dass er das Wort Haftprüfung mit mindestens 4 Sätzen erklären müsste, da es einen solchen Vorgang im Heimatland des Beschuldigten nicht gab.

Als Rechtsanwalt mag man zwar nicht alle Sprachen sprechen, aber man sollte recht schnell lernen, in allen Sprachen einen schlechten Übersetzer zu erkennen. Diese Dolmetscher geben sich meist dadurch zu erkennen, dass sie umfangreiche Zwiegespräche führen und selbst nachfragen, während ein guter Übersetzer sich strenger an den gesprochenen Text hält. Bei einem guten Übersetzer sinkt dadurch die Gefahr, dass eigene Wertungen und Lückenausfüllungen in die Übersetzung mit einfließen.