Mittwoch 15. August 2012
Das Werkzeug des Jugendrichters und die Einflussmöglichkeiten des Verteidigers im Jugendstrafrecht
Bei Anwendung von Jugendstrafrecht steht der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Die Rechtsfolgen der Straftat bestimmen sich nach § 5 JGG, worunter Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel und Jugendstrafe fallen. Die Sanktionsbreite des Jugendstrafrechts ist erheblich weiter als das allgemeine Strafrecht und auch wenn mit zehn Jahren Jugendstrafe eine Begrenzung nach oben existiert, können die Sanktionen in manchen Fällen härter als im allgemeinen Strafrecht sein.
Erziehungsmaßregeln, § 9 JGG
Erziehungsmaßregeln sind ein Mittel mit einem sehr hohen erzieherischen Anteil und einem geringen Strafpotential.
Weisungen, § 10 JGG
Weisungen sind Gebote und Verbote, welche die Lebensführung des Jugendlichen regeln und seine Erziehung fördern sollen. Darunter fallen unter anderem Weisungen zum Aufenthaltsort, eine Weisung zum Schulbesuch, zur Annahme von Ausbildungsstellen, der Unterstellung unter einen Betreuungshelfer und auch die Weisung an sozialen Trainingskursen teilzunehmen. Bei Zuwiderhandlung kann der Jugendrichter bis zu vier Wochen Beugearrest verhängen.
Hilfe zur Erziehung, § 12 JGG
Nach Anhörung des Jugendamtes kann der Richter dem Jugendlichen auferlegen Hilfen zur Erziehung anzunehmen, wie eine Erziehungsbeistandschaft oder die Unterbringung in Jugendeinrichtungen.
Zuchtmittel, § 13 JGG
Wenn Jugendstrafe noch nicht geboten ist, aber Weisungen nicht mehr ausreichen, wird der Richter zu den Zuchtmitteln greifen, um dem Jugendlichen eindringlich zum Bewusstsein zu bringen, dass er für sein begangenes Unrecht einzustehen hat.
Verwarnung, § 14 JGG
Die Verwarnung stellt das geringste Zuchtmittel dar, sie erweist sich aber in den meisten Fällen doch als ausreichend.
Erteilung von Auflagen, § 15 JGG
Der Richter kann dem Jugendlichen auch Auflagen erteilen, wie Freizeitarbeiten, Geldauflagen oder Wiedergutmachung. Der Verurteilte wird mit der Androhung von Beugearrest von bis zu 4 Wochen zur Erfüllung der Auflagen angehalten. In meiner praktischen Tätigkeit muss ich immer wieder mit Erstaunen feststellen, dass manche Jugendliche es auf den Beugearrest ankommen lassen. Das Entsetzen ist dann immer groß, wenn sich die Stahltore für Wochen hinter ihnen schließen. Auch nach Jahren ärgere ich mich noch regelmäßig über diese vermeidbaren Aufenthalte in der Jugendarrestanstalt, aber diese Entscheidung liegt dann ganz in der Hand der Jugendlichen.
Jugendarrest, § 16 JGG
Der Jugendarrest kann als Freizeitarrest meist von Freitag bis Sonntag, als Kurzarrest oder als Dauerarrest von einer bis zu 4 Wochen verhängt werden. In diesem Punkt ist das Jugendstrafrecht schärfer als das allgemeine Strafrecht, wo nach § 47 Strafprozessordnung (StPO) kurze Freiheitsstrafen nur in Ausnahmefällen verhängt werden dürfen und sonst die Geldstrafe vorrangig anzuwenden ist.
Jugendstrafe, § 17 JGG
Die Jugendstrafe ist die härteste Sanktion des Jugendstrafrechts und ist derzeit auf zehn Jahre begrenzt.
Dauer der Jugendstrafe, § 18 JGG
Das Mindestmaß der Jugendstrafe beträgt sechs Monate, das Höchstmaß fünf Jahre. Wenn das allgemeine Strafrecht eine Höchststrafe von mehr als fünf Jahren androht, dann können bis zu zehn Jahre Jugendstrafe verhängt werden.
Strafaussetzung zur Bewährung, § 21 JGG
Die Jugendstrafe kann zur Bewährung ausgesetzt werden.
Strafaussetzung der Jugendstrafe, § 27 JGG
Eine Besonderheit des Jugendstrafrechts ist § 27 JGG, wonach der Jugendrichter die Entscheidung über die Verhängung der Jugendstrafe über eine von ihm zu bestimmende Bewährungszeit aussetzen kann. Er stellt also die Schuld fest und entscheidet aber zum Beispiel erst 6 Monate später, ob er eine Jugendstrafe verhängt. Für den Jugendlichen ist dies dann die letzte Chance sich zu bewähren.
Entscheidung über Aussetzung zur Bewährung, § 57 JGG
Eine weitere Besonderheit ist § 57 JGG, wonach der Jugendrichter auch die Entscheidung über die Bewährung zurückstellen kann. Nach meiner Erfahrung stellen die §§ 27 und 57 JGG eine sehr starke Motivation für einen Verurteilten dar und für den erfahrenen Verteidiger im Jugendstrafrecht die letzte Chance um seinen Mandanten vor einer Jugendstrafe zu bewahren. Ich habe dabei die Erfahrung gemacht, dass Anwälte aus anderen Rechtsgebieten diese Vorschriften nicht kannten, was sich für ihre Mandanten negativ auswirkte.
So wie der Werkzeugkasten des Jugendrichters vielfältig ist, so sollte auch der als Verteidiger von Jugendlichen tätige Rechtsanwalt die Möglichkeiten kennen, um für seinen Mandanten die günstigste Lösung zu finden. Gerade in kritischen Fällen wird der erfahrene Verteidiger in Jugendverfahren frühzeitig das Gespräch mit der Jugendgerichtshilfe und dem Gericht suchen und versuchen Überzeugungsarbeit zu leisten. Dies erst in der Verhandlung zu versuchen, könnte sich manchmal als zu spät erweisen.
Zu Neuregelungen im Jugendstrafrecht finden Sie weitere Informationen in diesem Artikel https://straf-kanzlei.de/neuregelungen-im-jugendstrafrecht-ab-01-09-2012/ .