Dienstag 15. Mai 2012



Gründe für Falschanzeigen bei Sexualdelikten, Nr. 1-3

Nicht selten erlebt man bei Anzeigen wegen Sexualstraftaten, dass sich diese als unbegründet herausstellen. Die Gründe dafür sind vielfältig, sie beruhen teilweise auf Irrtümern und Missverständnissen, aber vielfach auch auf krimineller Energie.

Nachdem innerhalb eines Monats gleich drei Verfahren meiner Kanzlei schon im Ermittlungsverfahren eingestellt wurden, will ich einmal einige Gründe aufzeigen.

Wegen der gesteigerten Sensibilität in Hinblick auf Kindesmissbrauch kommt es immer öfter wegen Missverständnissen zu Anzeigen. Eltern konstruieren aus Äußerungen ihres Kindes einen Fall einer Straftat. Leider sind solche Konstellationen nicht selten und gerade Erzieherinnen und Erzieher in Kindergärten bekommen die negative Begleiterscheinung von zunehmender Sensibilisierung zu spüren. In solchen Verfahren besteht immer die Gefahr, dass im Rahmen von unprofessionellen Zeugenbefragungen bei Psychologen und der Polizei sich Falschaussagen verfestigen oder gerade erst konstruiert werden. Leider sind wenige Psychologen und noch weniger Polizisten mit Aussagepsychologie und Fehlerquellen wie Fremd- und Selbstsuggestion oder Falscherinnerungen vertraut.

Immer noch kommt es auch zu Anzeigen aus Rache. Meist liegen die Motive im persönlichen Bereich, in manchen Fällen verbinden sich diese aber auch mit taktischen Erwägungen in familienrechtlichen Streitigkeiten. Seit Familienrichter in den letzten Jahren solche Verfahren sofort an die Staatsanwaltschaft weiterlesen, werden heute weniger leichtfertig Vorwürfe in Sorgerechtsverfahren erhoben.

Geltungsbedürfnis und die gewünschte Anerkennung als Opfer sind ein weiteres Motiv. Gerade bei Personen mit gestörten, verminderten Selbstbewusstsein stellte „Opfer zu sein“ eine große Verlockung dar. Gerade bei solchen Verfahren besteht immer auch die Gefahr, dass sich die vermeintlich „Geschädigten“ selbst in einem Maße überzeugen oder im Rahmen psychologischer Behandlungen überzeugt werden, dass sie sich an ihre falsche Geschichte erinnern. Diese „false memories“ lassen sich nicht in einer Vernehmung mit der üblichen Methode von Realitätskennzeichen und Lügenmerkmalen überprüfen. Hier sind erfahrene Aussagepsychologen gefragt, welche das gesamte Verfahren bewerten und prüfen. Zudem hilft natürlich auch ein Abgleich mit anderen Beweismitteln, welche die falsche Aussage enttarnen können.

Trotz Erfahrung als Strafverteidiger und dem durch Fortbildungen erworbenen Fachwissen besteht immer die Gefahr durch inkompetente Polizisten, aber auch durch Psychotherapeuten, die nicht an der Wahrheitsfindung interessiert sind. Dies zeigen die großen Missbrauchsfälle in Worms, Trier und Saarbrücken, die sich letztendlich als falsch herausgestellt haben. Hier wurden Kinder solange durch wohlmeinende Therapeuten und Polizisten bearbeitet, bis sie jede gewünschte Person des Missbrauches beschuldigten. In verschiedenen Verfahren als Strafverteidiger in Berlin musste ich leider feststellen, dass die Fehleranalyse noch nicht bis zu allen Polizisten oder Staatsanwälten gedrungen war. Dies liegt sicherlich auch daran, dass Fortbildung bei Staatsanwaltschaft und Richtern keine Pflicht ist und nur dreißig Prozent der Richter Fortbildungsangebote überhaupt kontinuierlich wahrnehmen.