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Donnerstag 1. April 2021


Schlafende Richter

Auch wenn mir in zehn Jahren Praxis noch kein schlafender Richter begegnet ist, so scheint er in der deutschen Rechtsprechung kein Unbekannter zu sein. Durch alle Gerichtszweige hindurch scheint es schlafende Richter zu geben und so scheint es wohl nur eine Frage der Zeit bis die ersten Doktorarbeiten über dieses Rechtsproblem verfasst werden. Die Verwaltungs- und die Finanzgerichtsbarkeit wirken besonders einschläfernd, wenn man die Zahl der ergangenen Entscheidungen betrachtet.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) war dabei sehr bemüht die Entscheidungen der Vorinstanzen aufrechtzuerhalten: Das Schließen der Augen über weite Strecken der Verhandlung und das Senken des Kopfes auf die Brust beweist allein nicht, dass der Richter schläft. Denn diese Haltung kann auch zur geistigen Entspannung oder zwecks besonderer Konzentration eingenommen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. März 1975 a.a.O.; Urteil vom 24. Januar 1986 – BVerwG 6 C 141.82 – Buchholz 310 ァ 133 VwGO Nr. 63 S. 44; BFH, Beschlüsse vom 5. Dezember 1985 und vom 17. Mai 1999 a.a.O.).

Noch aktueller war der Bundesfinanzhof am 17.Februar 2011, IV B 108/09, Denn ein Richter kann dem Vortrag während der mündlichen Verhandlung auch mit (vorübergehend) geschlossenen Augen und geneigtem Kopf folgen.

Die vom BVerwG aufgestellten Anforderungen an die Feststellung des Schlafes sind recht streng, Deshalb kann erst dann davon ausgegangen werden, dass ein Richter schläft oder in anderer Weise „abwesend“ ist, wenn andere sichere Anzeichen hinzukommen, wie beispielsweise tiefes, hörbares und gleichmäßiges Atmen oder gar Schnarchen oder ruckartiges Aufrichten mit Anzeichen von fehlender Orientierung (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 1986 a.a.O. und Beschluss vom 3. März 1975 a.a.O.; BFH, Beschluss vom 17. Mai 1999 a.a.O.)

Aber auch das Hochschrecken reicht dem BVerwG nicht, denn „Hochschrecken“ allein kann auch darauf schließen lassen, dass es sich lediglich um einen die geistige Aufnahme des wesentlichen Inhalts der mündlichen Verhandlung nicht beeinträchtigenden Sekundenschlaf gehandelt hat. Dies bestätigte es dann am 15.11.2004, BVerwG 7 B 56.04, dann am 22.05.2006 in einer weiteren Entscheidung, BVerwG 10 B 9.06 und am 19.07.2007,BVerwG 5 B 84.06.

Im Übrigen reicht die Feststellung des Schlafens allein nicht aus. Es muss noch vorgetragen werden, was während des Schlafens des Richters in der mündlichen Verhandlung passiert ist. Denn das BVerwG verlangt die geistige Anwesenheit der Richter nur bei wesentlichen Vorgängen in der mündlichen Hauptverhandlung.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 19.05.1992, 1 BvR 986/91 scheint der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht entgegenzustehen, Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Art. 103 Abs. 1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist.

Bei anderen Prozessbeteiligten gelten im Übrigen andere Maßstäbe. So entschied das OLG Hamm am 02.03.2006 in 2 Ss 47/06, dass Staatsanwälte über einen nicht unerheblichen Zeitraum fest schlafen müssten, um eine Revision zu begründen.

Am 04.Juli 2007 enthielt sich der Bundesgerichtsgerichtshof 4 StR 25/12 geschickt einer eigenen Entscheidung und begründete dies mit einem verspäteten Revisionsvortrag. Ich würde persönlich vermuten, dass der BGH im Rahmen seiner Widerspruchslösung ein Wecken des Richters fordern würde und deshalb niemals einer Revision stattgeben würde. Insgesamt scheint es in der Strafgerichtsbarkeit wenige aktuelle Entscheidungen zu geben, obwohl aus meiner Erfahrung stundenlange Telefonüberwachungen recht ermüdend sein können. Allgemein scheinen Strafverhandlungen spannender zu sein, als Verhandlungen beim Verwaltungs- oder dem Finanzgericht.


Montag 1. April 2019


Sherlock Holmes und der Columbo-Effekt

Die Kriminalistik beeinflusste immer wieder die Fiktion. Ob es nun der sehr die Öffentlichkeit nutzende Berliner Mordermittler Ernst Gennat in der Weimarer Republik war oder der heutige Leiter der Berliner Gerichtsmedizin Michael Tsokos. So wie Ernst Gennat zu seiner Zeit ist auch der Gerichtsmediziner Tsokos heute ein Medienstar. Während der Gerichtsmediziner selbst fiktional tätig ist, Bücher schreibt und im Fernsehen auftritt, ließ Ernst Gennat 1938 die erste Fernsehfahndung ausstrahlen und stand Pate für den Filmcharakter des Kriminalkommissars Karl Lohmann in den Fritz-Lang-Filmen M und das Testament des Dr. Mabuse.

Erheblich seltener wird die Kriminalistik durch die Fiktion beeinflusst. Mir sind nur zwei fiktionale Charaktere bekannt, die einen ernsthaften Beitrag zur Kriminalistik geleistet haben.

Sherlock Holmes war dabei die bedeutende Lichtgestalt, welche die reale Kriminalistik erheblich beeinflusste. Mit seiner sachlich-rationalen Herangehensweise, der Nutzung von Naturwissenschaften und Technik, dem geistigen Wettkampf begründete er faktisch die moderne Kriminalistik. Bis dahin wurde Folter zur Geständniserzwingung immer noch als probates Mittel angesehen. Die Pariser Sûreté war schon 1811 gegründet worden, gefolgt von Scotland Yard in London 1829. Obwohl beide Behörden auf dem Gebiet Kriminalistik Vorreiter waren, machte doch erst Sherlock Holmes den geistigen Wettstreit des Kriminalisten mit dem Beschuldigten in der Öffentlichkeit bekannt und akzeptabel.

Als Verteidiger muss man auch heute noch immer die Entwicklungen in der Wissenschaft und Technik verfolgen. Während bis vor wenigen Jahren Zellspuren von Zwillingspaaren von der DNA nicht unterschieden werden konnten, gibt es heute Entwicklung sie möglicherweise über Mitochondrien zu unterscheiden. Die Bedeutung von Zeugen ist heute immer noch hoch, aber heute werden auch Autos „vernommen“. Die Motorsteuerung gibt ebenso Auskunft wie ein Navigationssystem und beide weisen weniger Gedächtnislücken als menschliche Zeugen auf.

Nach Sherlock Holmes dauerte es fast 100 Jahre bis mit Inspektor Frank Columbo wieder einmal ein fiktionaler Charakter mit dem Columbo-Effekt einen Beitrag zur Kriminalistik leisten durfte. Dabei stellte sich Columbo unwissend und unkonzentriert, vermittelte dem Vernommenen ein Gefühl der Überlegenheit, wobei er sogar den Vernommenen umschmeichelte. Dadurch fühlt sich der Vernommene in Sicherheit und begeht im besten Fall Fehler und entlarvt sich vielleicht selbst. Der typische Columbo-Spruch im Türrahmen, „Eine Frage hätte ich da noch“, gehört ebenfalls zur Methode. Der Vernommene fühlt sich in Sicherheit und faktisch auf der Ziellinie und wird nun dazu gebracht ohne großes Überlegen zu antworten und dabei wieder Fehler zu begehen. Dabei ergaben sich in der Serie aus der einen Frage meist noch andere Fragen.

Es ist selten, aber kommt vor, dass man den Columbo-Effekt im Gerichtssaal als Verteidiger anwenden kann. In der Regel sind die Vernommenen aber schon durch die Atmosphäre des Gerichts vorgewarnt. Für Staatsanwälte und Richter bietet sich die Methode noch weniger an, weil sie schwerer Unwissenheit simulieren können und bei verteidigten Angeklagten die Methode sowieso ausgeschlossen ist. Besonders egozentrische und eitle Zeugen haben mir aber schon einige Male die Möglichkeit gegeben erfolgreich auf den Spuren von Frank Columbo zu wandeln.


Samstag 15. Oktober 2016


Sexuelle Belästigung in der virtuellen Realität

Die virtuelle Realität als Raum für Sexualstraftaten hatte ich bis zu einer Nachfrage eines Journalisten noch nicht auf dem Schirm gehabt.

Der Fall war eine Frau, die sich dadurch verletzt fühlte, dass ihr „Avatar“ in einem Spiel der Social Virtual Reality „unsittlich“ an der Brust berührt worden sei. Diese Presseanfrage erschien mir deshalb erst einmal skurril, aber eine kleine Recherche durch die Rechtsliteratur und das Internet zeigte schnell die Bedeutung dieser Frage für die Zukunft.

Eine sexualstrafrechtliche Ahndung wird es nach meiner Einschätzung nicht geben, da hier die virtuelle Realität sich von der realen Welt unterscheidet. Angefasst und vermeintlich „unsittlich“ berührt, wurde der Avatar und nicht deren Benutzerin. Andernfalls könnte man diese bizarren Vorstellungen noch weiterspinnen und würde dann virtuelle Tötungen vielleicht mit virtuellem Gefängnis bestrafen.

Auch gegenüber der Überlegung eine Beleidigung nach § 185 StGB als Auffangtatbestand zu betrachten, bin ich wegen der fehlenden Verbindung von der virtuellen Realität zur wirklichen Welt sehr skeptisch.

Nicht vergleichbar ist dieser Fall mit Beleidigungen und Volksverhetzung in Chatrooms, Kommentaren zu Artikeln und ähnlichen, weil hier nun klar der Vorsatz zu sehen ist, eine reale Person zu beleidigen. In diesen Fällen ist das Internet nur ein Medium, wie Papier oder das gesprochene Wort. Kinder wiederum sind im Internet durch § 176 StGB vor „pornographischen Reden“ geschützt.


Sonntag 15. November 2015


Kreislaufwirtschaft

Das Landeskriminalamt Brandenburg bot vor einiger Zeit bei dem Auktionsportal www.zollauktion.de mehrere Blütelampen mit 400 Watt aus einer Beschlagnahme an.

Für Blumenzüchter sind diese Lampen genauso sinnvoll, wie für Cannabiszüchter.

Wenn diese Lampen nun vielleicht von Cannabispflanzern gekauft werden, wiederholt sich damit der Kreislauf des Lebens.

Für das LKA bietet sich damit auch die seltene Gelegenheit im Geschäftsleben die gleichen Dinge mehrfach verkaufen zu können, ohne sie selbst einmal kaufen zu müssen. Aber letztendlich sichern die Polizisten nicht nur ihre Arbeitsplätze, sondern auch die von Staatsanwälten, Richtern und Rechtsanwälten.

An dieser Stelle also ein klares „Danke“ an das LKA Brandenburg.


Dienstag 1. September 2015


Selbstbezeichnungen von dritter Person bis Pluralis Majestatis

Wenn ich fremde Anwaltsschriftsätze lese, fällt mir immer auf, dass viele meiner Berufskollegen in der dritten Person von sich reden.

Da heißt es dann nicht, „Ich meine“, sondern „der Unterzeichner meint“, auch ist „der Verfasser der Ansicht, dass….“ Andere Anwälte sprechen von sich als „der Unterschreibende“ bis zu der „Letztzeichner“. Ein Anwalt verwendete sogar als Einzelanwalt den Pluralis Majestatis und schrieb „Wir“, womit er sich und seine Kanzlei meinte.

Bisher unbekannt war mir bis zum Schriftsatz einer Kollegin die Bezeichnung, „Die Unterfertigte“, wobei ich immer noch davon ausgehe, dass sie „die Unterfertigende“ meinte. Im Ergebnis klang aber sehr nach „die Überforderte“.


Freitag 15. Mai 2015


Wertbestimmung im Strafrecht

Die Probleme bei der Wertbestimmung im Strafrecht zeigten sich zuletzt in der Presseberichterstattung über eine „Vorteilsnahme“ einer Berliner Lehrerin. Die Lehrerin war von ihrer Abschlussklasse mit einer Statue nach Loriot „Die Badenden“ beschenkt worden. Die Statue hatte im Handel rund 180,00 € gekostet. Die Lehrerin wurde wegen Vorteilsnahme angezeigt, da das Geschenk oberhalb der in Berlin erlaubten 10,00 € lag. Da spielte es keine Rolle, dass jeder der Schüler weniger als zehn Euro bezahlt hatte. Letztendlich erhielt sie einen Strafbefehl von 4.000,00 €. Bei einer Asservatenversteigerung der Berliner Justiz brachte die Statue dann nur umgerechnet 12,00 €, faktisch wurde sie mit anderem Krimskrams für zusammen knapp 15,00 € verkauft. An dieser Stelle stellt sich dann die Frage, was das Geschenk wert war. Die Staatsanwaltschaft Berlin ging vom Endverkaufspreis aus. Für einen Verteidiger zeigt dieser Fall, dass man Wertbestimmungen im Strafrecht immer kritisch hinterfragen sollte.
Die Wertbestimmung im Zivilrecht ist nachvollziehbarer als im Strafrecht, da für die Streitparteien der Streitgegenstand in der Regel immer einen bestimmten Wert hat.

Im Strafrecht ist dies weniger einfach und die Justiz geht teilweise regellos vor. Bei der Wertbemessung von Rauschgift wird der Wert bei der Strafzumessung äußerst großzügig gehandhabt. Die Gerichte nehmen einen oft überhöhten Straßenverkaufspreis an und übersehen, dass Zahlungsausfälle und Verluste von Teilmengen für jeden Dealer zum Leben gehören. Einem Verteidigerkollegen, der seine Gebühren bei der Einziehungsfrage entsprechend ansetzte, wurde wiederum von der Justiz bescheinigt, dass Rauschgift als verbotenes Gut hier keinerlei Wert habe.

Auch bei Sachdiebstählen stellt sich oft die Frage nach dem Wert. Ist es der Einzelhandelsverkaufspreis oder nur der Einkaufspreis, den der Handel bei der Wiederbeschaffung zahlen muss.

Für die oben genannte Lehrerin war der Wert der Statue klar, es waren 4.000,00 €, die sie an die Justizkasse des Landes Berlin zu zahlen hatte. Zusätzlich bitter war für sie sicher noch, dass man nach ihrem Fall die entsprechenden Regelungen für Lehrer zu Geschenken anpasste und dass Berliner Abgeordnete ohne Probleme zur gleichen Zeit mehrere dieser Statuen als Geschenk hätten annehmen dürfen.


Mittwoch 1. April 2015


Abkürzungswahn bei der Brandenburger Polizei

„SG 1 im KKI im PI HVL“, so und so ähnlich lauten Behördenbezeichnungen der Brandenburger Polizei. Nun könnte man zuerst vermuten, dass Humoristen sich in den Behördenapparat eingeschleust haben, um ihn von innen zu zersetzen. Dies soll aber nicht der Fall sein, sondern diese Konstrukte sind echte Geschöpfe einer aus dem Ruder gelaufenen Bürokratie. Wobei Bürokratien immer den Vorteil und Nachteil haben, sich an Regeln und Gesetze zu halten, was hier inkonsequent nicht der Fall ist. Denn hier wird generell die Regel missachtet, dass man nicht im Allgemeingebrauch befindliche Abkürzungen zumindest an einer Stelle im Text erklären sollte.

Bei Schreiben bei der Brandenburger Polizei ist der Abkürzungswahn leider nur eine Schwierigkeit. Eine weitere Hürde ist es schon Platz genug für die Adresse zu finden, die so lauten könnte:

                Land Brandenburg

                Polizeipräsidium

                Polizeidirektion West

                SG 1 im KKI im PI HVL

                Straße

                PLZ Ort

Sollte man jetzt noch einen Bearbeiter im Adressfeld eintragen, dürfte es mit dem Fensterbriefumschlag schon schwierig werden. Die oberen zwei Adresszeilen dienen wohl eher der Befriedigung des Egos der Führungsebene. Die dritte Zeile wäre auch nicht notwendig, wenn der Postbote aus den Abkürzungen erkennen könnte, dass er das Schreiben bei einer Polizeieinrichtung abliefern soll. Da dies aber nicht der Fall ist, sollte man die dritte Zeile zur Sicherheit doch belassen, auch wenn man in den meisten Fällen die Post gerade nicht zur Polizeidirektion schickt.


Dienstag 1. April 2014


Gelungene Kriminalprävention

Als Strafverteidiger in Berlin gilt man bei vielen oft als Feind des Rechtsstaates und Helfershelfer der Kriminalität. Ein guter Strafverteidiger ignoriert solche Ansichten, da es meist doch keinen Sinn hat, dagegen anzureden. Bei den gleichen Leuten gelten Polizisten aber als die Guten. An dieser Stelle erlaube ich mir eine wahre Anekdote aus meinem Heimatbezirk Marzahn-Hellersdorf zum Besten zu geben.

Eine Wohnungsbaugesellschaft hatte von ihren Mietern immer mehr Beschwerden über zunehmende Diebstähle und Vandalismus bei Fahrrädern, aber auch Motorrädern und Motorrollern erhalten. Die Wohnungsbaugesellschaft entschloss sich zu handeln und errichtete auf einem Teil ihres Parkplatzes einen umzäunten und verschließbaren Abstellplatz für Zweiräder. In der Folge war die Gesellschaft stolz auf das Erreichte und die Mieter froh über unmöglich gemachte Diebstähle.

Überrascht waren dann beide, als plötzlich um den Stellplatz herum die Straßenbeleuchtung abgestellt wurde und Dunkelheit herrschte. Dieses Arbeitsbeschaffungsprogramm für Diebe begründeten Polizei und Kommunalverwaltung damit, dass durch die Umzäunung des Parkplatzes nun keine Öffentliche Nutzung mehr gegeben sei. Natürlich hatten die Bürokraten formell recht, aber die Entscheidung traf bei Mietern und Wohnungsbaugesellschaft verständlicherweise nur auf Unverständnis. Die Wohnungsbaugesellschaft hätte die Lampen selbst gern übernommen und die Stromkosten und Wartung bezahlt. Aber hier war die Bürokratie einmal schnell und schuf durch Abbruch Tatsachen. Insgesamt ordnet sich diese eher satirische Entscheidung aber in ein Muster ein, wonach man in Deutschland die Kriminalprävention flächendeckend herunterfährt und sich nur noch auf Repression konzentriert.


Montag 1. April 2013


Iudex non calculat

„Der Richter rechnet nicht.“, meint, dass der Richter keine Argumente zählt, sondern nach ihrer Überzeugungskraft abwägt. Qualität geht also vor Quantität. Historisch ließ sich aus den Pandekten, bzw. Digesten lesen, dass offenbare Rechenfehler im Urteil nicht schaden würden und ohne weiteres berichtigt werden dürfen. Diese Aussage findet sich heute noch in § 319 Abs. 1 ZPO, wonach Rechenfehler ohne weiteres von Amts wegen durch das Gericht zu berichtigen sind. Dies erfolgt nach § 319 Abs. 2 ZPO durch Beschluss.

Scherzhaft wird Iudex non calculat auch als „Der Richter (oder allgemein der Jurist) kann nicht rechnen.“, übersetzt. Einen weiteren Beweis für diese These lieferte dafür jüngst das Bundesarbeitsgericht mit seinem Urteil vom 15.12.2011, 7 AZR 394/10. In diesem Urteil schrieb das BAG über die Erhöhung der Arbeitszeit um 4/8. Vielleicht hat es mit der Bedeutung des BAG als höchste Instanz in der Arbeitsgerichtsbarkeit zu tun, dass es aus den 4/8 nicht 1/2 gemacht hat. Es mag ungeschriebene Formvorschriften geben, dass Arbeitsgerichte zu 1/2 anrechnen, Landesarbeitsgerichte zu 2/4 und das Bundesarbeitsgericht regelmäßig zu 4/8. Wenn es in diesem Verfahren noch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegeben hätte, würden wir nun vielleicht eine Anrechnung zu 8/16 lesen.

Bei den fünf Bundesrichtern des Senats mag das Abitur schon längere Zeit her sein, aber Bundesrichter verfügen auch noch über wissenschaftliche Mitarbeiter, ebenfalls Richter. Vielleicht ging es den Bundesrichtern aber auch nicht um die Wirksamkeit einer befristeten Erhöhung der Arbeitszeit, sondern um eine Verdeutlichung des Lehrsatzes „iudex non calculat“.