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Sonntag 1. November 2015


Voraussetzungen der Untersuchungshaft

Die Untersuchungshaft wird umgangssprachlich als U-Haft abgekürzt und diese Abkürzung ist eine der wenigen Abkürzungen im Justizbereich, die auch jedem Laien bekannt ist. Vieles andere scheint aber nicht bekannt zu sein, insbesondere Politikern und der Presse. In der Zeitung liest man dann auch immer wieder, „Skandal – Ermittlungsrichter lässt jugendlichen Räuber wieder frei“ oder Politiker fordern, „Wir erwarten von der Justiz jetzt das Zeichen, dass diese Brandstifter in U-Haft kommen.“

Solche falschen Erwartungen sind für den Strafjuristen schwer nachvollziehbar, da er die gesetzlichen Voraussetzungen der Untersuchungshaft in §§ 112ff. StPO kennt.

Copyright Malte Höpfner, Strafverteidiger, Fachanwalt für Strafrecht, Untersuchungshaft

Ermittlungsrichtersaal im Amtsgericht Tiergarten – Copyright Malte Höpfner

Ein dringender Tatverdacht muss bestehen und dieser liegt dann vor, wenn eine hohe Verurteilungswahrscheinlichkeit besteht.

Die zweite Voraussetzung ist der Haftgrund und das sind in Deutschland nur Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr und Wiederholungsgefahr.

Eine Fluchtgefahr liegt, wenn die zu erwartende Strafe einen Fluchtanreiz bietet und die persönlichen Umstände diese nicht widerlegen. Da die Abwägung umfassend zu erfolgen hat, mag bei dem einen Beschuldigten schon eine U-Haft bei einer mehrmonatigen Freiheitsstrafe verhängt werden, während ein anderer bei einer zu erwartenden Strafe von 4 Jahren noch nicht in die U-Haft kommt. Die Fluchtgefahr ist der häufigste von Ermittlungsrichtern angewendete Haftgrund.

Die Verdunkelungsgefahr liegt vor, wenn der Beschuldigte davon abgehalten werden soll, Beweismittel zu vernichten oder zu verändern, wobei auch Zeugen Beweismittel in diesem Sinne sind. Sobald die Beweissicherung aber abgeschlossen ist, entfällt die Verdunkelungsgefahr.

Sowohl Fluchtgefahr und Verdunkelungsgefahr lassen den Zweck der U-Haft erkennen und das ist die Sicherung des Verfahrens. Die Hauptverhandlung soll nicht deshalb entfallen, weil der Beschuldigte geflohen ist oder Beweismittel vernichtet hat.

Deshalb ist der Haftgrund Wiederholungsgefahr auch nur nachrangig, er soll Serientäter von weiteren Straftaten abhalten.

Bei dem oben genannten jugendlichen Räuber erschien der jugendliche Beschuldigte pünktlich zum Gerichtstermin, womit sich die Prognoseentscheidung des Ermittlungsrichters als richtig gezeigt hatte, darüber berichtete nun aber keine Zeitung.

Bei Aufforderungen von Politikern an Ermittlungsrichter „Zeichen zu setzen“ handelt es sich meiner Ansicht nach, klar um eine Aufforderung eine strafbare Rechtsbeugung zu begehen. Die Justiz darf Zeichen setzen und Abschreckung in ihren Urteilen betreiben, die Forderungen der Politiker hingegen greifen die Unschuldsvermutung an. Da soll dann ein möglicherweise Unschuldiger zu Unrecht in die U-Haft kommen, um damit politische Botschaften zu senden.

Nach der Prüfung der Haftgründe muss der Ermittlungsrichter die Verhältnismäßigkeit prüfen. Wenn die Straferwartung nur bei sechzig Tagessätzen liegt, wäre eine viermonatige Untersuchungshaft wohl falsch. Bei Bagatelldelikten wird der Richter im Übrigen besonders genau die Verhältnismäßigkeit von U-Haft abwägen. Das gleiche gilt, wenn die Justiz zu zügigen Verhandlungen nicht in der Lage ist. Wenn durch Auflagen die Fluchtgefahr abgewendet werden kann, so kann die Untersuchungshaft zumindest außer Vollzug gesetzt werden. Die am meisten gebräuchliche Auflage in Deutschland ist die Meldeauflage bei der Polizei, bei Beschuldigten mit Auslandsbezug werden die Pässe eingezogen. Anders als in den USA findet in Deutschland die Sicherheitsleistung durch Geld, die Kaution, nur selten Anwendung und die Summen sind meist erheblich niedriger.

Wenn ein Angeklagter trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zur Hauptverhandlung erscheint, kann gemäß § 230 Abs. 2 StPO ein Haftbefehl erlassen werden, was eine Sonderform der U-Haft darstellt.


Montag 15. Juni 2015


Mengenbegriffe im Betäubungsmittelgesetz

Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) kennt drei verschiedene Mengenbegriffe. Die drei Mengenbegriffe „geringe Menge“, „normale Menge“ oder auch „einfache Menge“ genannt und die nicht geringe Menge führen zu unterschiedlichen Strafrahmen.

1. Bei der geringen Menge kann von der Verfolgung abgesehen werden. Anders als vielfach in der Gesellschaft vermutet, liegt jedoch kein strafloses Tun, sondern Staatsanwaltschaft und Gericht können von der Strafverfolgung absehen. Das kann bei Eigenverbrauch der Fall sein, wenn keine Fremdgefährdung vorliegt. Eine solche wird in „geschützten“ Räumen angenommen, wozu man Justizvollzugsanstalten, Kasernen, Schulen oder auch Drogenrehabilitationseinrichtungen zählt.

Die Abgabe auch von geringen Mengen an Drogen durch Erwachsene an Minderjährige wird jedoch als Verbrechen, mit einer Mindeststrafe von einem Jahr gewertet, § 29a Abs. 1 BtMG.
Ein Drogendealer, der heute nur geringe Mengen bei sich führt, wird nach einer mehrfachen Festnahme sicherlich auch nicht mehr mit einer Einstellung rechnen können. Da funktioniert die allgemeine Taktik, das Geschäft in Verkäufer, Läufer und Bunker aufzuteilen und den Läufer nur mit Kleinstmengen auszustatten, nur begrenzt.

Die geringe Menge unterscheidet sich von Droge zu Droge und von Bundesland zu Bundesland. In der Regel geht die Justiz aber von 3 Konsumeinheiten aus. Die Konsumeinheit wird bei Marihuana mit 2 Gramm angesetzt, so dass man auf eine Freigrenze von 6 Gramm kommt. Die geringe Menge von 6 Gramm ist der Standard in den Bundesländern. Mecklenburg weicht mit 5 Gramm davon nach unten ab, während Berlin zwischen 10 und 15 Gramm ansetzt. Die abweichende Berliner Regelung verstößt zwar gegen das Grundgesetz und Völkerrecht, aber hier wird man als Verteidiger sicher nicht protestieren.

Bei anderen Drogen gibt es teils formelle Regelungen und auch informelle Regelungen. Bei Heroin kann bis 1 Gramm eine Einstellung erfolgen, während Kokain in manchen Ländern von 1-3 Gramm eingestellt wird. Bei Ecstasy wird je nach Bundesland das Verfahren bei 3-20 Tabletten eingestellt.

Der Konsument sollte aber auch wissen, dass die Polizei auch geringe Mengen von Drogen beschlagnahmen wird und dass beim Führen eines Fahrzeugs auch noch andere Straftatbestände in Betracht kommen können.

2. Die „normale“ oder auch „einfache“ Menge ist im Gesetz nicht eindeutig geregelt, aber ergibt sich nach dem Ausschlussverfahren. Es handelt sich um eine Menge, die größer ist als die geringe Menge und aber auch kleiner als die „nicht geringe Menge“.

3. Die „nicht geringe Menge“ ist höher als die normale Menge. Im Schnitt kann man sagen, dass die nicht geringe Menge beim zehnfachen der geringen Menge beginnt. Korrekt gibt es aber für jede Droge festgesetzte Grenzwerte, die sich im Übrigen auf die Substanz und nicht auf die Bruttomenge beziehen. Hundert Gramm Kokaingemisch mit einem Substanzgehalt von 1 Prozent reinen Kokain und 99 Prozent Milchpulver sind also weniger als zehn Gramm Kokaingemisch mit einem Reinheitsgrad von 50 Prozent.

So hatte ich ein Verfahren, wo die Angeklagten zwar zuerst sauer auf ihren Lieferanten wegen des verschnittenen Stoffes waren, sich dies aber nach ihrer Festnahme sehr schnell änderte, als das durch die Staatsanwalt in Auftrag gegebene Gutachten bestätigte, dass das beschlagnahmte Amphetamin nur zwischen 3-4 Prozent Amphetaminbase aufwies. Die schlechte Qualität kam ihnen nun im Strafprozess zu Gute.


Montag 1. Juni 2015


Unter Strom

Auch wenn Strafverteidiger unter Strom stehen mögen, benötigen unsere Notebooks im Gerichtssaal Elektrizität aus einer herkömmlichen Steckdose. Und hier stellt man dann schnell fest, dass die Justiz entweder geistig noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen ist oder ein Problem mit der Herstellung von Waffengleichheit hat.

In einem Zivilprozess sind die Probleme wegen der kürzeren Verhandlungen vermutlich noch verschmerzbar, aber eine Verhandlung vor einem Strafgericht läuft gern schon einmal mehr als fünf Stunden und auch acht Stunden sind keine Seltenheit. Hier versagt dann jeder Akku und man ist auf eine stationäre Stromversorgung angewiesen.

In einem Verfahren in einem alten Berliner Gerichtssaal mussten ein Kollege und ich uns eine Steckdose teilen und luden unsere Notebooks nun abwechselnd. Der Verteidigerkollege zeigte mir dann auch noch stolz seinen Ersatzakku, bzw. das Powerpack und stellte dann enttäuscht fest, dass sein Büropersonal am Vortag vergessen hatte, den Akku zu laden. In anderen Verfahren verteilten sich die Verteidiger nach den notwendigen Abständen zu den Steckdosen im Gerichtssaal, während mir manchmal Justizwachtmeister, Protokollanten und Richter halfen, mein Notebook an eine Steckdose auf der Richterbank anzuschließen.

In einem Verfahren schlug ein Staatsanwalt auf eine Beschwerde von Verteidigern vor, dass wir doch mit Verlängerungskabeln kommen sollte, worauf ihm ein Kollege erwiderte, dass wir ja alternativ auch benzinbetriebene Generatoren oder ganze Kabeltrommeln mitbringen könnten. Ein Justizwachtmeister wies bei der Diskussion im Gerichtssaal dann darauf hin, dass wild verlegte Stromkabel von Verteidigern als Stolperfallen schon Zeugen zu Boden geschickt hätten. Staatsanwälte stellen auch oft die Frage in den Raum, ob Verteidiger überhaupt vom Strom aus den Steckdosen der Justiz legal konsumieren dürfen. Staatsanwälte übersehen dabei, dass sie selbst nicht dem Gericht angehören und dass für sie ebenfalls keine Regelung galt.

Ich sprach einen zivilrechtlichen Kollegen, der auch Abgeordneter in Berlin ist, auf das Problem an. Der praxiskundige Kollege startete eine Anfrage im Abgeordnetenhaus an den Senat von Berlin. Für Berlin erklärte die Senatsjustizverwaltung, dass der Strom für die technischen Geräte von Verteidigern entsprechend mangels anderer Regelungen im Gerichtskostengesetz kostenlos sei. Auch kündigte man dann an, dass im Kriminalgericht der Einbau von Steckdosen an den Plätzen der Verteidiger beginnen würde.

Während ich nun in einigen Sälen zufrieden die Erfolge meines Bemühens beobachten konnte, gab es in anderen Sälen durch die Justizverwaltung vorgeschobene Bedenken wegen des Denkmalschutzes. Dabei wären Steckdosen gerade an den Sitzplätzen der Verteidiger in den historischen Sälen problemlos mit einem schon vorhandenen Sichtschutz einzurichten.

Während die Bundesregierung schon die Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen plant, scheitert die Umsetzung auf Länderebene schon an solchen Kleinigkeiten wie ausreichend Steckdosen in Gerichtssälen.

In den Justizvollzugsanstalten hinkt man selbst den Gerichten noch hinterher. Hier scheint es bundesweit noch kein Konzept zu geben, wie man den Gefangenen ermöglicht, vom Akteninhalt Kenntnis zu nehmen und ihre Verteidigung vorzubereiten. Ganze Kopienbände scheiden in Großverfahren, zum einen wegen des Brandschutzes in den Zellen, als auch wegen der fehlenden Praktikabilität, aus. Die Lösung wird hier sein, dass die Justizvollzugsanstalten, im Bios gegen unerlaubte Nutzungen gesicherte, Notebooks den Gefangenen zur Verfügung stellen.


Freitag 1. Mai 2015


Fehlerbehafteter Journalismus

Bei der Presseberichterstattung über Gerichtsverfahren stelle ich häufig Fehler fest. In Bayern war ich nun jüngst selbst betroffen, als die Presse einen von mir erkämpften Freispruch, nachträglich zu einer moralischen Anklage gegen den Freigesprochenen nutzte.

Solche journalistischen Anklagen von unfähigen Richtern und moralisch verkommenen Verteidigern lassen sich vermutlich besser, als einen vernünftig das Urteil erklärenden Text, verkaufen und sind sicherlich auch schneller und einfacher zu schreiben.

Vielleicht fehlt den Journalisten aber auch einfach nur das Handwerkszeug und die Zeit zur Recherche. In der Berliner Zeitung ärgerte ich mich am 26.03.2015 gleich zweifach über die fehlende juristische Kompetenz der Artikelschreiber. Im ersten Artikel zu einem Berliner Fall schrieb der Journalist, dass der Täter zu einer Bewährungsstrafe von 3 Jahren verurteilt worden war. Meinen Mandanten sehe ich solche Auskünfte als Laien nach, wenn ich sie zu Vorstrafen befrage. Ein Journalist sollte aber wissen, dass man nur zu einer Bewährungsstrafe von maximal 2 Jahren verurteilt werden kann. Die Bewährungszeit kann dann regulär bis zu fünf Jahre betragen.

Im nächsten Artikel zu einem Brandenburger Fall wurde dann über den Suizid eines Autohändlers in der JVA Brandenburg berichtet, den wenige Stunden zuvor das Landgericht Potsdam zu 5 Jahren und 9 Monaten verurteilt hatte. Der Autor schrieb dazu, dass der Verurteilte noch in Berufung hätte gehen können. Auch Journalisten sollten wissen, dass Berufungen nur gegen Urteile des Amtsgerichts möglich sind. Gegen Urteile des Landgerichts ist nur die Revision möglich und eine solche Überprüfung auf Rechtsfehler hat statistisch erheblich geringere Erfolgsaussichten als eine Berufung, die faktisch eine zweite vollständige Tatsacheninstanz darstellt. Mit diesem Hintergrundwissen hätte der Journalist den Selbstmord vielleicht weniger unerklärlich gefunden.


Freitag 7. November 2014


Rockerprozess in Moabit behindert Verteidigung in anderen Verfahren

Wieder einmal war der Zugang zum inhaftierten Mandanten vor und nach einer Verhandlung Thema für mich geworden. Am 07.11.2014 fand im Kriminalgericht Moabit vor einer Strafkammer des Landgerichts ein Prozess gegen Rocker der Hells Angels unter erhöhten Sicherheitsbedingungen statt. Aus Angst vor Gefangenenbefreiungen, wegen einem im Zeugenschutzprogramm befindlichen Angeklagten und Trennungsanweisungen für andere Angeklagte sperrte man den Vorführzellenbereich an den Tagen dieses Prozesses für Verteidiger.

Ich bespreche mich vor und nach einer Verhandlung mit den inhaftierten Mandanten im Vorführzellenbereich, so wie ich umfangreiche Vor- und Nachbesprechungen mit den nicht inhaftierten Mandanten vor dem Saal durchführe. Nach den früheren großen Besprechungen in der Kanzlei oder in der Haftanstalt kann man so noch schnell aktuelle Probleme besprechen und wirkt auch noch beruhigend auf Mandanten.

Nachdem ich schon vor kurzem ein ähnliches Problem mit dem Zugang zu einem polizeilich vorgeführten Angeklagten erfolgreich mit dem Präsidium des Amtsgericht Tiergarten durchgekämpft hatte, wendete ich mich diesmal gleich an den Sicherheitschef des Kriminalgerichts und klärte mit ihm, dass ich mein verfassungsrechtlich hergeleitetes Recht als Verteidiger auf Zugang zum Mandanten wahrnehmen konnte. Nach einem Anruf bei den Justizwachtmeistern durch den Sicherheitschef konnte ich nun doch runter in die Katakomben des Kriminalgerichts Berlin. Wie mir die Justizwachtmeister später erzählten, sei ich der einzige Verteidiger an diesem Tag gewesen, der Zugang zum Vorführbereich erhalten hat.

Der Rockerprozess hatte mit seinen Sicherheitsverfügungen auf getrennte Unterbringung der mehreren Angeklagten auch noch dazu geführt, dass der schon durch Baumaßnahmen beeinträchtigte Vorführzellenbereich, nun endgültig überlastet war und man meinen Mandanten mit anderen Gefangenen gemeinsam untergebracht hatte. Auch hier konnte ich erfolgreich auf eine einzelne Unterbringung des gesundheitlich beeinträchtigten Mandanten hinwirken.

Auch wenn ich im Gegensatz zu anderen Verteidigerkollegen im konkreten Fall erfolgreich war, bemühe ich mich aber auch um eine generelle Lösung des Problems, den Zugang von Verteidigern zu ihren Mandanten sicher zu stellen. Um dies zu erreichen, habe ich die Vereinigung Berliner Strafverteidiger gebeten sich um eine generelle Klärung des Problems zu bemühen.

Der Erfolg im konkreten Fall zeigt aber zumindest, dass man sich nicht von den Anfangswiderständen der Justiz abhalten lassen sollte, sondern mit Engagement den Erfolg schon erkämpfen muss.


Mittwoch 1. Oktober 2014


Flucht oder „Am Ende gewinnt immer die Justiz“

Der britische Postzugräuber Ronald Biggs war 35 Jahre auf der Flucht gewesen, bevor er freiwillig in sein Heimatland zurückkehrte. Diese Fluchtdauer ist in der jüngeren Justizgeschichte in der westlichen Welt und für eine Person ohne Verbindung zum organisierten Verbrechen ohne Frage selten.
Dem Flüchtigen in Deutschland fehlt es an der Regel an Unterstützern, Geld, einer Perspektive oder auch nur einem Plan. In der Regel werden Gerichtstermine versäumt, weil man den Kopf in den Sand steckt, keine Kalender führt oder verschläft. Oft ist es auch eine Kurzschlussreaktion sich der Justiz zu entziehen.
Bei Jugendlichen ordnet der Jugendrichter meist zuerst nur eine polizeiliche Vorführung an. Dabei holt dann die Polizei am frühen Morgen vor dem Termin oder auch am Abend zuvor den Säumigen aus seiner Wohnung ab. Nach einigen Stunden im Polizeigewahrsam erfolgt dann die Vorführung zum Gericht. Nur wenn dies nicht funktioniert, wird wie bei Erwachsenen der rote Zettel ausgefüllt, der Haftbefehl. Beim Versäumen eines Termins halte ich es immer noch für das Mittel der Wahl sich mit dem Anwalt beim zuständigen Richter selbst zu stellen. Meist gelingt es dem Verteidiger dann noch zumindest den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug setzen zu lassen.
Bei jungen Mandanten war ich immer überrascht, wie schnell doch die Flucht endete. Es waren Routinekontrollen auf der Straße oder Razzien zum Jugendschutz in Diskotheken, wo Personalien überprüft wurden und dann die Handschellen klickten. Mal 3-4 Tage und maximal 2 Wochen dauerten hier die Fluchten.
Ein Fall war besonders juristisch interessant. Nach einer niedrigen Freiheitsstrafe hatte der Verurteilte die Bewährungsauflagen gebrochen und war nach der Ladung zum Haftantritt abgetaucht. Bei der niedrigen Strafe wäre die Vollstreckung nach 5 Jahren verjährt gewesen, aber nach 4 Jahren und 7 Monaten klickten die Handschellen.
Bei längerer Fluchtdauer und schwereren Straftaten wird in der Regel auch die Zielfahndung in Bewegung gesetzt. Dies sind dann auf die Verfolgung von Flüchtigen spezialisierte Polizisten. Hier werden Kontakte des Flüchtigen ergründet, Familienmitglieder befragt oder auch überwacht und Bewegungsprofile erstellt. Letztendlich ist die Zielfahndung fast immer erfolgreich.
Die Flucht ins Ausland ist nur selten eine Lösung, da kaum ein Staat Gewaltverbrecher gerne aufnimmt. Da braucht es dann für eine schnelle Abschiebung ins Heimatland keinen Auslieferungsvertrag. Bei Steuervergehen und Wirtschaftsstraftaten sind die Fluchtchancen schon erheblich besser. Innerhalb der Europäischen Union gibt es noch den Europäischen Haftbefehl, während sich ein Flüchtiger vor einer Flucht in andere Länder fragen sollte, ob er sich dies wirklich antun will. Korrupte Polizisten gibt es außerhalb der EU doch erheblich häufiger und ein Flüchtiger mit Geld ist ein gutes Ziel für einen Nebenerwerb. Er wird solange gemolken, bis sein Geld erschöpft ist und dann im besten Fall für den Flüchtigen doch abgeschoben. Für einen Flüchtigen ist aber auch die Gefahr größer, dass man ihn gleich ganz verschwinden lässt, da das Risiko dafür erheblich geringer als bei anderen Personen ist.
Ich würde deutsche Gefängnisse keinesfalls als Luxusknäste bezeichnen, aber das Schlechte zeichnet sich dadurch aus, dass es auch immer schlimmer geht. In diesem Sinne kann man konstatieren, dass die meisten Gefängnisse im Ausland erheblich schlechter sind und dazu kommt dann noch das Problem, das der deutsche Gefangene meist die dortige Sprache nicht spricht. Da kommt dann schon Freude auf, wenn eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft alle paar Wochen zu Besuch kommt. In Auslieferungshaft befindlich, schalten viele Flüchtige dann schnell um und wollen nun eine Beschleunigung ihrer Auslieferung, um den ausländischen Gefängnissen zu entkommen.
Ein Flüchtiger wird sich bis zur Verjährung oder bis zu seinem Lebensende immer wieder umsehen müssen – das ist der Preis, der auch bei einer erfolgreichen Flucht zu zahlen ist.


Mittwoch 15. Januar 2014


AG Tiergarten verwehrte Zugang zum Mandanten

Bei einer Hauptverhandlung am AG Tiergarten wurde der Mandant, nach einem Terminversäumnis polizeilich vorgeführt.  Ich besuche meine nicht in Freiheit befindlichen Mandanten auch immer noch eine halbe Stunde vor dem Termin, um letzte Fragen zu besprechen und beruhigend zu wirken. Bei in U-Haft befindlichen Mandanten ist dies kein Problem, sondern man wird durch die Justizwachtmeister routiniert zu den Vorführzellen geschleust.

Diesmal bekam ich aber eine Absage, bei polizeilich Vorgeführten gebe es keine Besprechungsmöglichkeiten für eine Verteidigerbesprechung. Als Verteidiger ist man Praktiker und auch Improvisieren gewohnt. Ich schlug also dem Wachtmeister vor, dass man doch einfach eine Besprechungszelle im U-Haftbereich öffnen solle. Diesmal verwies der Wachtmeister formal auf das Trennungsgebot von U-Häftlingen und polizeilich Vorführten. Wegen der eindeutigen Anweisungen des Präsidiums des AG Tiergarten war eine weitere Diskussion sinnlos. Letztendlich sprach ich mit dem zuständigen Richter und erhielt meine Besprechung vor dem Saal.

Da die Durchführung von Mandantengesprächen ein aus der Verfassung hergeleitetes Recht ist, bemühte ich mich weiter um eine generelle Klärung mit dem Präsidenten des AG Tiergarten und bat dabei auch die Strafverteidigervereinigung Berlin um Unterstützung.  Die Strafverteidigervereinigung interessierte sich nicht für das Thema, der Vizepräsident des AG Tiergarten teilte mir immerhin aber nach einem Monat mit, dass die Weisungslage an die Justizwachtmeister nun präzisiert worden sei, um sicherzustellen, dass Mandantengespräche jederzeit durchgeführt werden können.


Dienstag 15. Oktober 2013


Verhaltensratschläge zur Festnahme

1. Schweigen Sie!

Die Polizei ist nicht Ihr Freund und Helfer. Oft wird versucht Ihnen zu erklären, dass bei einer Aussage auf U-Haft verzichtet werden kann. In der Regel werden durch eine Aussage aber erst die U-Haft und eine spätere Verurteilung ermöglicht. Die Polizei kann Ihnen auch keine Zusagen machen. Ohne Akteneinsicht und Kenntnis der Beweislage besteht die Gefahr, dass Ihre Aussage der einzige, aber völlig ausreichende Beweis für eine Verurteilung wird. Ich habe oft erlebt, dass unverteidigte Angeklagte ausgesagt haben, und verzweifelt aber erfolglos versucht haben, ihre Geständnisse zu widerrufen. Aussagen können Sie in jedem Abschnitt des Verfahrens, auch noch in der Gerichtsverhandlung, dann aber informiert über die Beweislage nach Akte und gut beraten durch Ihren Strafverteidiger.

Ratschläge zur Festnahme und Untersuchungshaft, Copyright Rechtsanwalt Malte Höpfner

Ratschläge zur Festnahme und Untersuchungshaft

2.  Informieren Sie einen Strafverteidiger!

Sie haben das Recht jederzeit einen Strafverteidiger zu kontaktieren. Ihr Anwalt ist der Einzige im Verfahren, der auf Ihrer Seite steht. Ihr Anwalt hat das notwendige Wissen, um Sie im Rahmen der U-Haft zu unterstützen und vor allem um Ihnen im Verfahren beizustehen. Der Strafverteidiger wird zuerst den Bestand des Haftbefehls prüfen und dann eine Haftprüfungsantrag stellen oder eine Haftbeschwerde einlegen. Ein Haftprüfungsantrag wird vom Strafverteidiger oft zur Informationsgewinnung genutzt, wenn eigentlich keine Aussicht auf Erfolg besteht.

Sofern Ihnen bekannt ist, dass eine Verhaftung drohen könnte, sollten Sie eine Tasche mit Kleidung und Waschutensilien, etc. bereitstellen. Auch empfiehlt es sich, wenn Sie Verwandte oder Personen Ihres Vertrauens informieren und klären, was im Falle Ihrer Abwesenheit an Persönlichem zu regeln ist. Das einfachste und unwesentlichste ist dabei noch das Gießen der Blumen. Wenn Sie nicht selbst Ihren Rechtsanwalt informieren können, und ein Freund während der Festnahme bei Ihnen ist, sollten Sie ihn bitten, Ihren Rechtsanwalt zu informieren.

Meine Mandanten erhalten von mir immer noch einige zusätzliche Visitenkarten für Verwandte und Freunde, um meine Benachrichtigung im Falle der Festnahme sicherzustellen.

Mich können Sie bei einer Festnahme in Berlin auf der Mobilfunknummer 0175-618 90 68 rund um die Uhr erreichen. Wenn ich mich nicht direkt melde, sprechen Sie Ihren Namen, Ihren Aufenthaltsort, die Telefonnummer der Polizei, bzw. des Gerichts, die Zeit des Anrufes und möglichst auch ein Aktenzeichen auf die Mailbox und ich werde so bald wie möglich Kontakt zu Ihnen aufnehmen.

Untersuchungshaft, U-Haft, Festnahme, Strafverteidiger, Berlin

Eingang Justizvollzugsanstalt Moabit, Copyright Rechtsanwalt Malte Höpfner

 


Sonntag 15. September 2013


Ablauf der U-Haft

Die Untersuchungshaft kann nur durch einen Richter durch einen Haftbefehl angeordnet werden. Zuvor stellt die Staatsanwaltschaft einen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls gegen den Beschuldigten. Dieser Haftbefehlsantrag kann vor einer Festnahme durch die Polizei erfolgen oder auch nach einer Festnahme durch die Polizei.

Ein Haftbefehl wird angeordnet, wenn ein dringender Tatverdacht und ein Haftgrund wie Fluchtgefahr, Verdunkelungsgefahr oder Wiederholungsgefahr vorliegt und die Haft im Übrigen auch verhältnismäßig ist.

Bei der Festnahme ist der Festgenommene über den Grund der Festnahme zu informieren, so bald wie möglich muss ihm der Haftbefehl bekannt gegeben werden, von dem er eine Abschrift zu erhalten hat.

Jederzeit kann der Festgenommene einen Anwalt informieren.

Nach einer Festnahme ist der Verhaftete spätestens am nächsten Tag dem zuständigen Richter oder dem Richter des nächsten Amtsgerichts vorzuführen.

Der Richter soll feststellen, ob die richtige Person festgenommen wurde. Ist dies erfolgt soll er den Festgenommenen über den Gegenstand der Beschuldigung vernehmen. Dabei soll er die belastenden Umstände bekannt geben und über die Rechte sich zu äußern oder schweigen aufklären.

Danach wird der Richter entscheiden, ob der Haftbefehl aufrechterhalten wird und er muss über eine Aussetzung des Haftbefehls entscheiden. Eine Aussetzung des Haftbefehls kann bei Vorliegen von Fluchtgefahr dann erfolgen, wenn andere Maßnahmen wie eine polizeiliche Meldeauflage oder Entzug des Reisepasses oder eine Sicherheitsleistung als ausreichend erscheinen.

Über die Fortdauer der Haft muss der Richter unverzüglich einen Angehörigen oder eine Person des Vertrauens des Festgenommenen benachrichtigen. Wenn keine Verdunkelung droht, darf der Festgenommene auch selbst einen Angehörigen oder eine Person seines Vertrauens benachrichtigen.

Wenn der Richter die Aufrechterhaltung der Haft beschlossen hat, muss er über die Möglichkeit von Haftprüfung und Haftbeschwerde belehren.

Auch in der Haft hat der Festgenommene das Recht jederzeit einen Rechtsanwalt benachrichtigen zu lassen.

Für Untersuchungsgefangene gibt es keine Arbeitspflicht und die Haftregeln sind unter Umständen zur Verhinderung von Flucht und Verdunkelung strenger als für in Strafhaft befindliche Insassen. Wegen der Unschuldsvermutung wurde die JVA Weiterstadt in Hessen als Untersuchungshaftanstalt erheblich luxuriöser als andere Justizvollzugsanstalten gebaut. Leider kann von solchen Überlegungen zum Beispiel in Berlin in der JVA Moabit keine Rede sein. Grundsätzlich halte ich aber die Idee, dass eine Untersuchungshaftanstalt besser ausgestattet wird, für sinnvoll.

Die U-Haft endet mit Aufhebung des Haftbefehls oder dessen Außervollzugsetzung.

Fachanwalt für Strafrecht - Rechtsanwalt Malte Höpfner, Strafverteidigung in Berlin, Brandenburg und Bundesweit

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