Montag 15. September 2014



Kostümball im Kriminalgericht

Am 05.09.2014 war ich überrascht, als vor dem Verhandlungssaal drei eigenartig aussehende Gestalten saßen. Bei strafgerichtlichen Verhandlungen sieht man oft absonderliche Personen, aber diese drei übertrafen alles bisher Erlebte. Die Perücken waren so offensichtlich wie der falsche Kinnbart eines der Männer. Besser war dann schon der aufgesprühte Dreitagebart bei dem neben ihn Sitzenden. Ich sah sie mir genauer an und stellte fest, dass graue Sprühfarbe einen der Männer älter machen sollte, während bei einem der anderen erhebliche Mengen von Lidschatten verwendet worden waren. In diesem Großverfahren verteidigten wir zu zweit und meine Kollegin machte mich noch darauf aufmerksam, dass man bei einem der Männer auch die oberen Augenlider hochgeklebt hatte, eine sicher schmerzhafte Prozedur.

Es war keine Mitglieder eines Karnevalsvereins, sondern Beamte des Sondereinsatzkommandos (SEK), die in unserem Verfahren aussagen mussten. Um ihre Identität geheim zu halten, war die Maskerade erfolgt. Einfacher wäre es natürlich gewesen Sturmhauben aufzusetzen. Die Maskerade ermöglichte es aber die Gesichtszüge zu beobachten, ein wichtiges Mittel für jeden, der die Glaubhaftigkeit einer Aussage einschätzen will.

Nach den SEK-Beamten kamen Observationsbeamte des Mobilen Einsatzkommandos (MEK), die ebenfalls verkleidet waren und hier war einer grotesker als der andere anzusehen. Die Kleidung stammte vermutlich aus der Kleiderkammer einer Obdachloseneinrichtung und schlotterte an den Körpern. Einer der MEK-Beamten trug unter seinem T-Shirt noch künstliche aufgepolsterte Muskelpakete, die auch seine Statur unkenntlich machten. Während die SEK-Beamten Perücken mit Zöpfchen verwendet hatten, erhielten die MEK-Beamten gelockte Perücken, die den Eindruck erweckten, dass man sie einem bekannten Comedydarsteller weggenommen hätte.

Die Vorbereitungen der Kostümierungen fanden in einem Nachbarraum des Verhandlungssaals statt und wurden von einem Dienstvorgesetzten der Polizisten überwacht, der auch immer noch eine letzte Prüfung vor dem Verhandlungssaal vornahm. Bei einem Gespräch auf dem Flur konnte man noch erfahren, dass ein professioneller Maskenbildner im Hintergrund wirkte. Im Ergebnis war sicher keiner der Zeugen nach Verlassen des Gerichtes an seinem Aussehen zu identifizieren, nur die Stimmen blieben unverändert.

Für die anwesenden Referendare der anderen Verteidiger war dieser Hauptverhandlungstag fraglos eine große Show, während sonst weder Zuschauer noch Pressevertreter den Weg zu A 700, den prominentesten Saal des Kriminalgerichts Berlin, gefunden hatten.