Freitag 1. Mai 2015



Fehlerbehafteter Journalismus

Bei der Presseberichterstattung über Gerichtsverfahren stelle ich häufig Fehler fest. In Bayern war ich nun jüngst selbst betroffen, als die Presse einen von mir erkämpften Freispruch, nachträglich zu einer moralischen Anklage gegen den Freigesprochenen nutzte.

Solche journalistischen Anklagen von unfähigen Richtern und moralisch verkommenen Verteidigern lassen sich vermutlich besser, als einen vernünftig das Urteil erklärenden Text, verkaufen und sind sicherlich auch schneller und einfacher zu schreiben.

Vielleicht fehlt den Journalisten aber auch einfach nur das Handwerkszeug und die Zeit zur Recherche. In der Berliner Zeitung ärgerte ich mich am 26.03.2015 gleich zweifach über die fehlende juristische Kompetenz der Artikelschreiber. Im ersten Artikel zu einem Berliner Fall schrieb der Journalist, dass der Täter zu einer Bewährungsstrafe von 3 Jahren verurteilt worden war. Meinen Mandanten sehe ich solche Auskünfte als Laien nach, wenn ich sie zu Vorstrafen befrage. Ein Journalist sollte aber wissen, dass man nur zu einer Bewährungsstrafe von maximal 2 Jahren verurteilt werden kann. Die Bewährungszeit kann dann regulär bis zu fünf Jahre betragen.

Im nächsten Artikel zu einem Brandenburger Fall wurde dann über den Suizid eines Autohändlers in der JVA Brandenburg berichtet, den wenige Stunden zuvor das Landgericht Potsdam zu 5 Jahren und 9 Monaten verurteilt hatte. Der Autor schrieb dazu, dass der Verurteilte noch in Berufung hätte gehen können. Auch Journalisten sollten wissen, dass Berufungen nur gegen Urteile des Amtsgerichts möglich sind. Gegen Urteile des Landgerichts ist nur die Revision möglich und eine solche Überprüfung auf Rechtsfehler hat statistisch erheblich geringere Erfolgsaussichten als eine Berufung, die faktisch eine zweite vollständige Tatsacheninstanz darstellt. Mit diesem Hintergrundwissen hätte der Journalist den Selbstmord vielleicht weniger unerklärlich gefunden.