Dienstag 10. April 2012
Das Gedächtnisprotokoll – wichtig für jeden Zeugen
Sie beobachten eine Prügelei auf einem Marzahner S-Bahnhof, welche mit dem Eintreffen der Polizei endet. Die Beamten nehmen die ersten Aussagen auf und notieren auch die Adressen der anwesenden Beobachter.
Einige Wochen später werden Sie angeschrieben, mit der Bitte zur Zeugenvernehmung zu kommen oder sich auf einem Fragebogen schriftlich zu äußern. Zu diesem Zeitpunkt können Sie sich vielleicht noch an das Kerngeschehen erinnern.
Monate oder auch Jahre später kommt es zur gerichtlichen Hauptverhandlung, wobei man Sie dann als Zeugen hört, zu diesem Zeitpunkt erinnern sie sich an noch weniger. Oft höre ich dann den Satz, „Das habe ich doch alles schon bei der Polizei ausgesagt.“ In diesem Satz kommt Unkenntnis über das deutsche Strafprozessrecht zum Ausdruck. Es gibt die Beweismittel SAUEZ: Sachverständige, Augenschein, Urkunden, Einlassung und Zeugen. In dieser Liste gibt es nicht das Beweismittel Verlesung der polizeilichen Zeugenvernehmung. Es existiert dafür der Grundsatz des tatnächsten Beweismittels und das ist in unserem obigen Beispiel der Zeuge. Eine Zeitlang lasen deutsche Richter einfach das Vernehmungsprotokoll vor und fragten, „Stimmt das so?“, worauf der Zeuge bejahte, „Ja, wenn ich das damals so gesagt habe, wird das schon stimmen.“ Der Bundesgerichtshof sorgte dann für die Anwendung des deutschen Strafprozessrechts in den unteren Instanzen, was es für Zeugen wieder etwas schwerer machte.
In unserem Beispiel stellen wir uns nun eine mögliche Berufung oder Zurückverweisung nach einer erfolgreichen Revision vor. Die Tat liegt Jahre zurück und das Gedächtnis des Zeugen hat zwangsläufig gelitten und vielleicht hat man nun auch noch falsche Erinnerungen, ausgelöst durch die suggerierenden Fragen eines Richters, das Bohren des Staatsanwaltes oder die hartnäckige Befragung durch einen engagierten Verteidiger.
Das Problem ist nun klar, die Lösung wiederum ist einfach. Wenn Sie es für möglich halten, später als Zeuge eines Geschehens für die Justiz in Betracht zu kommen, fertigen Sie so früh wie möglich ein Gedächtnisprotokoll.
Was gehört in ein Gedächtnisprotokoll? Das Datum und die Zeit sind unbedingt notwendige Informationen. Schildern Sie den Ablauf eines Geschehens, beschreiben Sie Personen, skizzieren Sie vielleicht auch den Standort der Personen. In der Regel kann es nicht zu wenige Fakten geben. Das Gericht will vielleicht auch wissen, ob sich ein Zeuge geirrt haben kann. War es vielleicht schon zu dunkel, um einen Täter sicher zu identifizieren? Bei Verkehrsunfällen kann es auch auf die Straßenverhältnisse ankommen. War die Straße nass, weil es gerade geregnet hatte? Oder war ein Sprühfahrzeug kurz zuvor vorbeigefahren?
Was gehört nicht in ein Gedächtnisprotokoll? „Der Idiot fuhr viel zu schnell, das konnte ich an dem laut aufheulenden Motor feststellen.“ Beleidigungen sind immer fehl am Platz und entwerten eine vielleicht sonst wahre Aussage. Auch Wertungen sollte man dem Gericht oder einem Sachverständigen überlassen, wenn man nicht sachverständiger Zeuge ist. So gibt es Untersuchungen, dass Zeugen hochtourige fahrende Fahrzeuge immer als schneller einschätzen, als objektiv schnellere Fahrzeuge, die mit einem höheren Gang fahren.
Schade ich meinen Mandanten, wenn ich für bessere Zeugen sorge? Nein, denn Zeugen, die sich nicht mehr richtig erinnern können und fehlendes oder verlorenes Wissen durch eigene Überlegungen ersetzen, sind viel gefährlicher für jeden Beschuldigten. Nicht umsonst gilt in der Justiz der Zeuge als unzuverlässigstes Beweismittel. Das zeitnah zum Geschehen gefertigte Gedächtnisprotokoll macht den Zeugen um einiges zuverlässiger.
Wie wird das Gedächtnisprotokoll verwendet? Vor und in der Vernehmung können Sie sich mit dem Gedächtnisprotokoll das Geschehen wieder in Erinnerung rufen und auch ein Blick in das Gedächtnisprotokoll während der Gerichtsverhandlung ist zulässig.