Samstag 1. Juni 2013
Der Gnadenantrag – Das Gnadengesuch
Gnade ist die letzte Instanz im Justizsystem. Im deutschen Recht gibt es zwar kein Recht auf Gnade, aber das Recht einen Gnadenantrag stellen zu können. Gnadenentscheidungen stehen über dem Recht und können eine rechtskräftig verhängte Entscheidung abändern oder sogar aufheben.
Was können nun Gründe für einen erfolgversprechenden Gnadenantrag sein?
Bekannt sind die Fälle reuevoller Terroristen, die zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt, vom Bundespräsidenten nach Absitzen eines großen Strafteils begnadigt wurden. Dies dürfte aber praxismäßig die absolute Ausnahme im Gnadenverfahren darstellen. In meiner Praxis sind es eher gesundheitliche Probleme, die zu erfolgreichen Gnadenentscheidungen geführt haben.
Ein Mandant war nach langjähriger krimineller Karriere zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt worden. In der Zwischenzeit hatte er eine massive Verschlechterung der Gesundheit erfahren, so dass schon an der Haftfähigkeit zu zweifeln war. Es war nach meiner Ansicht jedenfalls sicher, dass dieser Mandant selbst wenn er wollte, keine Straftaten mehr begehen würde. Hier bot sich ein Gnadenantrag an und so legte ich ihn für meinen Mandanten ein. Die Gnadenstelle ließ das Verfahren in einer faktischen Bewährungsfrist liegen und gewährt dann die beantragte Umwandlung der unbedingten Freiheitsstrafe in eine Bewährungsstrafe.
Was funktioniert nicht?
Ein Jugendlicher war gerade in die Jugendhaftanstalt gekommen und bat mich zu einem Gespräch im Rahmen einer kostenlosen Rechtsberatung. Er wollte einen Gnadenantrag stellen, konnte mir aber keine Gründe nennen. Sein einziger Grund war, dass es ihm in der Jugendhaftanstalt nicht gefiel und sein früherer Anwalt schlechte Arbeit geleistet hatte. Für den zweiten Grund hatte er auch keine wirkliche Begründung und an Reue oder auch nur Einsichtsfähigkeit für das Leiden seiner Opfer fehlte es völlig. Ich konnte ihm keine Hoffnung machen und ärgerte mich, dass er so sinnlos meine Zeit vergeudet hatte.
Auch Anträge von Gruppen scheiden regelmäßig aus, da die Gnadenentscheidung eine Einzelentscheidung ist.
Die Weihnachtsamnestie ist keine Gnadenentscheidung, sondern eine Amnestie für eine Gruppe von Personen mit gleichen Voraussetzungen, wie bald bevorstehender Entlassung, guter Führung, etc.
Wer begnadigt?
Nur in Verfahren auf Bundesebene entscheidet nach § 452 StPO der Bundespräsident, während in allen anderen Sachen das Begnadigungsrecht den Ländern zusteht. In Berlin ist es die Senatsverwaltung für Justiz, Abteilung III C – Gnadenstelle.
Benötigt man einen Strafverteidiger?
Einen Gnadenantrag kann der Verurteilte auch ohne Anwalt stellen, aber nach meiner Erfahrung sind dabei die Gefahren hoch. Obwohl keine Formvorschriften existieren, muss doch die Begründung mit größter Sorgfalt erfolgen. Manch falsches Wort oder Floskel könnte der Gnadenstelle negativ beeinflussen. Eine anwaltliche Beratung, die vom Verurteilen selbst zu bezahlen ist, stellt eine sinnvolle Geldaufwendung dar.