Samstag 7. Juli 2012
Gründe für Falschanzeigen im Sexualstrafrecht Nr. 4, 5, 6
Vor einiger Zeit schrieb ich schon einen Artikel über Gründe für Falschaussagen im Sexualstrafrecht. Damals waren es aus gegebenem Anlass die Motive Rache, das Bedürfnis Opfer zu sein und Missverständnisse bei Aussagen von Kindern.
Diesmal stütze ich mich wieder auf auf Fälle meiner Kanzlei und einen Fall eines Kollegen.
Für mich unerwartet wurde ich in mehreren Fällen mit Sympathieanzeigen konfrontiert. Der Hintergrund waren echte, aber auch erfundene Taten einer jeweils anderen Anzeigenerstatterin. In diesen Fällen gab es eine Bekanntmachung im Familien- oder im Bekanntenkreis, wobei dann vermutlich auch die Erfolgsaussichten der Strafanzeigen erörtert wurden. Verwandte und Freundinnen entschlossen sich dann ebenfalls Anzeige gegen den Beschuldigten zu stellen, wobei die Taten diesmal eindeutig erfunden waren. Ziel dieser Anzeigen war es die Strafanzeige der ersten Anzeigenerstatterin zu stützen. Während in einem Teil der Fälle diese Vorgehensweise mit der ersten Anzeigenerstatterin vermutlich abgesprochen war, gab es in dem anderen Teil der Fälle solche Absprachen vermutlich nicht. Hier kann ich aber nur Vermutungen treffen. Vergeblich habe ich bisher auf das Motiv der Trittbrettfahrerin gewartet, die eine Sympathieanzeige vielleicht aufgibt, um vom Opferstatus zu profitieren. Aber dies ist vermutlich nur eine Frage der Zeit.
Sehr schwierig sind die Wahnhaften und Geisteskranken als Anzeigenerstatter. Während mir als Laien in einer Akte schon schnell Zeichen für eine Geisteskrankheit bei der Anzeigenerstatterin auffielen, ignorierten Polizisten diese Anzeichen und ermittelten stur weiter gegen einen Mandanten. Dabei muss man feststellen, dass Polizisten selbst von Geisteskranken oft Sexualstraftaten unterstellt werden, diese werden aber in der Regel nicht einmal zur Anzeige entgegengenommen. Während die Polizei bei ihren Leuten als Beschuldigten diese mit Seidenhandschuhen vor jedem Übel abschirmt, ermitteln sie in anderen Fällen oft sehr einseitig. In solchen Fällen muss man dann die Panzerhandschuhe anziehen, um Polizei und Staatsanwaltschaft klarzumachen, dass man offene Fragen nicht einfach nur deshalb ignorieren darf, weil sie einem nicht in das gewünschte Bild passen. Bevor man sich der Aussage widmen kann, sollte man vielleicht den neurologischen Status der Anzeigenerstatterin untersuchen. Zu dieser Erkenntnis kam die Polizei allein nicht, ebenso wenig auf die Idee einmal in medizinischer Fachliteratur eine Liste von verabreichten Medikamenten auf Nebenwirkungen zu überprüfen. Selbst bei einem Opiat kamen die Beamten nicht auf die Idee, dass dieses vielleicht Nebenwirkungen haben könnte. Die medizinische Fachliteratur listete dann für die Medikamente Wahnvorstellungen, Zwangshandlungen, Aggressionen, Depressionen, unmotivierte Feindseligkeit, übersteigerte Phantasie und vieles mehr auf. Motive aus dem kulturellen und dem persönlichen Bereich, die eine Falschaussage wahrscheinlich erscheinen ließen, wurden ebenso ignoriert und erschütterten mein Vertrauen in die polizeiliche Ermittlungsarbeit vollständig. Erst die Staatsanwaltschaft begriff nach langem Bemühen, dass an den Zweifeln des Verteidigers an der Aussagefähigkeit und Aussagetüchtigkeit der vermeintlich Geschädigten doch etwas dran sein könnte und stellte dann das Verfahren ein. Gerechterweise muss man aber feststellen, dass auch ein Geisteskranker ein Opfer einer Sexualstraftat werden kann und nach wissenschaftlichen Befragungen gibt es gerade in entsprechenden Einrichtungen viele solcher Taten, weniger aber durch Personal, sondern hauptsächlich in Form von Übergriffen durch Mitpatienten. Hier wird aber viel totgeschwiegen, um den Ruf der Einrichtungen nicht zu beschädigen und um Fragen nach Aufsichtspflichten der Personals zu vermeiden.
Der Fall eines Kollegen war mir neu, nach Umfragen unter Kollegen kommt er aber nicht selten vor. Eine junge Frau aus einem ausländischen Kulturkreis war mit ihrem Freund durchgebrannt, nachdem die Familie die Beziehung abgelehnt hatte. Zurückgekehrt in den Familienkreis konnte sie ihre eigene Verfehlung aber nicht zugeben und sprach dann über eine Entführung und Vergewaltigung. Vielfach werden solche Fälle an der deutschen Justiz vorbei durch private Schlichter geklärt, aber diesmal kam der Fall vor die Justiz und der Kollege konnte nur mit Mühe die Unschuld seines Mandanten beweisen und einen Freispruch erzielen.
In jeder der Fallkonstellationen wären die Beschuldigten ohne die Unterstützung des Anwaltes auf der Strecke geblieben. Gerade bei den oft einseitigen Ermittlungen im Sexualstrafrecht durch die Polizei droht oft der Verlust von entlastenden Beweismitteln. Bei Sexualdelikten kann man daher nur raten, so schnell wie möglich einen Strafverteidiger einzuschalten.