Montag 1. April 2013



Iudex non calculat

„Der Richter rechnet nicht.“, meint, dass der Richter keine Argumente zählt, sondern nach ihrer Überzeugungskraft abwägt. Qualität geht also vor Quantität. Historisch ließ sich aus den Pandekten, bzw. Digesten lesen, dass offenbare Rechenfehler im Urteil nicht schaden würden und ohne weiteres berichtigt werden dürfen. Diese Aussage findet sich heute noch in § 319 Abs. 1 ZPO, wonach Rechenfehler ohne weiteres von Amts wegen durch das Gericht zu berichtigen sind. Dies erfolgt nach § 319 Abs. 2 ZPO durch Beschluss.

Scherzhaft wird Iudex non calculat auch als „Der Richter (oder allgemein der Jurist) kann nicht rechnen.“, übersetzt. Einen weiteren Beweis für diese These lieferte dafür jüngst das Bundesarbeitsgericht mit seinem Urteil vom 15.12.2011, 7 AZR 394/10. In diesem Urteil schrieb das BAG über die Erhöhung der Arbeitszeit um 4/8. Vielleicht hat es mit der Bedeutung des BAG als höchste Instanz in der Arbeitsgerichtsbarkeit zu tun, dass es aus den 4/8 nicht 1/2 gemacht hat. Es mag ungeschriebene Formvorschriften geben, dass Arbeitsgerichte zu 1/2 anrechnen, Landesarbeitsgerichte zu 2/4 und das Bundesarbeitsgericht regelmäßig zu 4/8. Wenn es in diesem Verfahren noch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegeben hätte, würden wir nun vielleicht eine Anrechnung zu 8/16 lesen.

Bei den fünf Bundesrichtern des Senats mag das Abitur schon längere Zeit her sein, aber Bundesrichter verfügen auch noch über wissenschaftliche Mitarbeiter, ebenfalls Richter. Vielleicht ging es den Bundesrichtern aber auch nicht um die Wirksamkeit einer befristeten Erhöhung der Arbeitszeit, sondern um eine Verdeutlichung des Lehrsatzes „iudex non calculat“.