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Montag 15. Juni 2015


Mengenbegriffe im Betäubungsmittelgesetz

Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) kennt drei verschiedene Mengenbegriffe. Die drei Mengenbegriffe „geringe Menge“, „normale Menge“ oder auch „einfache Menge“ genannt und die nicht geringe Menge führen zu unterschiedlichen Strafrahmen.

1. Bei der geringen Menge kann von der Verfolgung abgesehen werden. Anders als vielfach in der Gesellschaft vermutet, liegt jedoch kein strafloses Tun, sondern Staatsanwaltschaft und Gericht können von der Strafverfolgung absehen. Das kann bei Eigenverbrauch der Fall sein, wenn keine Fremdgefährdung vorliegt. Eine solche wird in „geschützten“ Räumen angenommen, wozu man Justizvollzugsanstalten, Kasernen, Schulen oder auch Drogenrehabilitationseinrichtungen zählt.

Die Abgabe auch von geringen Mengen an Drogen durch Erwachsene an Minderjährige wird jedoch als Verbrechen, mit einer Mindeststrafe von einem Jahr gewertet, § 29a Abs. 1 BtMG.
Ein Drogendealer, der heute nur geringe Mengen bei sich führt, wird nach einer mehrfachen Festnahme sicherlich auch nicht mehr mit einer Einstellung rechnen können. Da funktioniert die allgemeine Taktik, das Geschäft in Verkäufer, Läufer und Bunker aufzuteilen und den Läufer nur mit Kleinstmengen auszustatten, nur begrenzt.

Die geringe Menge unterscheidet sich von Droge zu Droge und von Bundesland zu Bundesland. In der Regel geht die Justiz aber von 3 Konsumeinheiten aus. Die Konsumeinheit wird bei Marihuana mit 2 Gramm angesetzt, so dass man auf eine Freigrenze von 6 Gramm kommt. Die geringe Menge von 6 Gramm ist der Standard in den Bundesländern. Mecklenburg weicht mit 5 Gramm davon nach unten ab, während Berlin zwischen 10 und 15 Gramm ansetzt. Die abweichende Berliner Regelung verstößt zwar gegen das Grundgesetz und Völkerrecht, aber hier wird man als Verteidiger sicher nicht protestieren.

Bei anderen Drogen gibt es teils formelle Regelungen und auch informelle Regelungen. Bei Heroin kann bis 1 Gramm eine Einstellung erfolgen, während Kokain in manchen Ländern von 1-3 Gramm eingestellt wird. Bei Ecstasy wird je nach Bundesland das Verfahren bei 3-20 Tabletten eingestellt.

Der Konsument sollte aber auch wissen, dass die Polizei auch geringe Mengen von Drogen beschlagnahmen wird und dass beim Führen eines Fahrzeugs auch noch andere Straftatbestände in Betracht kommen können.

2. Die „normale“ oder auch „einfache“ Menge ist im Gesetz nicht eindeutig geregelt, aber ergibt sich nach dem Ausschlussverfahren. Es handelt sich um eine Menge, die größer ist als die geringe Menge und aber auch kleiner als die „nicht geringe Menge“.

3. Die „nicht geringe Menge“ ist höher als die normale Menge. Im Schnitt kann man sagen, dass die nicht geringe Menge beim zehnfachen der geringen Menge beginnt. Korrekt gibt es aber für jede Droge festgesetzte Grenzwerte, die sich im Übrigen auf die Substanz und nicht auf die Bruttomenge beziehen. Hundert Gramm Kokaingemisch mit einem Substanzgehalt von 1 Prozent reinen Kokain und 99 Prozent Milchpulver sind also weniger als zehn Gramm Kokaingemisch mit einem Reinheitsgrad von 50 Prozent.

So hatte ich ein Verfahren, wo die Angeklagten zwar zuerst sauer auf ihren Lieferanten wegen des verschnittenen Stoffes waren, sich dies aber nach ihrer Festnahme sehr schnell änderte, als das durch die Staatsanwalt in Auftrag gegebene Gutachten bestätigte, dass das beschlagnahmte Amphetamin nur zwischen 3-4 Prozent Amphetaminbase aufwies. Die schlechte Qualität kam ihnen nun im Strafprozess zu Gute.


Sonntag 1. Februar 2015


Fachanwalt für Strafrecht

Die Rechtsanwaltskammer Berlin verlieh mir die Bezeichnung, „Fachanwalt für Strafrecht“. Mit der Fachanwaltsurkunde wurden meine besondere Erfahrung und das Sonderwissen im Strafrecht gewürdigt.

Die Voraussetzungen für die Erlangung der Fachanwaltsbezeichnung waren ein Fachanwaltslehrgang von mindestens 120 Stunden, den ich schon im Jahr 2007 absolviert hatte. Der Fachanwaltslehrgang am Deutschen Anwaltsinstitut deckte ein weites Spektrum ab. Nach bekannten Strafverteidigern, welche zur Verteidigung in Mordprozessen referierten, hielt der forensische Psychiater Professor Nedopil eine Vorlesung in seinem Spezialgebiet ab, bevor ein Rechtsanwalt zum Steuerstrafrecht vortrug und durch einen Staatsanwalt abgelöst wurde, der Betrugssysteme wie Umsatzsteuerkarusselle und CO²-Zertifikat-Schwindel erklärte. Auch Randgebiete wie das Umweltstrafrecht wurden beleuchtet und das Wissen in 3 jeweils fünfstündigen Klausuren überprüft. Nach dem Fachanwaltslehrgang war eine jährliche Fortbildung von zehn Stunden, ab 2015 von 15 Stunden Pflicht.

Neben dem theoretischen Wissen sind mindestens sechzig Fälle im Strafrecht und vierzig Hauptverhandlungstage vor dem Schöffengericht, Landgericht oder OLG nachzuweisen, die innerhalb von drei Jahren absolviert wurden. Mit meinem schon bestehenden Tätigkeitsschwerpunkt im Strafrecht konnte ich eine mehrfache Zahl an Fällen und auch eine erhebliche höhere Zahl an Hauptverhandlungstagen der Kammer vorweisen.

Mit der Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung ist man sicherlich kein besserer Strafverteidiger als am Tag zuvor, es ist eher ein Qualitätsnachweis für den Ratsuchenden.


Montag 15. September 2014


Kostümball im Kriminalgericht

Am 05.09.2014 war ich überrascht, als vor dem Verhandlungssaal drei eigenartig aussehende Gestalten saßen. Bei strafgerichtlichen Verhandlungen sieht man oft absonderliche Personen, aber diese drei übertrafen alles bisher Erlebte. Die Perücken waren so offensichtlich wie der falsche Kinnbart eines der Männer. Besser war dann schon der aufgesprühte Dreitagebart bei dem neben ihn Sitzenden. Ich sah sie mir genauer an und stellte fest, dass graue Sprühfarbe einen der Männer älter machen sollte, während bei einem der anderen erhebliche Mengen von Lidschatten verwendet worden waren. In diesem Großverfahren verteidigten wir zu zweit und meine Kollegin machte mich noch darauf aufmerksam, dass man bei einem der Männer auch die oberen Augenlider hochgeklebt hatte, eine sicher schmerzhafte Prozedur.

Es war keine Mitglieder eines Karnevalsvereins, sondern Beamte des Sondereinsatzkommandos (SEK), die in unserem Verfahren aussagen mussten. Um ihre Identität geheim zu halten, war die Maskerade erfolgt. Einfacher wäre es natürlich gewesen Sturmhauben aufzusetzen. Die Maskerade ermöglichte es aber die Gesichtszüge zu beobachten, ein wichtiges Mittel für jeden, der die Glaubhaftigkeit einer Aussage einschätzen will.

Nach den SEK-Beamten kamen Observationsbeamte des Mobilen Einsatzkommandos (MEK), die ebenfalls verkleidet waren und hier war einer grotesker als der andere anzusehen. Die Kleidung stammte vermutlich aus der Kleiderkammer einer Obdachloseneinrichtung und schlotterte an den Körpern. Einer der MEK-Beamten trug unter seinem T-Shirt noch künstliche aufgepolsterte Muskelpakete, die auch seine Statur unkenntlich machten. Während die SEK-Beamten Perücken mit Zöpfchen verwendet hatten, erhielten die MEK-Beamten gelockte Perücken, die den Eindruck erweckten, dass man sie einem bekannten Comedydarsteller weggenommen hätte.

Die Vorbereitungen der Kostümierungen fanden in einem Nachbarraum des Verhandlungssaals statt und wurden von einem Dienstvorgesetzten der Polizisten überwacht, der auch immer noch eine letzte Prüfung vor dem Verhandlungssaal vornahm. Bei einem Gespräch auf dem Flur konnte man noch erfahren, dass ein professioneller Maskenbildner im Hintergrund wirkte. Im Ergebnis war sicher keiner der Zeugen nach Verlassen des Gerichtes an seinem Aussehen zu identifizieren, nur die Stimmen blieben unverändert.

Für die anwesenden Referendare der anderen Verteidiger war dieser Hauptverhandlungstag fraglos eine große Show, während sonst weder Zuschauer noch Pressevertreter den Weg zu A 700, den prominentesten Saal des Kriminalgerichts Berlin, gefunden hatten.


Sonntag 1. Dezember 2013


High durch Passivrauchen von Cannabis?

Ist dies die ultimative, nicht widerlegbare Ausrede nach einer Verkehrskontrolle? Könnte man sich so kostengünstig einen Rausch verschaffen? Immerhin gibt es seit Jahren Aufklärungskampagnen gegen das Passivrauchen von Tabak wegen seiner schädlichen Nebenwirkungen.

Den Gratisrausch erhält man wohl eher nicht, wie mehrere wissenschaftliche Untersuchungen beweisen. Cannabinoide, insbesondere das für den Rausch entscheidende psychoaktive THC müssen durch Essen oder aktiv durch Rauchen aufgenommen werden. Bei den Untersuchungen, die zum Teil unter extremen Bedingungen mit mehreren Rauchern in einem Kleinbus durchgeführt wurden, fühlte sich keiner der Teilnehmer bekifft.

Bei der Verkehrskontrolle sieht es da schon schlechter für den Passivraucher aus, da beim THC-Nachweis im Urin und Blut die wissenschaftlichen Untersuchungen keine eindeutigen Ergebnisse liefern. Bei einer der früheren Untersuchungen mit extremem Testaufbau hatte man später bei den Freiwilligen bis zu 6,3 ng/ml THC im Blut nachgewiesen. Hier wäre der Führerschein wohl weggewesen, wie bei einem realen Fall eines Passivrauchers mit 5,0 ng/ml THC im Blut. Dieser Testaufbau mit fünf Freiwilligen in einem Kleinwagen und sechs abgebrannten Joints galt vielen Wissenschaftlern als unrealistisch.

Bei einer späteren Untersuchung der Universitäten Jena und Mainz, die einen niederländischen Coffeeshop simulieren sollte, kam es zu keiner Blutanalyse oberhalb von 1ng/ml THC im Blut und die Werte im Urin blieben unterhalb des Schwellenwertes von 25ng/ml THC im Urin. Das Bundesverfassungsgericht hatte in einer Leitentscheidung festgestellt, dass erst ab 1 ng/ml THC im Blut tatsächlich von einer Fahruntüchtigkeit ausgegangen werden darf.

In der polizeilichen Praxis kommt es dann auch auf die verwendeten Drogen Screenings Tests und die eingestellten Nachweisgrenzen an. Die Polizei verwendet meist auf eine Nachweisschwelle von 50ng/ml THC im Urin eingestellte Drogentests. Ein weiterer Faktor ist die konservative oder aggressive Einstellung eines Tests. Aggressive Tests liefern zwar auch bei geringen Spuren schon Nachweise, aber eben auch erheblich falsch positive Ergebnisse. Ein Ergebnis ist dann falsch positiv, wenn zu Unrecht Drogen angezeigt werden.

Die Rechtsprechung behandelte den, oben genannten real existierenden, bei einer Verkehrskontrolle aufgegriffenen Passivraucher im Übrigen recht unfreundlich. Hier wird die Behauptung von der Justiz aufgestellt, dass auch ein Passivraucher von den Wirkungen des Passivrauchens wisse und daher der Gefahr durch Passivrauchen bekifft zu werden, aus dem Weg gehen müsse. In Wahrheit geht es der Justiz wohl eher darum sich nicht mit der Ausrede ernsthaft auseinandersetzen zu müssen. Da der ertappte Passivraucher aber vermutlich in Wirklichkeit ein Aktivraucher ist, gleicht sich das aus.


Mittwoch 1. Mai 2013


§ 31 BtMG – Strafmilderung oder Absehen von Strafe (Aufklärungshilfe)

Nach § 31 BtMG kann das Gericht nach seinem Ermessen die Strafe mildern oder in den Fällen des § 29 Abs. 1, 2, 4 oder 6 BtMG ganz von einer Bestrafung absehen, wenn der Täter durch freiwillige Offenbarung seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass die Tat über seinen eigenen Beitrag hinaus aufgedeckt werden konnte. Die gleichen Vorteile erhält er, wenn er sein Wissen so rechtzeitig einer Dienststelle mitgeteilt hat, dass Straftaten nach §§ 29 Abs. 3, 30 Abs. 1, 30a Abs.1, von deren Planung er weiß, noch verhindert werden können.

Durch diesen Paragraphen will der Gesetzgeber den Strafverfolgungsbehörden Informationen verschaffen, da im Bereich der Betäubungsmitteldelikte sonst alle Beteiligten regelmäßig schweigen.

Für den Strafverteidiger stellt sich die Frage, ob er seinem Mandanten zur Aufklärungshilfe raten soll. Zur Aufklärungshilfe bei der Polizei kann man nur abraten, da hier ein Überblick über den Erfolg nicht absehbar ist. Absprachen sollten nur mit Staatsanwaltschaft und Gericht getroffen werden.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass § 31 BtMG aus zwei Gründen für Mandanten ausscheidet.

Zum einen befinden sich Mandanten in diesem Deliktsbereich oft in Geschäftsbeziehungen zu Personen, die sie mehr als Polizei und Gefängnis fürchten. Diese Furcht ist in der Regel auch berechtigt, da in Deutschland anders als zum Beispiel in den Vereinigten Staaten Zeugenschutz nicht funktioniert und in der Ebene darunter Polizei auch keine Schutzzusagen machen kann.

Zum anderen hat die Polizei immer nur einen kleinen Ausschnitt aufgedeckt und es besteht die Gefahr, dass die im Rahmen der Aufklärungshilfe Belasteten nun wieder den Mandanten mit anderen Sachverhalten belasten. Durch diese Spirale wäre die Strafe des Mandanten trotz Aufklärungshilfe am Ende höher, als wenn er von Anfang an geschwiegen hätte.

Es empfiehlt sich für jeden Beschuldigten die Hilfe eines Strafverteidigers in Anspruch zu nehmen und im Rahmen der Akteneinsicht zu prüfen, ob die Aufklärungshilfe des § 31 BtMG im konkreten Fall für ihn Vorteile oder Nachteile bringt. Dies lässt sich nur nach Akteneinsicht und intensiven Besprechungen mit dem Mandanten klären.