Montag 1. Juni 2015



Unter Strom

Auch wenn Strafverteidiger unter Strom stehen mögen, benötigen unsere Notebooks im Gerichtssaal Elektrizität aus einer herkömmlichen Steckdose. Und hier stellt man dann schnell fest, dass die Justiz entweder geistig noch nicht im digitalen Zeitalter angekommen ist oder ein Problem mit der Herstellung von Waffengleichheit hat.

In einem Zivilprozess sind die Probleme wegen der kürzeren Verhandlungen vermutlich noch verschmerzbar, aber eine Verhandlung vor einem Strafgericht läuft gern schon einmal mehr als fünf Stunden und auch acht Stunden sind keine Seltenheit. Hier versagt dann jeder Akku und man ist auf eine stationäre Stromversorgung angewiesen.

In einem Verfahren in einem alten Berliner Gerichtssaal mussten ein Kollege und ich uns eine Steckdose teilen und luden unsere Notebooks nun abwechselnd. Der Verteidigerkollege zeigte mir dann auch noch stolz seinen Ersatzakku, bzw. das Powerpack und stellte dann enttäuscht fest, dass sein Büropersonal am Vortag vergessen hatte, den Akku zu laden. In anderen Verfahren verteilten sich die Verteidiger nach den notwendigen Abständen zu den Steckdosen im Gerichtssaal, während mir manchmal Justizwachtmeister, Protokollanten und Richter halfen, mein Notebook an eine Steckdose auf der Richterbank anzuschließen.

In einem Verfahren schlug ein Staatsanwalt auf eine Beschwerde von Verteidigern vor, dass wir doch mit Verlängerungskabeln kommen sollte, worauf ihm ein Kollege erwiderte, dass wir ja alternativ auch benzinbetriebene Generatoren oder ganze Kabeltrommeln mitbringen könnten. Ein Justizwachtmeister wies bei der Diskussion im Gerichtssaal dann darauf hin, dass wild verlegte Stromkabel von Verteidigern als Stolperfallen schon Zeugen zu Boden geschickt hätten. Staatsanwälte stellen auch oft die Frage in den Raum, ob Verteidiger überhaupt vom Strom aus den Steckdosen der Justiz legal konsumieren dürfen. Staatsanwälte übersehen dabei, dass sie selbst nicht dem Gericht angehören und dass für sie ebenfalls keine Regelung galt.

Ich sprach einen zivilrechtlichen Kollegen, der auch Abgeordneter in Berlin ist, auf das Problem an. Der praxiskundige Kollege startete eine Anfrage im Abgeordnetenhaus an den Senat von Berlin. Für Berlin erklärte die Senatsjustizverwaltung, dass der Strom für die technischen Geräte von Verteidigern entsprechend mangels anderer Regelungen im Gerichtskostengesetz kostenlos sei. Auch kündigte man dann an, dass im Kriminalgericht der Einbau von Steckdosen an den Plätzen der Verteidiger beginnen würde.

Während ich nun in einigen Sälen zufrieden die Erfolge meines Bemühens beobachten konnte, gab es in anderen Sälen durch die Justizverwaltung vorgeschobene Bedenken wegen des Denkmalschutzes. Dabei wären Steckdosen gerade an den Sitzplätzen der Verteidiger in den historischen Sälen problemlos mit einem schon vorhandenen Sichtschutz einzurichten.

Während die Bundesregierung schon die Einführung der elektronischen Akte in Strafsachen plant, scheitert die Umsetzung auf Länderebene schon an solchen Kleinigkeiten wie ausreichend Steckdosen in Gerichtssälen.

In den Justizvollzugsanstalten hinkt man selbst den Gerichten noch hinterher. Hier scheint es bundesweit noch kein Konzept zu geben, wie man den Gefangenen ermöglicht, vom Akteninhalt Kenntnis zu nehmen und ihre Verteidigung vorzubereiten. Ganze Kopienbände scheiden in Großverfahren, zum einen wegen des Brandschutzes in den Zellen, als auch wegen der fehlenden Praktikabilität, aus. Die Lösung wird hier sein, dass die Justizvollzugsanstalten, im Bios gegen unerlaubte Nutzungen gesicherte, Notebooks den Gefangenen zur Verfügung stellen.