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Archiv für die ' Aktuelles' Kategorie


Sonntag 1. März 2015


Polizisten und Strafverteidiger

Das Verhältnis zwischen Polizisten und Strafverteidigern kann man einfach nur als zwiespältig bezeichnen. Zwischen professionellem Respekt und offener Feindschaft ist dabei alles möglich. Interessant ist zu wissen, dass auch Polizisten Rechtsanwälte empfehlen. Wo sie Beschuldigten Verteidiger empfehlen, kann man in der Regel davon ausgehen, dass die Verteidiger schlecht sind und Polizei und Justiz das Leben nicht schwer machen werden.

Wenn Polizisten selbst Probleme mit der Justiz haben, werden solche Verteidiger von ihnen nicht ausgewählt. Dann gehen sie entweder zu Rechtsanwälten mit guten Kontakten zur Polizeiführung oder zu richtigen Strafverteidigern, die sie niemals einem normalen Beschuldigten empfehlen würden.

Die erste Gruppe bewegt sich im Dunstkreis von Polizeiführung, Disziplinarstelle, Politik und Justiz und bemüht sich einen schmutzigen Deal zu erreichen, der in der Regel am Rechtsstaat zweifeln lässt. Bei der zweiten Gruppe wird nach den Regeln der Kunst verteidigt. Für die echten Strafverteidiger stellt die Verteidigung von Polizisten in der Regel ein berufsgruppeninternes Problem dar. Viele Strafverteidiger lehnen aus ihren vielfältigen Erfahrungen mit Polizisten diese oft als Mandanten ab. Eine aus meiner Sicht nicht verständliche Unsitte, so wie Verteidiger auch Beschuldigte von Sexualstraftaten oder Beschuldigte bestimmter politischer Ausrichtung ablehnen.

Meine Ansicht war immer, dass jeder Beschuldigte die bestmögliche Verteidigung verdient hat, anders lässt sich auch der Rechtsstaat praktisch nicht garantieren. So empfinde ich es als befriedigend sowohl Polizisten, auch Beschuldigte von Widerstandshandlungen gleichermaßen erfolgreich zu verteidigen. Für einen Strafverteidiger erscheint mir das auch der einzige akzeptable Weg.


Sonntag 1. Februar 2015


Fachanwalt für Strafrecht

Die Rechtsanwaltskammer Berlin verlieh mir die Bezeichnung, „Fachanwalt für Strafrecht“. Mit der Fachanwaltsurkunde wurden meine besondere Erfahrung und das Sonderwissen im Strafrecht gewürdigt.

Die Voraussetzungen für die Erlangung der Fachanwaltsbezeichnung waren ein Fachanwaltslehrgang von mindestens 120 Stunden, den ich schon im Jahr 2007 absolviert hatte. Der Fachanwaltslehrgang am Deutschen Anwaltsinstitut deckte ein weites Spektrum ab. Nach bekannten Strafverteidigern, welche zur Verteidigung in Mordprozessen referierten, hielt der forensische Psychiater Professor Nedopil eine Vorlesung in seinem Spezialgebiet ab, bevor ein Rechtsanwalt zum Steuerstrafrecht vortrug und durch einen Staatsanwalt abgelöst wurde, der Betrugssysteme wie Umsatzsteuerkarusselle und CO²-Zertifikat-Schwindel erklärte. Auch Randgebiete wie das Umweltstrafrecht wurden beleuchtet und das Wissen in 3 jeweils fünfstündigen Klausuren überprüft. Nach dem Fachanwaltslehrgang war eine jährliche Fortbildung von zehn Stunden, ab 2015 von 15 Stunden Pflicht.

Neben dem theoretischen Wissen sind mindestens sechzig Fälle im Strafrecht und vierzig Hauptverhandlungstage vor dem Schöffengericht, Landgericht oder OLG nachzuweisen, die innerhalb von drei Jahren absolviert wurden. Mit meinem schon bestehenden Tätigkeitsschwerpunkt im Strafrecht konnte ich eine mehrfache Zahl an Fällen und auch eine erhebliche höhere Zahl an Hauptverhandlungstagen der Kammer vorweisen.

Mit der Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung ist man sicherlich kein besserer Strafverteidiger als am Tag zuvor, es ist eher ein Qualitätsnachweis für den Ratsuchenden.


Donnerstag 1. Januar 2015


Fortbildungen im Jahr 2014

Am 12. März begann das Fortbildungsjahr 2014 mit einer Veranstaltung der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. zum Thema „Der Beweisantrag – Grundlagen und neueste Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes“. Am 26.03.2014 besuchte ich eine Fortbildungsveranstaltung der Berliner Rechtsanwaltskammer zum Thema Rechtsschutzversicherungen und nahm am 10.April 2014 wieder an einer Veranstaltung der Vereinigung Berliner Strafverteidiger e.V. zum Vermögensverfall und verwandten Maßnahmen im Strafrecht teil. Die Vereinigung veranstaltete am 15. Mai dann auch noch eine Fortbildungsveranstaltung zum Gnadenrecht, faktisch der allerletzten Instanz. Fünf Tage später am 20.05.2014 besuchte ich bei der Rechtsanwaltskammer Berlin eine Fortbildungsveranstaltung zur Ertragssteuer. Am 13.06.2014 nahm ich dann wieder einmal an einer Junitagung des Instituts für forensische Psychiatrie teil, unter dem Titel „Taktikten der Wahrheitsfindung im Strafverfahren“. Die strafrechtliche Fortbildung endete dann am 20.11.2014 mit einer Fortbildungsveranstaltung zum Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO und am 11.12.2014 mit einer Fortbildung zum Befangenheitsrecht, wobei beide Veranstaltung durch die Strafverteidigervereinigung organisiert wurden. Ein arbeitsrechtliches Upgrade folgte dann noch am 12.-13.Dezember 2014.


Mittwoch 3. Dezember 2014


Kein Anschluss unter dieser Nummer

In Tageszeitungen kann man immer wieder von notorischen Problemen mit der Erreichbarkeit von Jobcentern lesen, aber auch die Justiz hat in diesem Bereich Verbesserungsbedarf. Die Ursachen sind vielfältig, so war der Faxempfang im Amtsgericht Königs Wusterhausen am 19.-20.November 2014 gestört, wie mir der Direktor auf eine Beschwerde hin mitteilte.

Am Kriminalgericht Moabit konnte man gleich in drei Nächten keine Faxe empfangen, nachdem nach einer Trafo-Reparatur für eine halbe Stunde der Strom abgeschaltet gewesen war und danach die Firewall das Telefonsystem komplett blockierte. Da kann man die Kollegen bedauern, die in diesen 3 Nächten versucht haben, fristgebundene Schriftsätze per Fax zu versenden. Für mich war die Verzögerung nur ärgerlich, zumal man von solchen Ausfällen nur durch Zufall erfährt.

Aber auch das Einwerfen von Briefen in die Gerichtsbriefkästen bringt nicht immer den gewünschten Erfolg. Ein Brief von mir verschwand auf Nimmerwiedersehen und nur weil ich innerhalb einer Antragsfrist mehrfach bei der Infostelle nachfragte, kam es zu keinen Problemen für den Mandanten. Beängstigend war die Erzählung eines Kollegen, der Schriftsätze von mir in der Justizakte seines Verfahrens fand, auch wenn man dort schon vermerkt hatte, dass die Schreiben falsch abgeheftet waren.

Ein kurz vor der Pensionierung stehender Richter am Landgericht Berlin hatte einmal von mir eingereichte Beweisfotos in der falschen Akte abgeheftet und konnte sie dann in der Hauptverhandlung plötzlich nicht mehr finden. Da war es gut, dass ich Kopien der Fotos dabei hatte. Später fand er die Fotos in einer anderen Akte wieder, wo er sie aus Versehen eingeordnet hatte. Aufgrund dieser Fotos wurde ein rechtsmedizinisches Gutachten durchgeführt, welches dann zum Freispruch führte.

Kollegen berichten immer wieder, dass Briefe aus dem Nachtbriefkasten des AG Mitte in der Littenstraße verloren gehen, da sollte man dann auch immer noch parallel ein Fax senden, wenn die Leitungen nicht gestört sind.

Konsequenzen zieht die Justiz aus solchen Fehler sehr ungern, so hielt es Richter K. einer strafrechtlichen Verkehrsabteilung für ein nicht zu kritisierendes Behördenverhalten, dass man mir über 4 Monate wichtige Aktenbestandteile bei 2 Anträgen auf Akteneinsicht vorenthalten hatte.

In diesem Punkt ähnelt die Justiz dann wieder den Jobcentern, wo man nach Berichten meiner im Sozialrecht tätigen Kollegen auch Eingangsbestätigungen für überreichte Anträge verweigert.


Freitag 7. November 2014


Rockerprozess in Moabit behindert Verteidigung in anderen Verfahren

Wieder einmal war der Zugang zum inhaftierten Mandanten vor und nach einer Verhandlung Thema für mich geworden. Am 07.11.2014 fand im Kriminalgericht Moabit vor einer Strafkammer des Landgerichts ein Prozess gegen Rocker der Hells Angels unter erhöhten Sicherheitsbedingungen statt. Aus Angst vor Gefangenenbefreiungen, wegen einem im Zeugenschutzprogramm befindlichen Angeklagten und Trennungsanweisungen für andere Angeklagte sperrte man den Vorführzellenbereich an den Tagen dieses Prozesses für Verteidiger.

Ich bespreche mich vor und nach einer Verhandlung mit den inhaftierten Mandanten im Vorführzellenbereich, so wie ich umfangreiche Vor- und Nachbesprechungen mit den nicht inhaftierten Mandanten vor dem Saal durchführe. Nach den früheren großen Besprechungen in der Kanzlei oder in der Haftanstalt kann man so noch schnell aktuelle Probleme besprechen und wirkt auch noch beruhigend auf Mandanten.

Nachdem ich schon vor kurzem ein ähnliches Problem mit dem Zugang zu einem polizeilich vorgeführten Angeklagten erfolgreich mit dem Präsidium des Amtsgericht Tiergarten durchgekämpft hatte, wendete ich mich diesmal gleich an den Sicherheitschef des Kriminalgerichts und klärte mit ihm, dass ich mein verfassungsrechtlich hergeleitetes Recht als Verteidiger auf Zugang zum Mandanten wahrnehmen konnte. Nach einem Anruf bei den Justizwachtmeistern durch den Sicherheitschef konnte ich nun doch runter in die Katakomben des Kriminalgerichts Berlin. Wie mir die Justizwachtmeister später erzählten, sei ich der einzige Verteidiger an diesem Tag gewesen, der Zugang zum Vorführbereich erhalten hat.

Der Rockerprozess hatte mit seinen Sicherheitsverfügungen auf getrennte Unterbringung der mehreren Angeklagten auch noch dazu geführt, dass der schon durch Baumaßnahmen beeinträchtigte Vorführzellenbereich, nun endgültig überlastet war und man meinen Mandanten mit anderen Gefangenen gemeinsam untergebracht hatte. Auch hier konnte ich erfolgreich auf eine einzelne Unterbringung des gesundheitlich beeinträchtigten Mandanten hinwirken.

Auch wenn ich im Gegensatz zu anderen Verteidigerkollegen im konkreten Fall erfolgreich war, bemühe ich mich aber auch um eine generelle Lösung des Problems, den Zugang von Verteidigern zu ihren Mandanten sicher zu stellen. Um dies zu erreichen, habe ich die Vereinigung Berliner Strafverteidiger gebeten sich um eine generelle Klärung des Problems zu bemühen.

Der Erfolg im konkreten Fall zeigt aber zumindest, dass man sich nicht von den Anfangswiderständen der Justiz abhalten lassen sollte, sondern mit Engagement den Erfolg schon erkämpfen muss.


Mittwoch 15. Oktober 2014


Telekommunikationsüberwachung – Im Fegefeuer der Langeweile

Zwei kleine Lautsprecher wurden vor einem Mikrofon des Saals A 700 aufgestellt und übertrugen den Ton vom Notebook des Vorsitzenden Richters auf die Lautsprecheranlage des Saals. Rückkopplungen waren dadurch garantiert, aber die daraus resultierenden Kopfschmerzen hielten zumindest jeden Anwesenden wach. Wenn man sich über Stunden die Aufzeichnungen einer Telekommunikationsüberwachung anhört, versteht man warum man sich vor einer flächendeckenden Überwachung nicht zu fürchten braucht. Die Aufzeichnung von Telekommunikation ist in den heutigen Zeiten einfach geworden, aber es benötigt immer noch Personal, welches sich die Aufzeichnungen anhört, eventuell auch noch übersetzt und auswertet. Von den beteiligten Polizisten weiß man, dass sich dieser Job nicht über 8 Stunden durchhalten lässt.
Die interessanten Informationen stellen dann auch nur einen Bruchteil der Gesamtlänge dar. In der Regel handelt es sich um eine Masse von Belanglosigkeiten und Alltagsgerede. Man taucht nicht ein in eine fremde Welt, sondern wendet sich recht schnell gelangweilt ab und muss sich dazu zwingen weiter zuzuhören, um nicht doch das einzelne wichtige Informationsfragment zu verpassen. Als Verteidiger hat man schon die schriftlichen Protokolle der TKÜ gelesen und sucht im besten Fall nach bedeutsamen Übertragungsfehlern der Polizei. Wenn die vorgespielten Aufzeichnungen dann nicht einmal den eigenen Mandanten, sondern einen Mitangeklagten betreffen, kann man beobachten, wie die Kollegen vom Schlaf übermannt werden. Da ist es dann schon interessanter die Richterbank zu beobachten, um festzustellen, ob vielleicht ein Schöffe dabei ist gerade einzuschlafen.


Mittwoch 1. Oktober 2014


Flucht oder „Am Ende gewinnt immer die Justiz“

Der britische Postzugräuber Ronald Biggs war 35 Jahre auf der Flucht gewesen, bevor er freiwillig in sein Heimatland zurückkehrte. Diese Fluchtdauer ist in der jüngeren Justizgeschichte in der westlichen Welt und für eine Person ohne Verbindung zum organisierten Verbrechen ohne Frage selten.
Dem Flüchtigen in Deutschland fehlt es an der Regel an Unterstützern, Geld, einer Perspektive oder auch nur einem Plan. In der Regel werden Gerichtstermine versäumt, weil man den Kopf in den Sand steckt, keine Kalender führt oder verschläft. Oft ist es auch eine Kurzschlussreaktion sich der Justiz zu entziehen.
Bei Jugendlichen ordnet der Jugendrichter meist zuerst nur eine polizeiliche Vorführung an. Dabei holt dann die Polizei am frühen Morgen vor dem Termin oder auch am Abend zuvor den Säumigen aus seiner Wohnung ab. Nach einigen Stunden im Polizeigewahrsam erfolgt dann die Vorführung zum Gericht. Nur wenn dies nicht funktioniert, wird wie bei Erwachsenen der rote Zettel ausgefüllt, der Haftbefehl. Beim Versäumen eines Termins halte ich es immer noch für das Mittel der Wahl sich mit dem Anwalt beim zuständigen Richter selbst zu stellen. Meist gelingt es dem Verteidiger dann noch zumindest den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug setzen zu lassen.
Bei jungen Mandanten war ich immer überrascht, wie schnell doch die Flucht endete. Es waren Routinekontrollen auf der Straße oder Razzien zum Jugendschutz in Diskotheken, wo Personalien überprüft wurden und dann die Handschellen klickten. Mal 3-4 Tage und maximal 2 Wochen dauerten hier die Fluchten.
Ein Fall war besonders juristisch interessant. Nach einer niedrigen Freiheitsstrafe hatte der Verurteilte die Bewährungsauflagen gebrochen und war nach der Ladung zum Haftantritt abgetaucht. Bei der niedrigen Strafe wäre die Vollstreckung nach 5 Jahren verjährt gewesen, aber nach 4 Jahren und 7 Monaten klickten die Handschellen.
Bei längerer Fluchtdauer und schwereren Straftaten wird in der Regel auch die Zielfahndung in Bewegung gesetzt. Dies sind dann auf die Verfolgung von Flüchtigen spezialisierte Polizisten. Hier werden Kontakte des Flüchtigen ergründet, Familienmitglieder befragt oder auch überwacht und Bewegungsprofile erstellt. Letztendlich ist die Zielfahndung fast immer erfolgreich.
Die Flucht ins Ausland ist nur selten eine Lösung, da kaum ein Staat Gewaltverbrecher gerne aufnimmt. Da braucht es dann für eine schnelle Abschiebung ins Heimatland keinen Auslieferungsvertrag. Bei Steuervergehen und Wirtschaftsstraftaten sind die Fluchtchancen schon erheblich besser. Innerhalb der Europäischen Union gibt es noch den Europäischen Haftbefehl, während sich ein Flüchtiger vor einer Flucht in andere Länder fragen sollte, ob er sich dies wirklich antun will. Korrupte Polizisten gibt es außerhalb der EU doch erheblich häufiger und ein Flüchtiger mit Geld ist ein gutes Ziel für einen Nebenerwerb. Er wird solange gemolken, bis sein Geld erschöpft ist und dann im besten Fall für den Flüchtigen doch abgeschoben. Für einen Flüchtigen ist aber auch die Gefahr größer, dass man ihn gleich ganz verschwinden lässt, da das Risiko dafür erheblich geringer als bei anderen Personen ist.
Ich würde deutsche Gefängnisse keinesfalls als Luxusknäste bezeichnen, aber das Schlechte zeichnet sich dadurch aus, dass es auch immer schlimmer geht. In diesem Sinne kann man konstatieren, dass die meisten Gefängnisse im Ausland erheblich schlechter sind und dazu kommt dann noch das Problem, das der deutsche Gefangene meist die dortige Sprache nicht spricht. Da kommt dann schon Freude auf, wenn eine Mitarbeiterin der deutschen Botschaft alle paar Wochen zu Besuch kommt. In Auslieferungshaft befindlich, schalten viele Flüchtige dann schnell um und wollen nun eine Beschleunigung ihrer Auslieferung, um den ausländischen Gefängnissen zu entkommen.
Ein Flüchtiger wird sich bis zur Verjährung oder bis zu seinem Lebensende immer wieder umsehen müssen – das ist der Preis, der auch bei einer erfolgreichen Flucht zu zahlen ist.


Montag 15. September 2014


Kostümball im Kriminalgericht

Am 05.09.2014 war ich überrascht, als vor dem Verhandlungssaal drei eigenartig aussehende Gestalten saßen. Bei strafgerichtlichen Verhandlungen sieht man oft absonderliche Personen, aber diese drei übertrafen alles bisher Erlebte. Die Perücken waren so offensichtlich wie der falsche Kinnbart eines der Männer. Besser war dann schon der aufgesprühte Dreitagebart bei dem neben ihn Sitzenden. Ich sah sie mir genauer an und stellte fest, dass graue Sprühfarbe einen der Männer älter machen sollte, während bei einem der anderen erhebliche Mengen von Lidschatten verwendet worden waren. In diesem Großverfahren verteidigten wir zu zweit und meine Kollegin machte mich noch darauf aufmerksam, dass man bei einem der Männer auch die oberen Augenlider hochgeklebt hatte, eine sicher schmerzhafte Prozedur.

Es war keine Mitglieder eines Karnevalsvereins, sondern Beamte des Sondereinsatzkommandos (SEK), die in unserem Verfahren aussagen mussten. Um ihre Identität geheim zu halten, war die Maskerade erfolgt. Einfacher wäre es natürlich gewesen Sturmhauben aufzusetzen. Die Maskerade ermöglichte es aber die Gesichtszüge zu beobachten, ein wichtiges Mittel für jeden, der die Glaubhaftigkeit einer Aussage einschätzen will.

Nach den SEK-Beamten kamen Observationsbeamte des Mobilen Einsatzkommandos (MEK), die ebenfalls verkleidet waren und hier war einer grotesker als der andere anzusehen. Die Kleidung stammte vermutlich aus der Kleiderkammer einer Obdachloseneinrichtung und schlotterte an den Körpern. Einer der MEK-Beamten trug unter seinem T-Shirt noch künstliche aufgepolsterte Muskelpakete, die auch seine Statur unkenntlich machten. Während die SEK-Beamten Perücken mit Zöpfchen verwendet hatten, erhielten die MEK-Beamten gelockte Perücken, die den Eindruck erweckten, dass man sie einem bekannten Comedydarsteller weggenommen hätte.

Die Vorbereitungen der Kostümierungen fanden in einem Nachbarraum des Verhandlungssaals statt und wurden von einem Dienstvorgesetzten der Polizisten überwacht, der auch immer noch eine letzte Prüfung vor dem Verhandlungssaal vornahm. Bei einem Gespräch auf dem Flur konnte man noch erfahren, dass ein professioneller Maskenbildner im Hintergrund wirkte. Im Ergebnis war sicher keiner der Zeugen nach Verlassen des Gerichtes an seinem Aussehen zu identifizieren, nur die Stimmen blieben unverändert.

Für die anwesenden Referendare der anderen Verteidiger war dieser Hauptverhandlungstag fraglos eine große Show, während sonst weder Zuschauer noch Pressevertreter den Weg zu A 700, den prominentesten Saal des Kriminalgerichts Berlin, gefunden hatten.


Freitag 15. August 2014


Strafverteidigung und Presse

Der Umgang mit der Presse ist für jeden Strafverteidiger ein gefährliches Spielfeld, neben dem eigentlichen Strafprozess. Früher galt für die meisten Strafverteidiger, dass Schweigen gegenüber der Presse der Goldstandard sei. Anders handelten meist nur Verteidiger in politischen Verfahren und einige geltungsbedürftige Rechtsanwälte. Heute ist der Goldstandard leider nicht mehr so eindeutig, seit Staatsanwaltschaften das Gebot der Neutralität verlassen haben und von sich aus die Presse mit Informationen und Wertungen anfüttern und versuchen so das Gericht schon vor der Hauptverhandlung unter Druck zu setzen. In diesen Fällen können eigene wohlüberlegte Stellungnahmen der Verteidigung doch sinnvoll sein. Manchmal ist es auch die Stellungnahme, vor der Hauptverhandlung nichts zu sagen und der Presse freundlich Begriffe wie Unschuldsvermutung und Rechtsstaatlichkeit zu erklären.

In größeren Verfahren von finanziell liquiden Beschuldigten erlebt man heute immer öfter, dass neben zwei Verteidigern nun auch ein spezialisierter Presserechtler dem Verteidigerteam angehört und die dritte Position besetzt. Dies ist sicherlich ein idealer Weg, nur vermutlich für die wenigsten Beschuldigten finanzierbar.

In normalen Verfahren mit Pressefotografen reicht es in Berlin schon dem eigenen Mandanten eine Zeitung oder einen Aktenordner zu reichen, um das Gesicht zu verdecken. In Berlin gibt es hierbei meist wenige Probleme, da es für Pressefotografen strenge und eindeutige Anweisungen des Gerichtspräsidiums gibt. Die Generalanweisung scheint nach mehreren Verfassungsbeschwerden von beiden Seiten und anschließenden Anpassungen nun wohl die Idealform gefunden zu haben. Geregelt wird das Fotografieren im Gebäude, auf den Gängen und in der kurzen Phase zwischen Aufruf und Verhandlungsbeginn im Gerichtssaal.

Da die Gerichtspräsidien in anderen Bundesländern auf solche Generalanweisungen unverständlicherweise verzichtet haben, kann man immer noch von Verfahren wegen Nötigung und Körperverletzungen unter Beteiligung von Pressefotografen lesen. So wie in der ungeregelten Frühzeit in Berlin ein Journalist von einem älteren Beschuldigten mit dem Stock verprügelt wurde, war auch in Hamburg noch kürzlich zu klären, ob Notwehr gegen einen aufdringlichen Pressefotografen vorlag. Während in Hamburg die letztendliche Klärung aussteht, wurde in Berlin damals der stockschwingende Rentner freigesprochen.

Insgesamt halte ich Distanz zur Presse für sinnvoll, auch wenn mancher Rechtsanwalt die Presse schon sehr gut für die eigene Werbung zu nutzen weiß. Nur sehe ich aber auch Fälle, wo man nicht mehr erkennt, in wessen Interesse Verteidiger eigentlich ihre Stellungnahmen gegenüber der Presse abgeben. Auch die schreibende Zunft setzt gezielt auf Hintergrundinformationen von Verteidigern, das konnte ich neulich auf einer Tagung in Berlin sehen, als die Gerichtsreporterin des Spiegel den engen Kontakt zu Strafverteidigern suchte und ihren Sitzplatz zwischen den Verteidigern über die gesamte Tagung auch beibehielt. In der Masse der Verfahren werden Informationen aber meist von Polizei, Nebenklägervertretern und der Staatsanwaltschaft zur Presse durchgesteckt. In diesem Wettlauf des Geheimnisverrates sind die Verteidiger ehrenvoll auf der letzten Position geblieben.

Einmal in den letzten Jahren machte ich von meinen Prinzipien gegenüber der Presse eine Ausnahme, als mich ein Mandant bat mit einer ihm bekannten Gerichtsreporterin zu sprechen. Da er auch nach meiner ablehnenden Beratung an seinem Wunsch festhielt, sprach ich doch noch mit der Gerichtsreporterin einer Berliner Tageszeitung. Immerhin galt dann hier das Prinzip, dass man den Mandanten bestmöglich berät, aber er letztendlich die Entscheidungen im Verfahren selbst treffen muss.


Freitag 1. August 2014


Grund für eine Falschanzeige im Sexualstrafrecht Nr.8

Der achte Grund für eine Falschanzeige im Sexualstrafrecht ist die Übertreibung. Hierbei wurde die Geschädigte in der Regel wirklich Opfer einer Sexualstraftat. Da das Opfer aber meint, mit einer kleinen Anzeige nicht ausreichend ernstgenommen zu werden, übertreibt es den Grund seiner Anzeige. So wird dann nicht der Grundtatbestand einer Straftat angezeigt, sondern eine Qualifikation mit einer erhöhten Straferwartung.

Die Übertreibung kann für Beschuldigten wie auch Geschädigten ein zweischneidiges Schwert sein. Wenn die Geschädigte so übertreibt, dass es auch der Staatsanwalt bemerkt, wird man ihr auch den wahren Kern der Geschichte nicht mehr abkaufen.

Für den Beschuldigten stellt die Übertreibung ebenfalls ein Problem dar, wenn er sich zu einer Tat bekennt und die Qualifikation leugnet. Hier sind Staatsanwaltschaft und Gericht in einer großen Versuchung ihre Aufklärungspflicht auf die leichte Schulter zu nehmen und von der gestandenen Tat ohne weiteres auch auf das Vorliegen der Qualifikation zu schließen, „Warum sollte die Geschädigte auch in einem Punkt die Wahrheit sagen und in einem anderen Punkt lügen.“ Hier heißt es dann, gegenzuhalten und bei Gericht auf eine kritische Aufklärung zu dringen.


Dienstag 15. Juli 2014


Geldwäsche, § 261 StGB

(1) Wer einen Gegenstand, der aus einer in Satz 2 genannten rechtswidrigen Tat herrührt, verbirgt, dessen Herkunft verschleiert oder die Ermittlung der Herkunft, das Auffinden, den Verfall, die Einziehung oder die Sicherstellung eines solchen Gegenstandes vereitelt oder gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

Rechtswidrige Taten im Sinne des Satzes 1 sind

1. Verbrechen,

2. Vergehen nach a) § 332 Abs. 1, auch in Verbindung mit Abs. 3, und § 334, b) § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Betäubungsmittelgesetzes und § 19 Abs. 1 Nr. 1 des Grundstoffüberwachungsgesetzes,

3. Vergehen nach § 373 und nach § 374 Abs. 2 der Abgabenordnung, jeweils auch in Verbindung mit § 12 Abs. 1 des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen und der Direktzahlungen,

4. Vergehen a) nach den §§ 152a, 181a, 232 Abs. 1 und 2, § 233 Abs. 1 und 2, §§ 233a, 242, 246, 253, 259, 263 bis 264, 266, 267, 269, 271, 284, 326 Abs. 1, 2 und 4, § 328 Abs. 1, 2 und 4 sowie § 348, b) nach § 96 des Aufenthaltsgesetzes, § 84 des Asylverfahrensgesetzes, nach § 370 der Abgabenordnung, nach § 38 Absatz 1 bis 3 und 5 des Wertpapierhandelsgesetzes sowie nach den §§ 143, 143a und 144 des Markengesetzes, den §§ 106 bis 108b des Urheberrechtsgesetzes, § 25 des Gebrauchsmustergesetzes, den §§ 51 und 65 des Designgesetzes, § 142 des Patentgesetzes, § 10 des Halbleiterschutzgesetzes und § 39 des Sortenschutzgesetzes, die gewerbsmäßig oder von einem Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat, begangen worden sind, und

5. Vergehen nach § 89a und nach den §§ 129 und 129a Abs. 3 und 5, jeweils auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1, sowie von einem Mitglied einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung (§§ 129, 129a, jeweils auch in Verbindung mit § 129b Abs. 1) begangene Vergehen.

Satz 1 gilt in den Fällen der gewerbsmäßigen oder bandenmäßigen Steuerhinterziehung nach § 370 der Abgabenordnung für die durch die Steuerhinterziehung ersparten Aufwendungen und unrechtmäßig erlangten Steuererstattungen und -vergütungen sowie in den Fällen des Satzes 2 Nr. 3 auch für einen Gegenstand, hinsichtlich dessen Abgaben hinterzogen worden sind.

(2) Ebenso wird bestraft, wer einen in Absatz 1 bezeichneten Gegenstand 1. sich oder einem Dritten verschafft oder 2. verwahrt oder für sich oder einen Dritten verwendet, wenn er die Herkunft des Gegenstandes zu dem Zeitpunkt gekannt hat, zu dem er ihn erlangt hat.

(3) Der Versuch ist strafbar.

(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Geldwäsche verbunden hat.

(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 leichtfertig nicht erkennt, daß der Gegenstand aus einer in Absatz 1 genannten rechtswidrigen Tat herrührt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(6) Die Tat ist nicht nach Absatz 2 strafbar, wenn zuvor ein Dritter den Gegenstand erlangt hat, ohne hierdurch eine Straftat zu begehen.

(7) Gegenstände, auf die sich die Straftat bezieht, können eingezogen werden. § 74a ist anzuwenden. § 73d ist anzuwenden, wenn der Täter gewerbsmäßig oder als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung einer Geldwäsche verbunden hat.

(8) Den in den Absätzen 1, 2 und 5 bezeichneten Gegenständen stehen solche gleich, die aus einer im Ausland begangenen Tat der in Absatz 1 bezeichneten Art herrühren, wenn die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist.

(9) Nach den Absätzen 1 bis 5 wird nicht bestraft, wer 1. die Tat freiwillig bei der zuständigen Behörde anzeigt oder freiwillig eine solche Anzeige veranlaßt, wenn nicht die Tat in diesem Zeitpunkt ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wußte oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen mußte, und 2. in den Fällen des Absatzes 1 oder 2 unter den in Nummer 1 genannten Voraussetzungen die Sicherstellung des Gegenstandes bewirkt, auf den sich die Straftat bezieht. Nach den Absätzen 1 bis 5 wird außerdem nicht bestraft, wer wegen Beteiligung an der Vortat strafbar ist.

(10) (weggefallen)

Fußnote § 261 Abs. 2 Nr. 1: Nach Maßgabe der Entscheidungsformel mit GG (100-1) vereinbar gem. BVerfGE v. 30.3.2004 I 715 (2 BvR 1520/01, 2 BvR 1521/01)

 Geldwäsche in der nichtstrafbaren Form

Geldwäsche in der nichtstrafbaren Form

 

„Warnung vor leichtfertiger Geldwäsche“

In der anwaltlichen Praxis sehe ich diesen Paragraphen meist in der Variante der leichtfertigen Geldwäsche.

An Laternen oder U-Bahneingängen kleben in Berlin oft Zettel, wie „Nebenjob mit gutem Gewinn, Arbeit von zu Hause, Arbeit in Buchhaltung, nur wenige Stunden am Tag“. Diese Botschaften finden sich aber auch in Spam-Mails und in Jobbörsen. Die Jobbörsen löschen diese Anzeigen, kommen aber zwangsläufig immer zu spät. Letztendlich wird den Interessierten dann per Telefon oder E-Mail erklärt, dass sie für eine ausländische Firma, Person tätig sein sollen, die in Deutschland wegen der Bürokratie kein Konto erhält. Sie sollen Gelder von Geschäftspartnern oder ähnlichem auf ihrem Konto entgegennehmen und dann per Geldtransferservice wie Western Union oder Money Gram zum eigentlichen Empfänger weiterleiten. Als Entlohnung sollen sie zwischen 10-30 Prozent der Summen behalten können.

Spätestens nach einigen Tagen stellt sich aber meist heraus, dass die Gelder aus Straftaten stammen, wie E-Bay-Betrug oder oft auch Computerbetrug nach Phishing. Es dauert meist einige Tage, bis die Opfer die ursprüngliche Straftat bemerken und sich an die Strafverfolgungsbehörden wenden. Die Ermittlungen der Justiz enden faktisch immer nur am Konto des Finanzagenten, der für alle Schäden schadensersatzpflichtig ist und auch noch strafrechtlich wegen Geldwäsche verfolgt wird. Durch die Überweisung über Firmen wie Western Union ist eine Verfolgung der Hintermänner regelmäßig unmöglich gemacht.

Vielleicht sollte man noch anmerken, dass nach Deutschem Kreditwesengesetz (KWG)Konten nur von Banken anderen Personen zur Verfügung gestellt werden dürfen.

Strafen bei leichtfertiger Geldwäsche, § 261 Abs. 5 StGB

Wer leichtfertig nicht erkennt, dass das Geld aus einer strafbaren Vortat stammt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Je nach Fallkonstellation erlebt man hier als Verteidiger alles. In einem Fall, wo der Mandant über ein „Soziales Netzwerk“ angesprochen wurde und nur aus Hilfsbereitschaft sein Konto zur Verfügung stellt, konnte ich eine Einstellung gegen Geldauflage erreichen, nachdem der Mandant schon allen Geschädigten das Geld zurückerstattet hatte. Bei einem anderen Mandanten, der auf die Jobmasche hereinfiel und dies interessanterweise in kurzer Zeit 2x hintereinander ließ sich noch eine Geldstrafe per Strafbefehl aushandeln. Keine Leichtfertigkeit nahm das Gericht mehr bei einem Mandanten an, der über 50.000,00 € bei über 20 Bankbesuchen innerhalb eines Tages abholte und an einen unbekannt gebliebenen Dritten in bar übergab. Hier wurde dann entsprechend des regulären Strafrahmens bestraft.

Wo sind die Hintermänner?

Zumeist in Russland, Rumänien, Polen und den Philippinen, das sind zumindest meine Erfahrungen aus der Praxis.

Wie funktioniert Geldwäsche professionell?

In Deutschland am besten mit Unterstützung des Finanzamtes. Unternehmen, zum Beispiel Restaurants werden gekauft und die künstlich durch Einleitung von Schwarzgeld aufgeblähten Gewinne dann ordnungsgemäß versteuert. Interessanterweise haben Finanzämter Computerprogramme, um rastermäßig zu prüfen, ob ein Unternehmen verdächtig zu wenig Gewinn macht. Mit dem gleichen Programm ließen sich auch den in Deutschland tätigen Geldwäschern der internationalen organisierten Kriminalität schwerer Schaden zufügen, nur scheint dies nicht gewollt.


Dienstag 1. Juli 2014


Begriffserklärungen Juristendeutsch – Deutsch

Amtsanwalt: Amtsanwälte bearbeiten meist Delikte der Kleinkriminalität und Verkehrsstraftaten und treten beim Amtsgericht als Anklagevertreter auf. Sie entlasten dadurch Staatsanwälte und sind als Beamte des gehobenen Dienstes auch für den Staat billiger als Volljuristen im höheren Dienst.

Amtsgericht: Nach § 24 Abs. 1 Nr. GVG ist das Amtsgericht grundsätzlich für Straftaten zuständig, in denen keine Freiheitsstrafe über 4 Jahre zu erwarten ist und auch keine Unterbringung oder Sicherungsverwahrung im Raum steht.

Amtsrichter: Der Amtsrichter als Einzelrichter ist nach § 25 GVG zuständig, wenn keine Strafe über 2 Jahre zu erwarten ist.

Schöffengericht:  Wenn eine Freiheitsstrafe zwischen 2 und 4 Jahren erwartet wird, ist das Schöffengericht zuständig. Das Schöffengericht besteht aus dem Amtsrichter und zwei Schöffen.

Erweitertes Schöffengericht:  In umfangreichen Verfahren mit vielen Zeugen, etc. kann auf Antrag der Staatsanwaltschaft ein weiterer Berufsrichter hinzugezogen werden. Während in den meisten Amtsgerichten erweiterte Schöffengerichte von Fall zu Fall gebildet werden, gibt es als große Ausnahme am Amtsgericht Tiergarten erweiterte Schöffengerichte auch als ständige Abteilungen.

Antragsdelikte: Während im Strafrecht im Prinzip die Verfolgung von Amts wegen gilt, setzen einige Straftaten einen Strafantrag des Berechtigten voraus. Ein typisches Beispiel für ein Antragsdelikt ist die Beleidigung.

Auskunftsverweigerungsrecht:  Recht des Zeugen nach § 55 StPO auf Fragen, deren Antwort ihn belasten oder einer Strafverfolgung aussetzen würden, nicht zu antworten.

Aussageverweigerungsrecht: Der Beschuldigte hat das Recht keine Aussage zu dem ihm zur Last gelegten Sachverhalt zu machen.

Beratungshilfe: Im Strafrecht ist über die Beratungshilfe nur eine Beratung möglich. Der Beratungshilfeschein wird vom Ratsuchenden beim lokal zuständigen Amtsgericht beantragt. Mit dem Beratungshilfeschein und 15,00 € Selbstbeteiligung kann dann ein Rechtsanwalt aufgesucht werden.

Berufung: Im Strafrecht gibt es eine Berufung nur gegen Urteile des Amtsgerichts. Die Berufung ermöglicht eine vollumfängliche Überprüfung des erstinstanzlichen Urteils.

Annahmeberufung: Bei Verurteilungen von bis zu 15 Ts ist die Berufung nur zulässig, wenn sie vom Berufungsgericht angenommen wird.

Beweismittel: im Strafrecht gibt es fünf Beweismittel SAUEZ = Sachverständige, Augenschein, Urkunden, Einlassung des Beschuldigten und Zeugen

Bußgeldverfahren:  Im Bußgeldverfahren werden keine Straftaten, sondern Ordnungswidrigkeiten geahndet. Ordnungswidrigkeiten werden durch einen Bußgeldbescheid der zuständigen Verwaltungsbehörde geahndet. Auf einen Einspruch wird der Vorgang an das Amtsgericht zur Entscheidung weitergeleitet.

Ermittlungsverfahren: Das Ermittlungsverfahren wird auch als Vorverfahren bezeichnet und steht als solches am Anfang eines Strafverfahrens, §§ 160 ff. StPO. Am Ende des Ermittlungsverfahrens entscheidet die Staatsanwaltschaft ob das Verfahren eingestellt oder Anklage erhoben wird. Herrin des Ermittlungsverfahrens ist die Staatsanwaltschaft.

Ersatzfreiheitsstrafe: Die Ersatzfreiheitsstrafe wird vollzogen, wenn die Geldstrafe nicht bezahlt oder ersatzweise auch nicht durch Arbeit abgeleistet wird. Um es nicht zu einer Ersatzfreiheitsstrafe kommen zu lassen, empfiehlt sich frühzeitige Kontaktaufnahme zur Vollstreckungsbehörde, um Ratenzahlung oder freie Arbeit zu vereinbaren.

Gnadenantrag: Kein Rechtsmittel, sondern ein Antrag eigener Art. Das Gnadenverfahren folgt eigenen, teils geheimen Regeln, so werden Entscheidungen in der Regel auch nicht begründet.

Hauptverfahren: Das Hauptverfahren beginnt mit Zulassung der Anklage und endet mit Urteil oder Einstellung des Verfahrens. Es wird oft als wichtiger Teil des Strafverfahrens bezeichnet, womit nach meiner Ansicht aber auch die Bedeutung des Ermittlungsverfahrens verkannt wird.

Kapitalverbrechen: Kapitalverbrechen ist eine umgangssprachliche Bezeichnung für schwerste Straftaten wie Mord und schwerer Raub, die früher mit auch mit der Enthauptung bestraft wurden. Wobei eine Herleitung vom lateinischen Wort capitalis, das Haupt betreffend, erfolgt.

Landgericht:  Das Landgericht ist in Strafsachen zuständig, wenn Sicherungsverwahrung oder eine Unterbringung in Betracht kommt oder eine Strafe von über 4 Jahren für möglich gehalten wird. Auch in Berufungen ist das Landgericht zuständig.

Kammergericht, bzw. Oberlandesgericht: Das Oberlandesgericht ist in Strafsachen für Revisionen amtsgerichtlicher Urteile zuständig und erstinstanzlich in so genannten Staatsschutzsachen. In Berlin wird das Oberlandesgericht aus historischen Gründen Kammergericht bezeichnet, da es ursprünglich in den Räumen (Kammern) der brandenburgischen Kurfürsten tagte.

Ordnungswidrigkeiten: Ordnungswidrigkeiten sind geringfügige Verletzungen der Rechtsregeln, anders als Straftaten. Das Ordnungswidrigkeitenrecht ist eine Mischform zwischen Verwaltungsrecht und Strafrecht. Ordnungswidrigkeiten sollten nicht unterschätzt werden, da in einigen Bereichen Bußgelder sehr hoch sein können, höher als im Strafrecht manche Geldstrafe. Auch Nebenfolgen können schwere Folgen haben.

Pflichtverteidiger: Vom Gericht in Fällen notwendiger Verteidigung dem Beschuldigten beigeordnete Rechtsanwälte, wenn diese keine Wahlverteidiger haben. Pflichtverteidiger sind Rechtsanwälte und im Prinzip nicht schlechter als Wahlverteidiger. Dem Beschuldigten ist nur anzuraten, selbst dem Gericht einen Pflichtverteidiger vorzuschlagen, da Gerichte sonst bei der Auswahl nicht immer die Interessen des Beschuldigten im Blick haben. In besonders aufwendigen Ermittlungsverfahren kann die Pflichtverteidigervergütung so unangemessen niedrig sein, dass der Beschuldigte hier mit einem aus eigener Tasche bezahlten Wahlverteidiger besser fährt.

Rechtskraft: Rechtskraft tritt ein, wenn gegen eine Entscheidung kein Rechtsmittel mehr gegeben ist. Ein Gnadenantrag stellt aber gerade kein Rechtsmittel dar, sondern ist ein Antrag eigener Art.

Rechtsmittel:  Mit Rechtsmitteln werden staatliche Entscheidungen angefochten. Rechtsmittel sind zum Beispiel Berufung, Revision, Beschwerde, sofortige Beschwerde, etc.

Revision: Rechtsmittel gegen Urteile, bei dem nur auf Rechtsfehler geprüft wird. Geprüft werden materiell rechtliche Richtigkeit und das verfahrensrechtlich ordnungsgemäße Zustandekommen des Urteils. Anders als bei einer Berufung werden keine Tatsachen erneut geprüft.

Schöffen: Schöffen sind ehrenamtliche Richter, die beim Amtsgericht bei Schöffengerichten und erweiterten Schöffengerichten und beim Landgericht in großen und kleinen Strafkammern eingesetzt werden. Die Laienrichter haben das gleiche Stimmrecht wie Berufsrichter und sollen Volkes Stimme in Gerichtsverhandlungen einbringen. Berufsrichter bezeichnen hinter vorgehaltener Hand ihre ehrenamtlichen Beisitzer manchmal abschätzig als Beischläfer. Die meisten Schöffen bemühen sich aber fleißig in den Prozess einzubringen und haben oft eine ungeahnte, aber förderliche neue Perspektive oder manchmal auch überraschendes Zusatzwissen.

Sexualdelikt: Sexualdelikte sind Straftaten im Bereich des Sexualstrafrechts. Empfehlenswert für Beschuldigte sind Verteidiger mit einem Tätigkeitsschwerpunkt in diesem Bereich, http://www.sexualdelikt.berlin . Das Sexualstrafrecht stellt im Rahmen meiner Verteidigertätigkeit einen Schwerpunkt meiner Arbeit dar.

Sexualstrafrecht: Sexualstrafrecht umfasst die Paragraphen des 13. Abschnitts, und nach meiner persönlichen Auffassung auch die Beleidigung, wenn es um sexualisierte Beleidigungen geht. Als Anhang zu Sexualstraftaten kann man sich faktisch aber auch jeden anderen Paragraphen vorstellen, von der Körperverletzung, über Nötigung und Freiheitsberaubung bis zum Totschlag. Da viele Strafverteidiger aus freiem Willen kein Sexualstrafrecht bearbeiten, aber auch Erfahrung und Sonderwissen für eine gute Verteidigung notwendig sind, sollte sich ein Beschuldigter an einen spezialisierten Strafverteidiger wenden, so http://www.sexualdelikt.berlin . Ich stehe hier gerne zur Verfügung.

Sprungrevision: Bei Urteilen des Amtsgerichts ist unter Umständen auch eine Sprungrevision zum Oberlandesgericht, bzw. zum Kammergericht möglich. Da dabei auf eine Instanz verzichtet wird, findet die Sprungrevision nur in den seltenen Fällen statt, wenn die Rechtswidrigkeit dem Urteil schon auf die Stirn geschrieben steht.

Staatsanwaltschaft: Die Staatsanwaltschaft ist Herrin des Ermittlungsverfahrens und vertritt im Hauptverfahren die Anklage. Außer im Jugendbereich ist sie auch für die Strafvollstreckung zuständig.

Strafkammer: Kleine Strafkammern aus einem Berufsrichter mit 2 Schöffen entscheiden beim Landgericht über Berufungen und große Strafkammern mit 3 Berufsrichtern und 2 Schöffen über Verfahren der 1. Instanz beim Landgericht.

Strafmündigkeit: Nach deutschem Recht ist man erst ab 14 Jahren strafmündig. In Großbritannien beginnt die Strafmündigkeit bei 10 Jahren und andere Länder kennen keine Strafmündigkeit oder entscheiden von Fall zu Fall.

Strafverfolgungsbehörden: Strafverfolgungsbehörden sind Behörden die Straftaten verfolgen. Dies sind unter anderem die Staatsanwaltschaft, die Polizei, der Zoll, auch die Finanzämter für Strafsachen und Fahndung und in Einzelbereichen auch andere Behörden.

Strafverteidiger: Die einzige Person im Strafverfahren, die eindeutig auf der Seite des Beschuldigten steht.

U-Haft: Untersuchungshaft, soll der Verfahrenssicherung bei Fluchtgefahr und Verdunklungsgefahr dienen, kommt auch bei Wiederholungsgefahr in Betracht

Zeugnisverweigerungsrecht: Zeugnisverweigerungsrechte nach §§ 52, 53 StPO berechtigen den Zeugen Auskunft zu sich oder zu Dritten zu verweigern.

Zwischenverfahren: Im Zwischenverfahren ab Erhebung durch die Anklage soll das Gericht über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden. Da leider viele Richter nach dem Prinzip handeln, „Wir schauen mal, was die Hauptverhandlung ergibt.“, fristet das Zwischenverfahren leider ein Schattendasein. Trotzdem sollte der Verteidiger die Möglichkeiten des Zwischenverfahrens nicht ignorieren.

Siehe auch die gut gemachte Seite der NRW-Justiz : http://justiz.nrw.de/BS/recht_a_z/index.php, ein eingeschränktes aber kostenloses Begriffslexikon. Aber auch auf http://www.wikipedia.de finden sich viele Begriffe erklärt, und meist noch erheblich umfangreicher. Außerdem gibt es auf dem Markt noch mehrere Rechtslexika. Sie können natürlich auch Ihren Verteidiger fragen.

Dieser Artikel wird fortlaufend erweitert.


Sonntag 15. Juni 2014


Berliner Junitagung 2014

Gestehen-Leugnen-Schweigen und Taktiken der Wahrheitsfindung im Strafverfahren waren die Themen der 18. Berliner Junitagung für Forensische Psychiatrie und Psychologie am 13. Juni 2014.
Im Rahmen meiner jährlichen Fortbildung besuchte ich die Tagung am 13. Juni 2014 und hörte zu Anfang einen Vortrag der Berliner Glaubhaftigkeitsgutachterin Frau Professor Volbert zum Thema „Falsche Geständnisse, beredtes Schweigen und zutreffendes Leugnen“. Neben dem interessanten Vortrag nutzte ich die Chance auch zu einem kurzen Gespräch über einen gemeinsamen Fall.

Frau Diplom-Psychologin Claudia Brockmann vom LKA Hamburg sprach über, „Beschuldigtenvernehmung-Informationssammlung, Forum oder Verteidigung oder Geständnismotivierung? Dabei berichtete sie über Vorgehensweise der vernehmenden Polizisten, Fehlerquellen und Fehlervermeidungsstrategien in Vernehmungen.

Professor Dr. Dr. Alexander Ignor hatte das Thema „Ist der schweigende Angeklagte der Goldstandard der Verteidigung.“ Er zeigte auf, dass Schweigen die richtige Entscheidung ist, um einem Verteidiger erst einmal zu ermöglichen einen Fall umfassend zu erfassen. Frühzeitiges Reden birgt unüberschaubare Risiken, dazu konnte wohl jeder ernstzunehmende Strafverteidiger zustimmen.

Professor Dr. Günter Köhnken aus Kiel, ebenfalls einer von Deutschland anerkanntesten Aussagepsychologen hielt einen Vortrag zur Psychologie falscher Geständnisse, wobei er verschiedene reale Fälle besprach und aufzeigte, wie es zu den falschen Geständnissen gekommen war. In den meisten Fällen, weil Polizei und Justiz unbedingt einen Täter präsentieren wollten und die unschuldig festgenommenen über Stunden und auch Tage und Wochen solange bearbeiteten bis sie Geständnisse erhielten. Die Gerichte machten dann die Fehler solche dubiosen Geständnisse einfach nicht zu hinterfragen, wenn nicht gerade die Polizei ihnen rechtsstaatswidrig bewusst Informationen vorenthalten hatte. Nach dem Vortrag konnte man schon am deutschen Rechtsstaat zweifeln.

Der Psychiater Prof. Dr. Hans-Ludwig Kröber wandte sich in seinem Vortrag „Die Wahrheit der Person und die Wahrheit der Tat: der schweigende Angeklagte aus Sicht des Psychiaters“ meiner Ansicht nach ohne Verständnis für die Arbeit von Strafverteidigern gegen das Schweigen. Aus psychiatrischer Sicht sah er es als problematisch, wenn sich Täter nicht ihren Taten stellten, da sie so die Heilung und Behandlung in Frage stellen würden. Zu kurz kam mir auch ein Verständnis bzw. Respekt für die Unschuldsvermutung. Trotz meiner Kritik fand ich es interessant so auch einmal die Perspektive der Psychiater kennen zu lernen.

Dr. Steffen Lau war aus Zürich angereist, wo er in der Psychiatrie für Straftäter tätig ist. Er sprach über „Auswirkungen von Tatleugnung und Schweigen auf die kriminalprognostische Beurteilung und Behandlung“. Dabei stellt er fest, dass beharrliches Leugnen einer Tat keine Erhöhung einer Rückfallgefahr bedeutete. Bei einer Bagatellisierung einer Tat hingegen sah der Psychiater eine höhere Rückfallgefahr.

Susanne Niemz vom kriminologischen Dienst Brandenburg thematisierte „Urteilsabsprachen und Opferinteressen“. Die mir bekannten Strafverteidigerkollegen applaudierten am Ende des Vortrages nicht. Mir erschien das Verständnis für ein rechtsstaatliches Verfahren bei der Dozentin nur schwach ausgeprägt. Dies war insbesondere der Fall als sie von der Feigheit von Tätern sprach, in einem Prozess nicht zu gestehen. Dass es auch unschuldig Angeklagte geben konnte, schien ihr fremd und auch von der Unschuldsvermutung schien die Opferschutzexpertin aus meiner Sicht zu wenig zu wissen.

Den Abschlussvortrag hielt dann Richter am Bundesgerichtshof Professor Dr. Andreas Mosbacher, „Das Ideal richterlicher Wahrheitsfindung und die Betrübnisse des wirklichen Lebens“. Er wertete die Fälle von unerkannten Unrechtsurteilen aus, die der BGH alle kritiklos durchgewinkt hatte. Mit der Beschränkung des BGH auf die Kontrolle auf Rechtsfehler entschuldigte er meines Erachtens zu viel. Er erwähnte die französische Justizreform, nach der man nach einer Häufung von Verurteilungen Unschuldiger eine zweite Tatsacheninstanz bei hohen Freiheitsstrafen eingeführt hatte. Aus finanziellen Gründen hielt er dies für nicht machbar, hielt es aber immerhin für überlegenswert alle polizeilichen Vernehmungen vollumfänglich mittels Videotechnik zu dokumentieren, um hier Fehlerquellen auszuschließen.

Neben den interessanten Vorträgen hatte ich die Chance zu kurzen Gesprächen mit drei Sachverständigen, mit denen mir gemeinsame Hauptverhandlungen bevorstehen. Damit hatte sich die Tagung wie immer für mich gelohnt.


Donnerstag 15. Mai 2014


Das Strafbefehlsverfahren – Einspruch gegen einen Strafbefehl

Das Strafbefehlsverfahren entlastet eine chronisch überforderte Justiz, in dem es bei leichter Kriminalität zu rechtskräftigen Verurteilungen ohne mündliche Hauptverhandlung führen kann.

Nur Vergehen können durch einen Strafbefehl geahndet werden, keine Verbrechen mit einer Mindeststrafe von einem Jahr. Der Strafbefehl kann eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr festsetzen, wenn sie zur Bewährung ausgesetzt wird und der Angeschuldigte einen Verteidiger hat. Als meiste Rechtsfolge werden aber Geldstrafen durch einen Strafbefehl festgesetzt, aber auch andere Rechtsfolgen sind nach § 407 Abs. 2 StPO denkbar.

Der Strafbefehl wird von der Staatsanwaltschaft, bzw. der Amtsanwaltschaft beim zuständigen Gericht beantragt, § 407 StPO.

Das Gericht kann den Erlass eines Strafbefehls durch Beschluss ablehnen, dagegen kann die Staatsanwaltschaft sofortige Beschwerde einlegen. Der Richter kann den Strafbefehl erlassen, bei einer Freiheitsstrafe muss er noch einen Pflichtverteidiger nach § 408b StPO bestellen. Wenn der Richter Bedenken gegen den Strafbefehl hat, kann er auch eine Hauptverhandlung anberaumen, wenn er der Staatsanwaltschaft Gelegenheit zur Abänderung des Strafbefehls gegeben hat.

Gegen einen erlassenen Strafbefehl kann der Angeklagte innerhalb von zwei Wochen einen Einspruch einlegen, worauf es dann zur Hauptverhandlung kommt. Bei einem Einspruch gegen einen Strafbefehl besteht das Risiko, dass sich die Strafe verschlechtern kann.  Je nach Konstellation kommt auch eine Beschränkung des Einspruchs auf einzelne Rechtsfolgen, etc. in Betracht. Durch eine Beschränkung lässt sich auch das Risiko einer Verschlechterung reduzieren.

Wird nicht rechtzeitig Einspruch eingelegt, gilt der Strafbefehl als rechtskräftige Entscheidung, die auch vollstreckt werden kann.

Ein Sonderfall ist der Strafbefehl nach § 408a StPO, der erlassen wird, wenn Angeklagte nicht zu einer Hauptverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung erscheinen und die sonstigen Voraussetzungen eines Strafbefehls vorliegen.

Strafbefehle bieten sich auch bei bestimmten Delikten an, wenn Beschuldigte unbedingt eine Hauptverhandlung vermeiden wollen und eine Einstellung nicht mehr in Betracht kommt.

Gegen Jugendliche ist ein Strafbefehl nicht möglich, gegen Heranwachsende unter Umständen.

Leider erlebe ich oft, dass Mandanten in ihrem Bundeszentralregister Eintragungen durch Strafbefehle erhalten haben, gegen die sie sich aus Faulheit nicht gewehrt haben, obwohl sie unschuldig waren. Es war halt den Aufwand nicht wert oder es ging darum einen Freund zu schützen. Wenn man diese Einschätzung auch für die Strafe vielleicht treffen kann, haben diese Mandanten nie daran gedacht, dass auch die Eintragung eines Strafbefehls im Bundeszentralregister noch über Jahre negative Auswirkungen haben kann.

Ich empfehle daher, sich auch bei Strafbefehlen durch einen Strafverteidiger beraten zu lassen, ob man Einspruch einlegt und diesen eventuell auf einzelne Angriffspunkte beschränkt.


Donnerstag 1. Mai 2014


Die Rechtsmittel Berufung und Revision in Strafsachen

Berufung und Revision sind die bekanntesten Rechtsmittel. Viele Ratsuchende kennen die Unterschiede jedoch nicht, deshalb hier eine sehr kurze, zwangsläufig aber auch unvollständige Erklärung.

1. Berufung

Die Berufung führt zu einer vollständigen Neuverhandlung des Verfahrens, mit einigen Einschränkungen.

In Strafsachen ist die Berufung in Deutschland nur gegen Urteile des Amtsgerichts zulässig. Die Berufung wird dann vor der kleinen Strafkammer des Landgerichts verhandelt, die mit einem Berufsrichter und zwei Schöffen besetzt ist.

Berufung muss beim Ausgangsgericht innerhalb einer Woche nach Verkündung des Urteils eingelegt werden.

Bei Berufungen gegen Verurteilungen zu einer Geldstrafe von nicht mehr als 15 Tagessätzen ist die Berufung nur zulässig, wenn sie begründet wird und durch das Berufungsgericht angenommen wird. Dieser Sonderfall wird Annahmeberufung genannt.

2. Revision

Die Revision ist ausdrücklich keine Tatsacheninstanz und prüft nur noch, ob das vorige Urteil materiell richtig ist und verfahrensmäßig ordnungsgemäß zustande gekommen ist. Revision kann gegen amtsgerichtliche Urteile eingelegt werden (eine sogenannte Sprungrevision), gegen Berufungsurteile des Landgerichts und erstinstanzliche Urteile des Landgerichts und Oberlandesgerichts.

Revision muss beim Ausgangsgericht innerhalb einer Woche nach Verkündung des Urteils eingelegt werden. Auch die Revisionsbegründung unterliegt einer eigenen Frist. Die Begründung der Revision unterliegt sehr strengen Formvorschriften und muss durch einen Rechtsanwalt unterzeichnet werden oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden, § 345 StPO.

Auch wenn bei der Berufung nicht in jedem Fall ein Rechtsanwalt notwendig ist, sollte er doch eingeschaltet werden, wenn das Verfahren in der ersten Instanz schon nicht nach den Wünschen des Beschuldigten ausgegangen ist. Auch bei der Revision ist ein Verteidiger auch dann anzuraten, wenn kein Fall der notwendigen Verteidigung vorliegt.


Dienstag 1. April 2014


Gelungene Kriminalprävention

Als Strafverteidiger in Berlin gilt man bei vielen oft als Feind des Rechtsstaates und Helfershelfer der Kriminalität. Ein guter Strafverteidiger ignoriert solche Ansichten, da es meist doch keinen Sinn hat, dagegen anzureden. Bei den gleichen Leuten gelten Polizisten aber als die Guten. An dieser Stelle erlaube ich mir eine wahre Anekdote aus meinem Heimatbezirk Marzahn-Hellersdorf zum Besten zu geben.

Eine Wohnungsbaugesellschaft hatte von ihren Mietern immer mehr Beschwerden über zunehmende Diebstähle und Vandalismus bei Fahrrädern, aber auch Motorrädern und Motorrollern erhalten. Die Wohnungsbaugesellschaft entschloss sich zu handeln und errichtete auf einem Teil ihres Parkplatzes einen umzäunten und verschließbaren Abstellplatz für Zweiräder. In der Folge war die Gesellschaft stolz auf das Erreichte und die Mieter froh über unmöglich gemachte Diebstähle.

Überrascht waren dann beide, als plötzlich um den Stellplatz herum die Straßenbeleuchtung abgestellt wurde und Dunkelheit herrschte. Dieses Arbeitsbeschaffungsprogramm für Diebe begründeten Polizei und Kommunalverwaltung damit, dass durch die Umzäunung des Parkplatzes nun keine Öffentliche Nutzung mehr gegeben sei. Natürlich hatten die Bürokraten formell recht, aber die Entscheidung traf bei Mietern und Wohnungsbaugesellschaft verständlicherweise nur auf Unverständnis. Die Wohnungsbaugesellschaft hätte die Lampen selbst gern übernommen und die Stromkosten und Wartung bezahlt. Aber hier war die Bürokratie einmal schnell und schuf durch Abbruch Tatsachen. Insgesamt ordnet sich diese eher satirische Entscheidung aber in ein Muster ein, wonach man in Deutschland die Kriminalprävention flächendeckend herunterfährt und sich nur noch auf Repression konzentriert.


Samstag 15. März 2014


Intransparente Pflichtverteidigerbeiordnungen

Wer sich in Fällen notwendiger Verteidigung seinen Verteidiger nicht selbst aussucht, bekommt von den Strafrichtern einen Pflichtverteidiger beigeordnet. Ein Beschuldigter hat hierbei eine gute Chance von der Justiz einen Pflichtverteidiger gestellt zu bekommen, der die Interessen des ihn bestellenden Richters über das Interesse seines Mandanten stellt. Nach Umfragen unter Kollegen ist davon auszugehen, dass mindestens 1/3 der Richter sich von sachfremden Erwägungen leiten lässt und willkürlich handelt. Bei mir selbst konnte ich bei vielen Richtern beobachten, dass Beiordnungen durch die Richter ausblieben, wenn man engagiert und auch erfolgreich verteidigte. Ein Freispruch war regelmäßig die Garantie dafür, dass man nicht mehr beigeordnet wurde. Im Interesse der Mandanten muss man als Verteidiger hier die eigene Anständigkeit über das finanzielle Interesse stellen.

Andererseits ist es auch bekannt, dass einige schlecht verteidigende und in der Sache wenig erfolgreiche Rechtsanwälte von Richtern mit entsprechend vielen Beiordnungen dafür belohnt werden, dass sie es den Richtern nicht schwermachen.

Um eine transparente Vergabe von Pflichtverteidigungen durchzusetzen, wandte ich mich an den Präsidenten des AG Tiergarten, der das Problem leugnete und auch Grundrechte wie den Anspruch auf Gleichheit vor dem Gesetz, Art. 3 GG und die Freiheit des Berufes, Art. 12 GG als nicht relevant betrachtete.

Das Abgeordnetenhauses des Landes Berlin verschloss die Augen nicht auf die gleiche Weise und forderte mit Drucksache 17/1131 den Senat auf zu prüfen, wie mehr Transparenz bei der Bestellung von Insolvenzverwaltern und Pflichtverteidigern durch die Gerichte hergestellt werden kann. Der Widerstand in der Richterschaft gegen die Gefährdung ihrer willkürlichen Gefälligkeitsbeiordnungen war stark und es bleibt abzusehen, wie dieser Abgeordnetenhausbeschluss unterlaufen wird.

Beschuldigte, die vom Gericht aufgefordert werden, einen Pflichtverteidiger zu benennen, sollten dies innerhalb der Frist auch tun, da sonst der Richter, vielleicht mit Hintergedanken, einen Rechtsanwalt aussucht.

Daher ist mein Rat an jeden Beschuldigten, wählen Sie Ihren Verteidiger selbst.

Ich werde auch als Pflichtverteidiger tätig, wenn die Voraussetzungen vorliegen.

PS In anderen Bundesländern existiert das Problem auch und in einigen Bundesländern wählt die Justiz nicht einmal aus Strafverteidigern aus, sondern ordnet vielfach absichtlich fachfremde Rechtsanwälte bei.


Samstag 1. März 2014


Grund für eine Falschanzeige bei einem Sexualdelikt, Nr. 7

Ich habe schon in zwei Artikeln über sechs andere Gründe für Falschanzeigen im Sexualstrafrecht geschrieben. Der siebte Grund ist  nun Geld, bzw. die Gier nach Geld.

Bei einem sexuellen Missbrauch entsteht regelmäßig ein Schmerzensgeldanspruch gegen den Täter, bzw. vermeintlichen Täter. Neben den echten Fällen wird vermutlich nicht selten auch Geld von Unschuldigen gefordert. Dann heißt es, dass aus dem Onkel oder dem Großvater mit einem solchen Vorwurf Geld herauszuholen sei.  Das Druckmittel ist dabei neben einem drohenden Strafverfahren, vor allem die öffentliche Bloßstellung und so etwas funktioniert auch recht gut bei Unschuldigen.

In einem Fall habe ich erlebt, dass ein echter Missbrauch vorlag, aber eine andere Person wohl ebenfalls vom Schmerzensgeldanspruch profitieren wollte. Es war aber nachweisbar, dass ein Missbrauch zu Lasten dieser Person nicht stattgefunden haben konnte.

Sollte man nun einer solchen Forderung nachgeben? Es bleibt das Risiko eines Strafverfahren, wo bei extrem langen Verjährungsfristen der Beschuldigte gezwungen wird, sich gegen einen Vorwurf zu verteidigen, der vielleicht vor zwanzig Jahren stattgefunden haben soll. Selbst bei einem Freispruch kann bei einem Vorwurf eines Sexualdelikts noch in der Öffentlichkeit ein Makel hängen bleiben.


Samstag 15. Februar 2014


Welche Vorteile hat ein Verteidiger im Strafverfahren?

In den Fällen der notwendigen Verteidigung, § 140 StPO, hat das Gesetz schon die Mitwirkung eines Verteidigers im Strafverfahren bestimmt.

Sollte man nun in allen anderen Fällen auf die Beauftragung eines Verteidigers verzichten, immerhin kann man ja maximal eine Freiheitsstrafe von einem Jahr erhalten?

1. Fehlende Objektivität

Jeder von einem Rechtsstreit Betroffene ist emotional stark belastet und in einer Hauptverhandlung auch noch meist nervös. Der fehlende Abstand zum Verfahren wirkt sich regelmäßig negativ auf die Beurteilungsfähigkeit aus. Der Strafverteidiger ist hier der professionell agierende Dritte und wird das Verfahren objektiv beurteilen und seinem Mandanten ebenso beraten.

Entsprechend wird schon dem Jurastudenten beigebracht, dass sich ein Rechtsanwalt möglichst nicht selbst verteidigen solle.

2. Akteneinsicht nur mit Verteidiger

Einsicht in die Verfahrensakten wird nur einem Verteidiger gewährt, da die Justiz die Befürchtung hat, dass ein Beschuldigter seine Verfahrensakte vernichten würde. Eine Verteidigung ohne Verfahrensakte oder auch eine entsprechende Beratung bezeichne ich als Stochern im Nebel. Der Beschuldigte kennt nur seine subjektive Sicht der Dinge, aber nicht die Beweismittel in der Akte. Ohne Kenntnis der Aussagen anderer Zeugen kann der Beschuldigte erst in der Hauptverhandlung reagieren, in der Regel zu spät. Das Planen einer sinnvollen Taktik, wie zum Beispiel der Verzicht auf eine Einlassung, kann ohne Aktenkenntnis nicht erfolgen.

3. Gesetzeskenntnis des Strafverteidigers

Der Strafverteidiger kennt nicht nur die Gesetze, sondern auch die Kommentierung von Rechtsprechung und wissenschaftlicher Literatur. Der Beschuldigte wird allein im Zweifel das Prozessrecht nicht nutzen können, sondern ist hier auf die Kenntnis des Strafverteidigers angewiesen.

4. Strafverteidiger, Staatsanwalt und Gericht befinden sich Augenhöhe

Es ist zwar wohl nicht rechtmäßig, aber trotzdem allgemeine Praxis, dass Gerichte bei unverteidigten Angeklagten schnell über deren Köpfe entscheiden. Einen besonders prägnanten Fall hatte ich einmal in der Berufungsinstanz übernommen, nachdem die damals unverteidigte Angeklagte in der ersten Instanz regelrecht von der Richterin überfahren worden war. Es grenzte schon an Rechtsbeugung, dass das Gericht nicht einmal Ansätze zu einer Ermittlung des Sachverhaltes machte. Das fehlende Geständnis wurde rechtswidrig als strafverschärfend im Urteil gewertet. In der zweiten Instanz gelang es mir, mittels mehrerer Beweisanträge aufzuzeigen, dass die Belastungszeugen Falschaussagen gemacht hatten. Ein rechtsmedizinisches Gutachten zeigte dann auf, dass der von der Anklage geschilderte Geschehensablauf nicht der Realität entsprach. Am Ende kam es zum Freispruch und zur Eröffnung von Verfahren wegen falschen Verdächtigung und uneidlicher Falschaussagen gegen die Anzeigenerstatter und Belastungszeugen.

5. Gemeinsame Gesprächsbasis

Juristen sprechen die gleiche Sprache und kennen sich auch meist aus anderen Verfahren. Strafverfahren werden oft durch Absprachen außerhalb des Gerichtssaals beendet, wobei Richter und Staatsanwälte solche Absprachen in der Regel nur mit Strafverteidigern treffen. Staatsanwälte und Gerichte sind in Deutschland überlastet, da die Justiz als Stiefkind von der Politik behandelt wird. Dementsprechend sind Richter und Staatsanwälte bemüht Akten schnell von ihren Schreibtischen zu bekommen und auch zu einem Nachgeben in gewissem Umfang bereit, wenn ihnen ein Verteidiger ein akzeptables Angebot macht.

6. Vor dem Urteil – Nach dem Urteil

Wie schon in einem Artikel beschrieben, hat der Angeklagte das letzte Wort und kann mit guter Beratung dabei noch einiges erreichen oder ohne Beratung vieles falsch machen.  Wenn Sie von einem Strafverteidiger im Verfahren begleitet werden, wird dieser ein Schlussplädoyer halten und objektiv, aber parteiisch zu Ihren Gunsten den Sachverhalt würdigen und die Rechtslage bewerten.

Sofern Sie verurteilt werden, kann der Strafverteidiger Sie über die Erfolgsaussichten von Berufung oder Revision beraten und Ihnen eventuell nicht notwendige Ausgaben ersparen.

7. Tipps

Oft kommen Mandanten zu spät zu mir, bei größeren Verfahren erst nach Anklageerhebung, wobei der Strafverteidiger schon viel im Ermittlungsverfahren erreichen und auch verhindern kann. Mandanten versuchen sich durch offene Aussagen bei der Polizei zu helfen und verschaffen der Polizei damit unter Umständen die einzigen Beweismittel im Verfahren.

Sofern Sie keinen Strafverteidiger mit Ihrer Vertretung beauftragen wollen oder können, so sollten Sie sich wenigstens eine Beratung leisten. Wer auch auf die Beratung verzichtet, zahlt mit großer Wahrscheinlichkeit an anderer Stelle zu.

Verteidigung von Sexualdelikten, Drogendelikten, Allgemeinem Strafrecht

Amtsgericht Tiergarten und Staatsanwaltschaft Berlin in der Kirchstraße 6, Copyright RA Malte Höpfner


Samstag 1. Februar 2014


„Nebenklage“ oder „Was einen guten Nebenklägervertreter ausmacht?“

Als Strafverteidiger bin ich Nebenklagevertretern öfter begegnet als ich selbst Nebenklagen vertreten habe. Das hatte immerhin den Vorteil verschiedenste Typen von Nebenklägervertretern am Objekt studieren zu können.

Als praxiserprobter Strafverteidiger kommt man dabei zu anderen Wertungen als Journalisten, die gern über kämpferische Nebenklägeranwälte berichten. Bei einem besonders spektakulären Fall berichteten Zeitungen besonders überschwänglich über den Nebenklägervertreter, während viele Strafverteidiger entsetzt verfolgten, wie dieser Anwalt seine Mandanten völlig unnötig noch einmal durch die Hölle schickte, um Schlagzeilen zu generieren.

Ganz anders agierte dabei zuletzt ein anerkannter Strafverteidiger, der völlig ruhig und unprätentiös seine Rolle als Nebenklägervertreter wahrnahm, seine Mandanten informierte und immer an den richtigen Stellen sachlich seine Wertung in das Verfahren einbrachte. Dabei konzentrierte sich die Presse dann natürlich auf den Täter und weniger auf die Opfer, bzw. deren Hinterbliebenen. Am Ende des Verfahrens kam es zum erwarteten und sachgerechten Urteil, wobei das Gericht hier dem Antrag des Nebenklägervertreters in vollem Umfang entsprach.

Aus meiner Sicht sollte ein Rechtsanwalt, der die Nebenklage vertritt, seine Mandanten sachgerecht und zeitnah informieren, dafür sorgen, dass das Verfahren für seine Mandanten so wenig wie möglich belastet und sachgerechte Anträge stellen. Was sich recht einfach anhört, wird oft nicht praktiziert. Die Gründe mögen Geltungsdrang des Rechtsanwaltes sein oder einfach nur mit der fehlenden strafrechtlichen Erfahrung zusammenhängen. Es ist immer falsch, wenn der Rechtsanwalt sich in den Vordergrund drängt und dabei die Interessen seiner Mandanten aus dem Blick verliert. Nicht minder gefährlich sind aber auch Kollegen aus anderen Rechtsgebieten, die ohne Nachzudenken meinen, dass jeder Anwalt auch eine Nebenklage vertreten kann. Da werden dann sinnlose Anträge gestellt, denen die Gesetzeswidrigkeit schon regelrecht auf die Stirn tätowiert ist. In einem Fall geiferte der Nebenklägervertreter in einem Maße, dass ich schon befürchtete, er habe sich mit Tollwut infiziert. Mir war im Übrigen unklar, ob er wegen fehlender Argumente so extrem auftrat, sich mit der Rolle des Nebenklägers nicht vertraut gemacht hatte oder nur für seine Mandanten und das Publikum eine Show ablieferte. Da er bei den in diesem Fall wichtigen juristischen Erwägungen nichts zu sagen hatte oder nichts sagen konnte, bedeutete er objektiv für seine Mandanten einen Totalausfall. Wahrscheinlich hat er aber nach dem Verfahren die Schuld dem Gericht zugeschoben, das meinem Antrag fast entsprach und immerhin eine weniger als halb so hohe Strafe verhängte, wie vom Nebenklägervertreter beantragt.

Der Schutz des Geschädigten vor langwierigen und kräftezehrenden Zeugenvernehmungen steht für manche Nebenklägervertreter gar nicht auf der Agenda, obwohl hier die Verteidiger für die Inanspruchnahme eines Strafrabattes ihren Beschuldigten oft zu einem Geständnis raten und die Gerichte hierfür auch offen sind.

Man kann einem einen Ratsuchenden nur raten, aufmerksam zu sein und nicht auf die aufgebauschten Berichte der Presse hereinzufallen. Auch die Selbstdarstellung des Rechtsanwaltes kann hilfreich sein, wenn man die einem alles versprechenden Hilfsstaatsanwälte gleich aussortiert.


Mittwoch 15. Januar 2014


AG Tiergarten verwehrte Zugang zum Mandanten

Bei einer Hauptverhandlung am AG Tiergarten wurde der Mandant, nach einem Terminversäumnis polizeilich vorgeführt.  Ich besuche meine nicht in Freiheit befindlichen Mandanten auch immer noch eine halbe Stunde vor dem Termin, um letzte Fragen zu besprechen und beruhigend zu wirken. Bei in U-Haft befindlichen Mandanten ist dies kein Problem, sondern man wird durch die Justizwachtmeister routiniert zu den Vorführzellen geschleust.

Diesmal bekam ich aber eine Absage, bei polizeilich Vorgeführten gebe es keine Besprechungsmöglichkeiten für eine Verteidigerbesprechung. Als Verteidiger ist man Praktiker und auch Improvisieren gewohnt. Ich schlug also dem Wachtmeister vor, dass man doch einfach eine Besprechungszelle im U-Haftbereich öffnen solle. Diesmal verwies der Wachtmeister formal auf das Trennungsgebot von U-Häftlingen und polizeilich Vorführten. Wegen der eindeutigen Anweisungen des Präsidiums des AG Tiergarten war eine weitere Diskussion sinnlos. Letztendlich sprach ich mit dem zuständigen Richter und erhielt meine Besprechung vor dem Saal.

Da die Durchführung von Mandantengesprächen ein aus der Verfassung hergeleitetes Recht ist, bemühte ich mich weiter um eine generelle Klärung mit dem Präsidenten des AG Tiergarten und bat dabei auch die Strafverteidigervereinigung Berlin um Unterstützung.  Die Strafverteidigervereinigung interessierte sich nicht für das Thema, der Vizepräsident des AG Tiergarten teilte mir immerhin aber nach einem Monat mit, dass die Weisungslage an die Justizwachtmeister nun präzisiert worden sei, um sicherzustellen, dass Mandantengespräche jederzeit durchgeführt werden können.


Mittwoch 1. Januar 2014


Fortbildungen im Jahr 2013

Das Jahr 2013 begann im Strafrecht, wie das Jahr 2012 endete, mit einer Fortbildung im Steuerstrafrecht. Diesmal lag der Schwerpunkt auf der Strafbefreiung durch eine Selbstanzeige und die damit verbundenen Chancen und Risiken.

Am 18.03.2013 besuchte ich dann eine Fortbildung zum Thema Geldwäsche und lernte welche Anforderungen die Geldwäscherichtlinie an Banken, Unternehmen und Anwälte stellt. Beruhigend war dabei nur, dass Strafverteidiger noch immer einem berechtigten Privileg unterliegen, welches den Schutz der verfassungsrechtlich gewährten Unschuldsvermutung und das Recht auf ein Faires Verfahren, gewährleisten soll. Interessant war für mich die Überlegung, inwieweit beim derzeitigen Immobilienboom in deutschen Großstädten Schwarzgeld zum Erwerb eingesetzt wird. Für die beteiligten Banken und die zivilrechtlichen beratenden Rechtsanwälte, wie auch die Notare stellt sich hier ein großes Problem, welches noch nicht richtig erkannt wird.

Die Strafverteidigervereinigung hatte am 18.April 2013 zu einer Veranstaltung zum „Deal“, der Verständigung im Strafprozess geladen. Ein Kollege, der am maßgeblichen Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht beteiligt war, berichtete über das Verfahren und die aus der Entscheidung resultierenden Änderungen.

Die DEKRA veranstaltete am 05.06.2013 einen Workshop zur Fahreignung (MPU) und zur Verkehrsüberwachung. Drei Tage später am 08.Juni 2013 besuchte ich eine Veranstaltung der Berliner Strafverteidigervereinigung zum DNA-Beweis im Strafverfahren.

Bei der Berliner Urania fand am 11.Juni 2013 eine interessante populärwissenschaftliche Veranstaltung zur Identifikation von Personen aufgrund von Bildmaterial statt. Auch für einen Strafverteidiger bot diese Veranstaltung noch einiges Neues.

Die Rechtsanwaltskammer Berlin hatte am 12.Juni 2013 zusammen mit dem Bundesministerium für Wirtschaft einen Workshop zur IT-Sicherheit organisiert, den ich zur Fortbildung besuchte.

Am 25.Juli besuchte ich die neuerrichtete Justizvollzugsanstalt Heidering-Großbeeren im Rahmen einer mehrstündigen Führung. Es war faszinierend Deutschlands modernstes Gefängnis kennen zu lernen.

Zum Abschluss des Jahres nahm ich am 06. und 07.Dezember 2013 am Upgrade Arbeitsrecht beim Deutschen Anwaltsinstitut (DAI) teil.

Während des Jahres besuchte ich regelmäßig meinen Strafverteidigerstammtisch, bei dem wir uns über neue Entwicklungen und Probleme innerhalb der Justiz austauschen. Ebenso gehört zur regelmäßigen Fortbildung eines Anwaltes auch noch das Studium der verschiedenen rechtswissenschaftlichen Zeitschriften und neuerdings auch der per E-Mail versandten Rundbriefe.


Sonntag 15. Dezember 2013


Kinderpornografie, § 184b StGB – OP Foosed

Kinderpornographiefälle sind niemals Einzelfälle, sondern treten im Internetzeitalter immer in Massen auf.  Auch derzeit hat die Polizei Osnabrück in der OP Foosed auf den Hinweis eines technischen Administrators aus dem Dezember 2012 auf verdächtige Inhalte auf einer von ihm verwalteten Seite  über 2000 Ermittlungsverfahren gegen Beschuldigte in ganz Deutschland eingeleitet. Über die mitgeloggte IP-Adresse wurden und werden die Anschlussinhaber über den Internetzugangsprovider identifiziert.  Sobald die Identifizierung erfolgte, werden die Verfahren an die für die Tatverdächtigen lokal zuständigen Strafverfolgungsbehörden abgegeben.

Die Beschuldigten erfahren regelmäßig erst von dem gegen sie bestehenden Tatverdacht, wenn zwischen 06.00 und 07.00 Uhr die Polizisten mit einem richterlichen Durchsuchungsbefehl an ihrer Tür klingeln. Dann werden Computer, Tablets und Smartphone beschlagnahmt und zur Auswertung mitgenommen. Eine Durchsuchung stellt für jeden Beschuldigten immer eine große Belastung dar. Auch wenn in Berlin die Beamten in Zivil kommen und ihr Fahrzeug meist in der Seitenstraße parken, kann eine Durchsuchung doch zu Gerede in der Nachbarschaft führen. Dem Beschuldigten wird auch jetzt erst klar, dass gegen ihn ein Strafverfahren geführt wird, an dessen Ende eine Strafe stehen kann. Ein nicht zu unterschätzenden Nebenproblem ist im heutigen Computerzeitalter, dass nun auch der Zugang zu beruflichen Daten oder auch dem Telefonbuch fehlt. Dies ist immer dann das Problem, wenn man alle Kontaktdaten im Smartphone gespeichert hat und Akten im Computer nur noch digital führt.  Ohne Rechtsanwalt gibt es für den Beschuldigten fast keine Möglichkeit an seine Daten heranzukommen und man muss leider auch sagen, dass es selbst für einen Rechtsanwalt schwierig ist, Daten von der Polizei zu erhalten. In vielen Verfahren habe ich es geschafft, dass die Polizei  Ordner mit beruflichem Schriftverkehr, Adressordner oder Kontodaten auf eine CD gebrannt und herausgegeben hat. In anderen Fällen wurden von der chronisch überlasteten Polizei auch Aufforderungen von Staatsanwaltschaft und Gericht einfach ignoriert. Die Auswertung von Computern dauert zum Beispiel in Berlin derzeit über ein Jahr und nach Aussage der bearbeitenden Polizisten geht die Tendenz eher zu zwei Jahren.

Für die zumeist bisher unbescholtenen Bürger stellt der Gedanke an eine öffentliche Gerichtsverhandlung eine sehr große Sorge dar, neben der zu erwartenden Strafe und oft auch der Frage, ob die Strafe Auswirkungen auf die Arbeit oder Beamtenstellung hat.

Ich kann nur empfehlen nicht abzuwarten, sondern zeitnah nach der Durchsuchung einen qualifizierten Strafverteidiger aufzusuchen. Ich übernehme gern Ihre Verteidigung.

Rechtsanwalt Malte Höpfner

Allee der Kosmonauten 28

12681 Berlin

Tel.: 030-5480 1493

E-Mail : hilfe@straf-kanzlei.de

www.straf-kanzlei.de


Sonntag 1. Dezember 2013


High durch Passivrauchen von Cannabis?

Ist dies die ultimative, nicht widerlegbare Ausrede nach einer Verkehrskontrolle? Könnte man sich so kostengünstig einen Rausch verschaffen? Immerhin gibt es seit Jahren Aufklärungskampagnen gegen das Passivrauchen von Tabak wegen seiner schädlichen Nebenwirkungen.

Den Gratisrausch erhält man wohl eher nicht, wie mehrere wissenschaftliche Untersuchungen beweisen. Cannabinoide, insbesondere das für den Rausch entscheidende psychoaktive THC müssen durch Essen oder aktiv durch Rauchen aufgenommen werden. Bei den Untersuchungen, die zum Teil unter extremen Bedingungen mit mehreren Rauchern in einem Kleinbus durchgeführt wurden, fühlte sich keiner der Teilnehmer bekifft.

Bei der Verkehrskontrolle sieht es da schon schlechter für den Passivraucher aus, da beim THC-Nachweis im Urin und Blut die wissenschaftlichen Untersuchungen keine eindeutigen Ergebnisse liefern. Bei einer der früheren Untersuchungen mit extremem Testaufbau hatte man später bei den Freiwilligen bis zu 6,3 ng/ml THC im Blut nachgewiesen. Hier wäre der Führerschein wohl weggewesen, wie bei einem realen Fall eines Passivrauchers mit 5,0 ng/ml THC im Blut. Dieser Testaufbau mit fünf Freiwilligen in einem Kleinwagen und sechs abgebrannten Joints galt vielen Wissenschaftlern als unrealistisch.

Bei einer späteren Untersuchung der Universitäten Jena und Mainz, die einen niederländischen Coffeeshop simulieren sollte, kam es zu keiner Blutanalyse oberhalb von 1ng/ml THC im Blut und die Werte im Urin blieben unterhalb des Schwellenwertes von 25ng/ml THC im Urin. Das Bundesverfassungsgericht hatte in einer Leitentscheidung festgestellt, dass erst ab 1 ng/ml THC im Blut tatsächlich von einer Fahruntüchtigkeit ausgegangen werden darf.

In der polizeilichen Praxis kommt es dann auch auf die verwendeten Drogen Screenings Tests und die eingestellten Nachweisgrenzen an. Die Polizei verwendet meist auf eine Nachweisschwelle von 50ng/ml THC im Urin eingestellte Drogentests. Ein weiterer Faktor ist die konservative oder aggressive Einstellung eines Tests. Aggressive Tests liefern zwar auch bei geringen Spuren schon Nachweise, aber eben auch erheblich falsch positive Ergebnisse. Ein Ergebnis ist dann falsch positiv, wenn zu Unrecht Drogen angezeigt werden.

Die Rechtsprechung behandelte den, oben genannten real existierenden, bei einer Verkehrskontrolle aufgegriffenen Passivraucher im Übrigen recht unfreundlich. Hier wird die Behauptung von der Justiz aufgestellt, dass auch ein Passivraucher von den Wirkungen des Passivrauchens wisse und daher der Gefahr durch Passivrauchen bekifft zu werden, aus dem Weg gehen müsse. In Wahrheit geht es der Justiz wohl eher darum sich nicht mit der Ausrede ernsthaft auseinandersetzen zu müssen. Da der ertappte Passivraucher aber vermutlich in Wirklichkeit ein Aktivraucher ist, gleicht sich das aus.


Freitag 15. November 2013


Basar am JVA Shop Tegel

Im JVA Shop Tegel kann man einige Produkte der JVA Tegel erwerben, aber auch Bestellungen von Auftragsarbeiten, Einzelstücken aufgeben. Ein breiteres Angebot zum Sofortkauf findet man im Frühlingsbasar, im Sommerbasar und im Winterbasar. An diesen drei Tagen im Jahr bieten auch die Bäckerei und Gärtnerei ihre Produkte an.

JVA Tegel – JVA Shop

Wenn man die den Basar verlassenden Besucher betrachtet, so hat jeder eine Tüte mit Brot und Kuchen. Nach der Masse an verkauften Nistkästen und Vogelhäuschen müsste der Platz in Berlin langsam knapp werden.

Neben den Betrieben aus der JVA Tegel wie Buchbinderei, Polsterei, Bauhof, Schlosserei, Schuhmacherei und Tischlerei beteiligen sich am Basar auch Stände mit Produkten aus den Frauenhaftanstalten. Es macht Spaß zu beobachten, wie Männer speziell die großen aus Beton gefertigten Grills vom Bauhof und die von der Schlosserei gefertigten Räucherofen ausgiebig mustern, während Frauen im JVA Shop die handgefertigten Handtaschen einer verliebten, längeren Würdigung unterziehen.

Sommerbasar des JVA Shop Tegel 03.08.2013

Mit einem Produkt der JVA Tegel habe ich regelmäßig zu tun, da dort auch die von der Justiz verwendeten roten Aktendeckel der Strafakten gedruckt werden.

Die braunen Papiereinkaufstüten mit dem Aufkleber „JVA Tegel“ sorgen bei der Rückfahrt mit dem Öffentlichen Personen Nahverkehr dann für manchen verwirrten und neugierigen Blick bei den Mitfahrern. Um falschen Einschätzungen zu entgehen, sollte man die Tüte mit dem Aufkleber JVA-Shop nach außen drehen.

Am 23. November 2013 von 10.00 – 15.00 Uhr findet der Winterbasar am JVA Shop Tegel in der Seidelstraße 41, 13507 Berlin statt. Mit dem ÖPNV erreicht man die JVA Tegel mit der U-Bahnlinie 6 über den Bahnhof „Holzhauser Straße“. Weitere Informationen zum JVA-Shop finden Sie hier: http://www.berlin.de/sen/justiz/justizvollzug/tegel/jva-shop.html